Kategorie: Gedanken

  • 🌈 Allerseelen – der Himmel auf Erden

    Ja – Gott liebt mich.
    Ich erkenne es in dem, was andere „Zufall“ nennen.

    Im späten Kennenlernen von Yuliya –
    auf einem Flug nach Venedig,
    als ich innerlich schon auf dem Weg ins Jenseits war.
    In den Jahren ohne Beschwerden nach einer 
    Notoperation wegen Darmkrebs in Kiew.
    Oder im einfachen Geschenk eines freien Parkplatzes,
    wo sonst nie einer zu finden ist.

    Ich weiß:
    Nichts davon ist selbstverständlich.
    Alles ist Zuwendung.
    Ein stilles Zeichen der Gegenwart Gottes –
    wie ein leiser Gruß aus dem Himmel, mitten im Alltag.

    🌈
    Der Regenbogen erinnert mich daran:
    Gott hat seinen Bund mit uns nicht aufgehoben.
    Er spannt ihn immer wieder neu – über Leid und Freude,
    über Tod und Leben,
    über das, was war, und das, was kommt.

    An Allerseelen spüre ich diese Nähe besonders.
    Wir denken an jene, die uns vorausgegangen sind,
    und zugleich ahnen wir:
    Der Himmel ist nicht fern.
    Er berührt uns in allem, was von Liebe durchdrungen ist –
    im Gedenken, im Gebet, im stillen Dank.

    Gott liebt mich.
    Und diese Liebe ist der Grund, warum ich glauben kann.
    Aber sie will mehr als nur geglaubt werden.
    Sie will Antwort –
    nicht aus Angst oder Pflicht,
    sondern aus Dankbarkeit.

    Wer diese Liebe wirklich annimmt,
    wird verwandelt.
    Er wird sanft, barmherzig, friedensstiftend –
    nicht aus eigener Anstrengung,
    sondern weil Gott in ihm lebt.

    So geschieht Himmel auf Erden:
    in einem freundlichen Wort,
    in einem Moment der Vergebung,
    in einem stillen Frieden,
    den niemand erklären kann.

    Darum genügt der Glaube –
    wenn er lebendig bleibt.
    Ein Glaube ohne Liebe bleibt leer,
    ein Glaube mit Liebe trägt den Himmel schon in sich.

    🌈
    Wie ein Regenbogen nach dem Regen:
    Er spannt sich über alles Vergängliche hinweg
    und lässt ahnen,
    dass Gottes Liebe das letzte Wort hat.

    Oder, wie Augustinus sagt:

    „Liebe – und tu, was du willst.“

  • Filet Wellington

    Heute – zu Allerheiligen – wurden wir von einem lieben Geschwisterpaar zum Dank für die feierliche Einsegnung ihrer Mutter eingeladen. Der Sohn hat mich als „Drei Hauben Trauerredner“ bezeichnet.

    Die rüstige Dame ist mit 97 Jahren verstorben. Zwei Jahre zuvor hatte sie mir noch persönlich erzählt, wie sie sich ihr Begräbnis wünscht – mit Weihwasser, Liedern, Bibeltexten, Fürbitten, Weihrauch und einer liebevollen Trauerrede. Dazu hat sie mir einen handgeschriebenen Lebenslauf, voll kleiner Episoden aus ihrem reichen Leben übergeben. Wir haben dann mehrere Stunden miteinander gesprochen. Es war ein großer Vergnügen, ihr zuzuhören.

    Ich habe die Einsegnung dann genau wie Sie sich das gewünscht hat in der weißen Albe des getauften Christen mit Kreuzträger, Ministranten, Weihrauch und wunderbarer Musik gestaltet. Angehörige und Gäste waren berührt, dankbar und hoffnungsfroh.

    Schon Jahre vorher – zu ihrem 90. Geburtstag – hatte sie uns ein Filet Wellington servieren lassen. Damals ahnte ich nicht, dass sie selbst die Köchin war.

    Auch heute gab es dieses besondere Gericht – diesmal als Rehfilet, meisterhaft zubereitet vom wunderbaren Peter Zinter.

    Nach dem Essen setzte sich Christian Werner, der sympathische Wirt des Stern, kurz zu uns.

    Er erzählte:

    „Ich habe 18 Jahre lang als Küchenchef dieses Haus aufgebaut. Die zwei Hauben kommen von mir. Vor zwei Jahren habe ich mir Peter als Spitzenkoch geholt – und kümmere mich seither noch intensiver um die Gäste. Dieses Jahr hat uns das die dritte Haube und die Auszeichnung als bestes Beisl von Simmering gebracht.“

    Seine Freude und Leidenschaft haben mich berührt.

    Und irgendwie hat mich dieser Tag bestärkt – auf meinem eigenen Weg als „Drei Hauben Trauerredner“.

  • Allerheiligen – Ankommen im Licht

    Am Beginn des dunklen Monats November leuchtet Allerheiligen wie ein Versprechen auf. Wir feiern alle, die vollendet sind in Gottes Licht – die bekannten Heiligen ebenso wie die unzähligen stillen Menschen, die durch Güte, Hingabe und Liebe Zeugnis ihres Glaubens gegeben haben.
    Allerheiligen erinnert uns daran, dass Heiligkeit kein exklusiver Titel ist, sondern eine Richtung: hin auf Gott. Wer liebt, heilt. Wer vergibt, heiligt. Wer in dunklen Zeiten das Gute sucht, leuchtet schon jetzt im Glanz der Ewigkeit.

    Das Hochfest Allerheiligen hat seine Wurzeln in der frühen Kirche, als man der Märtyrer gedachte. Heute gilt der Tag allen, die uns im Glauben vorangegangen sind. Ihr Leben ist nicht vergangen, sondern verwandelt – in eine Gegenwart bei Gott.

    Hilde Reiser, „Licht“, Acrylfarben auf Papier, 73 × 52 cm, 2012, Privatbesitz © Rechtenachfolge

    Die Kunst der Malerin Hilde Reiser (1929–2019) gibt diesem Geheimnis eine Form: Ihr Bild „Licht“ zeigt Menschen, die sich aus der Dunkelheit in einen leuchtenden Strudel des Lebens ziehen lassen. Der Sog der Farben erinnert daran, dass wir alle auf dieses Licht hin unterwegs sind. Allerheiligen feiert diese Bewegung – das Aufstehen, das Ankommen, das Heimkehren.

    So ist dieser Tag kein Tag der Trauer, sondern der Hoffnung. Wir sind verbunden mit denen, die das Ziel schon erreicht haben – und zugleich gerufen, in unserem Alltag Spuren dieses Lichts zu hinterlassen.

  • Süßes oder Saures? – Jedenfalls siegt die Liebe

    Wenn der Herbst sich neigt, rückt eine besondere Zeit des Jahres heran: Tage zwischen Nebel und Licht, zwischen Erinnerung und Hoffnung. Vier Feste liegen nun eng beieinander – und sie erzählen, jedes auf seine Weise, vom Leben, vom Tod und von der Liebe, die beides verbindet.

    Wien, am 31.10.2025, Harald R. Preyer

    Halloween – der Abend der offenen Grenze

    Am 31. Oktober feiern viele Menschen Halloween, den „All Hallows’ Eve“, also den Abend vor Allerheiligen. Ursprünglich war dies das keltische Samhain-Fest, das den Übergang in die dunkle Jahreszeit markierte. Man glaubte, in dieser Nacht könnten die Seelen der Verstorbenen zur Erde zurückkehren. Um ihnen wohlgesinnt zu sein, stellte man Speisen vor die Türen – Zeichen der Achtung und des Gebets.

    Später entstand in Irland und England daraus das sogenannte „Souling“: Kinder und Arme zogen von Haus zu Haus, baten um kleine Gaben und versprachen, für die Verstorbenen der Familie zu beten. Das amerikanische „Trick or Treat“ – „Süßes oder Saures“ – ist die spielerische Fortsetzung dieses alten Brauchs. Was einst ein Akt des Teilens und der Fürbitte war, wurde zum fröhlichen Ritual des Schenkens und Lachens.

    Natürlich hat der Kommerz heute vieles überdeckt. Doch man darf das auch milde sehen: Wenn Kinder mit Freude und Mut durch die Dunkelheit ziehen, tragen sie – ohne es zu wissen – ein uraltes Symbol weiter. Licht besiegt Angst. Lachen vertreibt die Finsternis.

    Allerheiligen – die große Gemeinschaft der Liebe

    Am 1. November feiert die Kirche das Hochfest Allerheiligen. Eingeführt wurde es von Papst Gregor III. (731–741), der in Rom eine Kapelle allen Heiligen weihte, „deren Namen nur Gott kennt“. Dieser Tag ehrt alle Menschen, die in Güte und Liebe gelebt haben – nicht nur die großen Gestalten, sondern auch die stillen, unscheinbaren. Heiligkeit ist keine Ausnahme, sondern Berufung.

    Allerseelen – das Gebet, das verbindet

    Am 2. November betet die Kirche für die Verstorbenen, die – so der Glaube – noch auf dem Weg zur Vollendung sind. Kerzen auf den Gräbern erinnern daran: Unsere Liebe begleitet sie. Allerseelen ist kein Tag der Traurigkeit, sondern der Verbundenheit – ein stilles Fest der Hoffnung, dass niemand verloren geht.


    Der Heilige Martin – Licht, das sich teilt

    Am 11. November schließlich ziehen Kinder mit Laternen – nicht zu Halloween, sondern zum Fest des Heiligen Martin von Tours. Der römische Soldat, der seinen Mantel mit einem Bettler teilte, ist zum Sinnbild gelebter Nächstenliebe geworden. Sein Licht entsteht, wo wir teilen.

    So gesehen gehören diese vier Feste innerlich zusammen:
    Halloween öffnet den Blick für das Geheimnis von Leben und Tod, Allerheiligen feiert die Vollendung in Gott, Allerseelen hält die Liebe lebendig, und Sankt Martin zeigt, wie diese Liebe im Alltag Gestalt gewinnt.

    Und vielleicht gilt am Ende nur dies:
    Ob Süßes oder Saures – entscheidend ist die Liebe.

  • Sorge Dich nicht – Lebe

    Ich hatte mein ganzes Leben viele Probleme und Sorgen.
    Die meisten von ihnen sind aber niemals eingetreten.

    Mark Twain (1835–1910)

    • Kenne ich das von mir? Welche Sorgen plagen mich heute?
    • Hilft mir die sanfte Erinnerung, dass ich alle diese Sorgen auf Gott werfen darf?

    „Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch.“
    (1 Petr 5, 7)

  • Macht Glaube glücklich?

    Zwei Urnenbestattungen im warmen Herbstlicht

    Heute habe ich zwei Urnen-Beisetzungen begleitet.
    Zwei Friedhöfe, zwei sehr verschiedene Familien – und doch hatten sie etwas gemeinsam:
    In beiden Feiern war Gott „verboten“.
    Nicht aus Überzeugung, sondern aus Enttäuschung, aus Schmerz – vielleicht Wut.
    Aus der Frage, die manchmal Menschen quält:
    Wie kann Gott so etwas zulassen?

    Ich habe darauf keine Antwort.
    Aber ich habe gespürt, dass Dankbarkeit hilft.
    Dankbar zu sein für das, was war – für gemeinsame Stunden, für Liebe, für das, was bleibt.

    In einer der Feiern durfte ich den Liebesbrief einer jungen Witwe lesen. So zart, so echt. Im Gesicht der Eltern sah ich für einen Moment wieder ein Leuchten.

    Vielleicht war das der Augenblick, in dem Gott doch da war – ganz leise.

    Manchmal glaube ich, unser Auftrag als Seelsorger, als Redner, als Menschen ist nicht, Antworten zu geben.
    Sondern Herzen zu berühren.
    Menschen daran zu erinnern, dass Liebe stärker ist als Tod.
    Und dass Dankbarkeit die Tür zur Hoffnung öffnet.

    Ob Glaube glücklich macht?
    Vielleicht ja – wenn wir ihn nicht verteidigen,
    sondern leben.
    Still, herzlich, menschlich.

  • Psalm 31 – In der Bedrängnis

    Wie groß ist deine Güte, Herr,
    die du bereithältst für alle, die dich fürchten und ehren;
    du erweist sie allen, die sich vor den Menschen zu dir flüchten.
    Du beschirmst sie im Schutz deines Angesichts
    vor dem Toben der Menschen.
    Wie unter einem Dach bewahrst du sie
    vor dem Gezänk der Zungen.

    Gepriesen sei der Herr, der wunderbar an mir gehandelt
    und mir seine Güte erwiesen hat zur Zeit der Bedrängnis.
    Ich aber dachte in meiner Angst:
    Ich bin aus deiner Nähe verstoßen.
    Doch du hast mein lautes Flehen gehört,
    als ich zu dir um Hilfe rief.

    Psalm 31,   Verse 20–25

    Impuls

    Wie oft glauben wir in der Not, Gott habe uns vergessen.
    Doch später – manchmal erst viel später – erkennen wir:
    Er war da, auch im Schweigen, auch in der Angst.
    Dankbarkeit wächst aus dieser Rückschau:
    „Du hast mein lautes Flehen gehört.“

  • Abba und Imma – Gott ist Vater und Mutter zugleich

    „Gott ist unser Vater; noch mehr: Er ist unsere Mutter.“

    Papst Johannes Paul I. beim Angelusgebet am 10. September 1978

    Impuls

    Jesus sprach Aramäisch. Wenn er Gott „Abba“ nannte, meinte er damit nicht den fernen, herrschenden Vater, sondern den vertrauten „Papa“ – den, dem man sich ohne Angst anvertrauen kann.
    Das aramäische Wort für „Mutter“ lautet Imma – ein ebenso zärtlicher Ausdruck, voller Nähe und Geborgenheit.

    Beides zusammen – Abba und Imma – beschreibt das Herz Gottes: stark und schützend, zärtlich und tröstend zugleich.
    Für Trauernde kann dieser Gedanke tiefen Trost schenken:
    Wir sind nicht allein. Wir dürfen uns bergen in der Liebe, die uns gezeugt und geboren hat, die uns hält und wieder heimholt.
    In ihr dürfen wir bleiben – als Kinder Gottes.

  • Alles getan

    Ihr nennet mich Licht –
    so sehet mich doch.
    Ihr nennet mich Weg –
    so folget mir doch.
    Ihr nennet mich Leben –
    so suchet mich doch.
    Ihr heißet mich schön –
    so liebet mich doch.
    Ihr heißt mich die Liebe –
    so folgt doch der Bahn,
    denn wenn ihr mich liebt,
    habt ihr alles getan.

    Als christlicher Trauerredner sage ich diese tröstende Botschaft aus dem Lübecker Dom oft auch Menschen, die längst nicht mehr zum Kreis der Messbesucher gehören. Die meisten nehmen sie gerne dankbar an.

    Der Dom zu Lübeck in der Nacht

    Im Jahre 1173 legte Heinrich der Löwe als Stifter den Grundstein des Doms als Kathedrale für das Bistum Lübeck, nachdem in den Jahren 1160–63 das Domkapitel und der Bischofssitz von Oldenburg in Holstein unter Bischof Gerold hierher verlegt worden war. Der Lübecker Dom gehört somit zu den vier sogenannten Löwendomen (Ratzeburg 1160/70, Schwerin 1171, Braunschweig 1173). Die Kirche wurde als Bischofskirche Johannes dem Täufer und als Gemeindekirche dem Heiligen Nikolaus geweiht.

    Quelle: Wikipedia abgerufen am 25.10.2025
    https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCbecker_Dom

  • Die Segel anders setzen


    „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“

    Aristoteles zugeschrieben


    Trauer ist wie ein Wind, der unser Leben plötzlich in eine andere Richtung bläst. Wir können ihn nicht aufhalten. Aber wir können lernen, die Segel neu zu setzen – mit Dankbarkeit für das, was war, und Vertrauen auf das, was kommt. Gott nimmt uns den Sturm nicht, aber er schenkt uns die Kraft, weiterzufahren.