Kategorie: Gedanken

  • Loslassen

    Loslassen: Etwas niederlegen können, ohne es als Niederlage betrachten zu müssen.

    Henriette Hanke (deutsche Schriftstellerin, 1785–1862)

    • Was kommt mir spontan in den Sinn, wenn ich diesen Satz lese?
    • Wo brauche ich in diesen Tagen Gottes Hilfe, um mich von jemandem oder etwas zu verabschieden?

    Quelle: Magnificat – das Stundenbuch, Abendgebet vom 23.10.2025

    Wikipedia: Henriette Wilhelmine Hanke, geborene Arndt (* 24. Juni 1785 in Jauer, Niederschlesien; † 15. Juli 1862 ebenda) war eine Schriftstellerin der Spätromantik. —

    Es ging ihr immer darum, nach ihrer eigenen unglücklichen Ehe als Trösterin und Beraterin für andere einsame Frauen da zu sein, ihnen durch die Lektüre ihrer Romane und Novellen die Empfindung des tröstenden Beisammenseins zu vermitteln, mit ihnen zu kommunizieren. 

  • Klosterwald – wo die Hoffnung wurzelt

    Der Klosterwald am Kahlenberg ist kein klassischer Friedhof – und gerade deshalb eine wunderbare Alternative dazu.

    Er ist kein Ort der Trauer, sondern ein Raum der Stille, der Erinnerung und der Hoffnung. Er wendet sich mehr an die Lebenden als an die Toten.

    Ein Ort, an dem der Glaube Wurzeln schlägt – mitten in der Natur.

    Ein Tag, der nachklingt

    Ich durfte am Workshop der Erzdiözese Wien im Rahmen der Masterclasses Wien teilnehmen.
    Alexander Burtscher führte uns durch den Klosterwald – bei herrlichem Wetter, leicht wolkenverhangen, im diffusen Licht, das den Wald in eine fast mystische Stimmung tauchte.

    Mein bester Freund Teddy, unser Chow Chow , war dabei – und fühlte sich sichtlich wohl. Das darf er hier auch:
    Im Klosterwald sind Tiere willkommen. Auf einem Friedhof wäre das nicht erlaubt.


    Der Wald bleibt Wald

    „Der Wald bleibt Wald“ – dieser Satz ist mehr als ein Motto, es ist ein Versprechen. Hier wird nichts inszeniert. Kein Beton, kein Marmor, kein Weihwasserkessel. Der Wald selbst ist die Kapelle – ein Ort, der vom Kreislauf des Lebens erzählt, von Wandlung, Vergänglichkeit und Gottes Liebe.

    Als christlicher Trauerredner erlebe ich viele Orte des Abschieds. Kaum einer wirkt so ehrlich, schlicht und zugleich so tröstlich wie dieser. Im Wald darf die Seele atmen.

    Liturgie im Rhythmus der Natur

    Martin Sindelar vom Pastoralamt hat uns den neuen Liturgiebehelf „Urnenbeisetzung im Wald“ vorgestellt.
    Er zeigt, wie die Kirche diese Form des Abschieds mit Offenheit und Feingefühl begleitet.
    Viele seiner Impulse werden in meine Arbeit einfließen –
    denn eine Segensfeier im Wald braucht keine Inszenierung.
    Sie lebt vom Moment, vom Atem der Schöpfung und von der Gewissheit:

    Gott ist da, wo Leben war und wo Leben bleibt.

    Ein Familienbaum als Zeichen der Verbundenheit

    Meine Kunden und meine Familie werde ich im Frühjahr einladen, den Klosterwald im Kahlenberg in einer Führung zu besuchen. Ich halte diesen Ort für eine sinnvolle Alternative zu klassischen Friedhöfen. Familienbäume erfüllen auch alle Erwartungen, die Christen an Begräbnisorte haben: dokumentiert, öffentlich, nachhaltig, einladend für Dank, Glaube, Hoffnung und Liebe.

    Hierher können auch bestehende Gräber mit wenig Aufwand übertragen werden.

    Ein Familienbaum bedeutet, dass die Urnen aller Angehörigen an einem Ort beigesetzt werden können. Das Namensschild kann individuell gestaltet werden – schlicht, liebevoll, persönlich. Ein Baum, dessen Wurzeln tief in die Erde reichen und dessen Äste in den Himmel wachsen.

    Praktische Gründe, die überzeugen

    Neben der spirituellen Tiefe spricht auch vieles ganz praktisch für den Klosterwald:

    • 🌳 Der Wald pflegt selbst das Grab.
      Keine Grabpflege, kein Aufwand – die Natur übernimmt alles.
    • 🐾 Tiere dürfen mit.
      Für mich ist das ein Zeichen echter Menschlichkeit. Teddy gehört zur Familie.
    • 💶 Die Kosten sind deutlich geringer als bei einem klassischen Grab oder Kolumbarium in der Stadt.
    • 🌲 Der Wald ist jederzeit offen.
      Keine Tore, keine Öffnungszeiten – nur Licht, Wind und Stille.

    Ein Ort des Trostes und der Freiheit

    Der Klosterwald am Kahlenberg ist vielleicht nicht der schönste Bestattungsplatz der Welt. Aber er ist einer der ehrlichsten.

    Ein Ort für Menschen, die den Glauben nicht an Mauern binden.
    Ein Ort, an dem der Abschied Raum bekommt – schlicht, würdevoll, im Einklang mit der Schöpfung.

    Ein Ort, an dem Trost, Freiheit und Glaube zu einer Sprache werden, die jeder versteht: die Sprache des Waldes.


    Fotos: Harald Preyer
    Workshop: Masterclasses Wien, Erzdiözese Wien
    Leitung: Alexander Burtscher & Martin Sindelar
    Ort: Klosterwald am Kahlenberg

    https://www.klosterwald.at/kahlenberg-stift-klosterneuburg


  • Tod – Motor des Lebens, Trauer – Tochter der Liebe

    Wenn wir vom Tod sprechen, sprechen wir immer auch vom Leben. Diese Einsicht zieht sich wie ein stiller Faden durch das Denken Viktor E. Frankls – und durch den Vortrag des Biochemikers und Logotherapeuten Edgar Falkner-Groier, den er unter dem Titel „Tod: Motor des Lebens – Trauer: Tochter der Liebe“  beim Viktor Frankl Zentrum Wien regelmäßig hält.

    Der Mensch, so Falkner-Groier, ist sich seiner eigenen Endlichkeit bewusst – und genau darin liegt seine Würde. Seit der „Vertreibung aus dem Paradies“, diesem großen biblischen Bild für die Erkenntnis von Gut und Böse, weiß der Mensch, dass sein Leben endlich ist. Doch gerade diese Erkenntnis treibt ihn dazu an, Sinn zu verwirklichen. Der Tod wird damit – paradoxerweise – zum Motor des Lebens.

    Frankl nannte die Vergangenheit den „Raum des Unvergänglichen“. Denn alles, was wir getan, geliebt, erlitten oder geschenkt haben, bleibt dort aufgehoben – „unverlierbar“, wie er sagte. Unsere Lebensgeschichte ist keine Linie, die in den Tod läuft, sondern eine Scheune voller gelebter Bedeutung. In dieser Sichtweise verliert der Tod seinen Stachel. Er zwingt uns, verantwortlich zu leben – und das Leben zu lieben, gerade weil es vergeht.

    Trauer als verwandte Form der Liebe

    Im zweiten Teil seines Vortrags spricht Falkner-Groier von der Trauer – und nennt sie „Tochter der Liebe“. Denn nur wer liebt, kann trauern. Und jede echte Trauer enthält die Möglichkeit, zur Liebe zurückzufinden.

    Frühere psychologische Ansätze verstanden Trauerarbeit als ein „Loslassen“ – als Abschluss, nach dem das „normale Leben“ weitergehen sollte. Heute wissen wir: Wer loslässt, darf zugleich halten. Der geliebte Mensch verschwindet nicht aus der Beziehung, er verändert nur die Art, in der er da ist. Frankl formulierte es so: „Bei-Sein ist nicht auf Da-Sein angewiesen.“

    Trauer wird so zur Bewegung zwischen Loslassen und Halten, zwischen Schmerz und Liebe. Mit der Zeit wandelt sich die verzweifelte Trauer zur „liebenden Trauer“ – einer neuen Form der Beziehung, die den Verstorbenen ehrt und im Herzen bewahrt.

    Und wer glaubt, darf diesen Wandel noch weiter deuten: In einem „Akt des gläubigen Urvertrauens“, sagt Falkner-Groier, können wir auch das Unbegreifliche einem größeren Sinn übergeben – einem „Über-Sinn“, wie Viktor Frankl ihn nannte. Die Liebe, die bleibt, überwindet den Tod.

    Der Liedermacher Hubert von Goisern fasst es schlicht: „Liebe kennt nicht den Tod.“

    Ein persönlicher Nachklang

    In vielen Begegnungen mit Trauernden erlebe ich genau das: Wie Liebe und Verlust keine Gegensätze sind, sondern zwei Seiten derselben Erfahrung. Wenn ein Vater seiner verstorbenen Tochter schreibt, er werde sie im Himmel wiedersehen; wenn eine Witwe beim Kerzenlicht sagt, sie spüre ihren Mann noch immer an ihrer Seite – dann geschieht das, was Falkner-Groier beschreibt: Die Trauer verwandelt sich in Liebe.

    Es ist die Liebe, die den Tod überdauert, und der Tod, der uns lehrt, zu lieben.


    Quelle:
    DI Dr. Edgar Falkner-Groier, Tod: Motor des Lebens – Trauer: Tochter der Liebe, Vortrag im Viktor Frankl Zentrum Wien, 2025.
    Verwendete Literatur: Viktor E. Frankl, Logotherapie und Existenzanalyse (Beltz, 2002); R. Kachler, Meine Trauer wird dich finden (Herder, 2017); E. Lukas, In der Trauer lebt die Liebe weiter (Butzon & Bercker, 2019).

    Autor
    Harald R. Preyer ist ehrenamtlich Lektor im Wiener Stephansdom, christlicher Begräbnisleiter und Trauerredner. Auf Basis seiner Erfahrung als systemischer Coach und geistlicher Begleiter gestaltet er Begräbnisse und Urnenfeiern als Perlen von Glaube, Hoffnung und Liebe. Seine Auftraggeber sind oft der Kirche fernstehende und ausgetretene Personen, die dennoch Gläubige sind. Persönliche Begegnungen mit Viktor Frankl ab 1983 haben sein Leben mit geprägt.

  • Du Narr!

    Aus dem hl. Evangelium nach Lukas

    In jener Zeit bat einer aus der Volksmenge Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen! Er erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler bei euch eingesetzt?
    Dann sagte er zu den Leuten: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im Überfluss seines Besitzes lebt.
    Und er erzählte ihnen folgendes Gleichnis: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er bei sich selbst: Was soll ich tun? Ich habe keinen Platz, wo ich meine Ernte unterbringen könnte. Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann werde ich zu meiner Seele sagen: Seele, nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue dich!
    Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast?
    So geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott nicht reich ist.

    Lk 12, 13–21

    Impuls zum Evangelium

    Dem Mann ist nichts vorzuwerfen. Ein gesellschaftlicher Leistungsträger, kein Hungerleider. Und er schafft Arbeitsplätze, tüchtige Tagelöhner gesucht. Es ist vernünftig, angesichts sich abzeichnender guter Erträge geräumigere Scheunen zu bauen und die zu klein gewordenen Gebäude abzureißen. Dieser Grundbesitzer, der es ja bereits zu etwas gebracht hat, handelt plan- und zweckmäßig.

    Dass Erträge gesteigert und Umsätze und Gewinnspannen vergrößert werden müssen, das sind Grundpfeiler unserer Welt. Natürlich will ich, nein, muss ich Gewinn machen! Selbstverständlich will ich mich vergrößern! Wo also ist das Problem? Genau hier ist das Problem: „Ich will mich vergrößern!“

    Das kann aber kein Mensch. Verräterisch ist, dass der Mann ein Leben, jedenfalls ein Gleichnis lang, ein Selbstgespräch führt. Sechsmal kommt in seinem einsamen und gottlosen Monolog das Wörtchen „ich“ vor, viermal „mein“. Und mit seiner Seele bzw. seinem Leben – im Griechischen steht für beides das Wort „psyché“ – rechnet er in seinem Selbstgespräch gerade so wie mit dem Ernteertrag und dem Stauraum. Aber das ist unmenschlich. Der Mann, der mit seinem Leben rechnet wie mit einem Sack Mehl, hat am Ende seine Seele verloren.

    Das berechnete Leben lebt nicht. Der Monolog wird monoton; wenn er verstummt, springt kein Du ein, wird niemand Antwort geben. Dir geht es gut? Du hast zu tun? Ich soll mich heraushalten mit meinem sentimentalen Gerede? Dir fehlt nichts und niemand? Mein Freund! „Du Narr …

    Quelle: Magnificat – das Stundenbuch vom 20.10.2025

  • Trauer als heilige Katharsis

    Zum Gedenktag des hl. Ignatius von Antiochia
    – Freitag, 17. Oktober 2025

    (Welttag gegen Armut und Ausgrenzung)

    Lesung aus dem Morgengebet: 1 Petr 1, 6–9

    Ihr seid voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müsst.
    Dadurch soll sich euer Glaube bewähren, und es wird sich zeigen, dass er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist.
    So wird eurem Glauben Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi.
    Ihn habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht;
    aber ihr glaubt an ihn und jubelt in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude,
    da ihr das Ziel des Glaubens erreichen werdet: euer Heil.


    Das Feuer, das reinigt

    Manchmal führt das Leben uns durch ein Feuer.
    Wir verlieren Menschen, Sicherheiten, Träume. Und mitten in der Trauer fragen wir: Warum muss das so weh tun?

    Die alten Griechen nannten dieses Durchgehen durch Schmerz Katharsis – Reinigung, Läuterung. In ihren Dramen war das Erleben von Leid kein Selbstzweck, sondern der Weg zu neuer Klarheit, zu Menschlichkeit. Erst wer Tränen zulässt, kann sich verwandeln.

    Auch die Bibel spricht in diesem Sinn:
    Der Glaube ist wie Gold, das im Feuer geprüft wird. Nicht das Feuer zerstört ihn, sondern es bringt seine Reinheit zum Vorschein.

    Ignatius – der Gottesträger

    Am heutigen Tag erinnert uns die Kirche an Ignatius von Antiochia, einen der ersten Zeugen des Glaubens. Auf seiner schweren Reise in die Gefangenschaft schrieb er Briefe voller Zuversicht. Er nannte sich selbst Theophoros, den „Gottesträger“.
    Er wusste: Gott verlässt uns nicht im Leid – er trägt uns hindurch.

    Trost, der verwandelt

    Trauer kann zu einer heiligen Katharsis werden.
    Nicht, weil der Schmerz an sich gut wäre, sondern weil er das Herz öffnet.
    Er macht uns empfänglich für das, was bleibt: Liebe, Mitgefühl, Dankbarkeit, Tiefe.

    Wenn wir den Mut haben, durch die Trauer zu gehen, anstatt sie zu umgehen, dann geschieht etwas leise Wunderbares:
    Aus Tränen wächst Frieden. Aus Verlust wächst Liebe.
    Und aus der Dunkelheit wächst neues Leben.

    Trost heißt nicht, den Schmerz zu leugnen – sondern in ihm Gott zu begegnen. Denn Gott ist Liebe. Und Liebe siegt immer.

  • Wie Liebe Trauer verwandelt

    Gedanken von Harald R. Preyer nach der Generalaudienz von Papst Leo XIV., 15. Oktober 2025

    Papst Leo XIV. hat in seiner heutigen Katechese etwas ausgesprochen, das mich tief berührt:

    Der Auferstandene ist die Quelle, die niemals versiegt.

    Er sagt nicht: Wir sollen an die Auferstehung glauben – er sagt: Sie geschieht mitten unter uns. Christus ist nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart. Er ist das lebendige Wasser, das unseren Durst stillt, wenn das Leben uns austrocknet.

    Als ich diese Worte heute Mittag im Auto hörte, musste ich an die vielen Hinterbliebenen denken, die ich in den letzten Monaten besucht habe.

    Einige von ihnen freuen sich schon jetzt auf das Wiedersehen mit ihren vorausgegangenen Familienmitgliedern – an einem Ort, den keiner kennt und den noch nie ein Mensch gesehen hat.
    In solchen Gesprächen wandelt sich Trauer oft überraschend schnell in Dankbarkeit – und manchmal sogar in leise Freude.

    Andere hingegen tun sich schwer, auf meine Frage eine tröstende Antwort zu finden: „Was glauben Sie – wo ist der liebe Verstorbene jetzt?“

    Oft höre ich dann: „Er lebt in unseren Herzen weiter.“

    Das ist ehrlich, und es ist menschlich. Aber ich denke mir oft: Das wäre mir zu wenig. Denn wenn der letzte Mensch gestorben ist, der sich erinnert – ist der Verstorbene dann wirklich für immer verschwunden? „Mausetot“, wie es der Herzogenburger Probst Petrus Stockinger heuer im Frühjahr gesagt hat.

    In meinen Trauerreden bemühe ich mich deshalb, jene Hoffnung zu vermitteln, die uns Christen der Glaube an den auferstandenen Christus schenkt. Sie verwandelt die bloße Erinnerung unserer Herzen in die Vorfreude auf das Wiedersehen. Natürlich ändert das nichts am Schmerz, den Trauernde im Moment erleben. Aber diese Hoffnung ist ein Licht am Ende des Tunnels – ein Ziel, auf das wir zugehen können.

    Denn durch Christus dürfen wir glauben: Das Leben endet nicht im Vergessen, sondern wird vollendet in der Liebe Gottes – dort, wo keine Trennung mehr ist.

    Wo Liebe spürbar wird

    Erstaunlich ist für mich immer wieder, dass gerade Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, diese Botschaft mit großem Wohlwollen annehmen.

    Vielleicht, weil sie in dieser Form schon lange nicht mehr – oder vielleicht noch nie – über die Liebe nachgedacht haben.
    Und doch ist Gott genau das: die Liebe selbst.

    Mir erzählen Menschen immer wieder, warum sie aus der Kirche ausgetreten sind und einige Gründe kann ich nachvollziehen und verstehen. Ich habe aber noch nie einen (trauernden) Menschen erlebt, der sich gegen die Liebe ausgesprochen hat.

    Viele Angehörige nehmen gerne meine Einladung zu einer kleinen Führung „Der Stephansdom – eine Liebesgeschichte“ an. Ich bin kein Domführer – ich bin Lektor, Ministrant, und vor allem ein gläubiger Mensch, der diesen Ort liebt. Ich zeige ihnen Plätze, an denen ich selbst immer wieder die Gegenwart Gottes spüre – die stille, tröstende, zärtliche und manchmal überwältigende Liebe des Auferstandenen.

    Und die Trauernden sind mir danach dankbar.
    Nicht, weil sie eine kunsthistorische Führung erlebt hätten,
    sondern weil sie – mitten in der Stille, im Gebet, in einem Lichtstrahl, in einem Augenblick des Friedens – die Nähe des lieben Verstorbenen gespürt haben.

    Nicht im Kopf, sondern im Herzen.
    Nicht in Worten, sondern in der Liebe.

    Vielleicht ist genau das Auferstehung:
    Dass wir – mitten im Leben, mitten in der Trauer – wieder lernen zu spüren, wie Liebe das Letzte ist, was bleibt.
    Und das Erste, das neu beginnt.


    Harald R. Preyer ist systemischer Coach, geistlicher Begleiter und christlicher Trauerredner in Wien.

  • Was ist Erfolg?

    Erfolg beginnt für mich mit Freude –
    der Freude darüber, dass ich leben darf und dass mir Zeit und Menschen geschenkt sind.

    Aus Freude wächst Dankbarkeit,
    Dankbarkeit für alles, was gelingt, und für das, was mich lehrt.

    Wo Dankbarkeit ist, entsteht Vertrauen –
    in mich selbst, in andere und vor allem in Gott.

    Und aus der Fülle dieses Vertrauens wächst Liebe –
    Liebe, die nicht besitzen will, sondern freigibt.
    Die segnet, statt zu bewerten.
    Die Frieden sucht, nicht Sieg.

    Lieben zu können aus der Fülle des Vertrauens in Gott – das ist Erfolg.

    Nicht Erfolg, den man sich erarbeitet,
    sondern Erfolg aus Gnade.

    „Bleibt in meiner Liebe – dann bringt ihr reiche Frucht.“ (Joh 15,9–11)

  • Seligpreisungen

    Die acht Seligpreisungen stammen aus der Bergpredigt Jesu (Matthäusevangelium 5, 3–10).


    1. Selig, die arm sind vor Gott;
      denn ihnen gehört das Himmelreich.
    2. Selig, die Trauernden;
      denn sie werden getröstet werden.
    3. Selig, die Sanftmütigen;
      denn sie werden das Land erben.
    4. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit;
      denn sie werden satt werden.
    5. Selig, die Barmherzigen;
      denn sie werden Erbarmen finden.
    6. Selig, die rein sind im Herzen;
      denn sie werden Gott schauen.
    7. Selig, die Frieden stiften;
      denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.
    8. Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden;
      denn ihnen gehört das Himmelreich.

    Diese acht Seligpreisungen werden häufig mit den acht Spitzen des Malteserkreuzes in Verbindung gebracht – jede Spitze steht symbolisch für eine dieser Tugenden.

  • Stille des Herbstes

    Es gibt eine Stille des Herbstes bis in die Farben hinein.
    — Hugo von Hofmannsthal (österreichischer Schriftsteller, 1874–1929)

    Der Herbst hat eine besondere Art, still zu werden.
    Nicht abrupt – sondern sanft, fast zärtlich.
    Die Geräusche werden leiser, die Farben gedämpfter, das Licht milder.

    Und manchmal spüren wir, dass diese Stille nicht leer ist,
    sondern erfüllt – von Erinnerungen, von Dankbarkeit,
    von dem Wissen, dass alles seine Zeit hat.

    • Habe ich heute oder in den letzten Tagen diese Stille des Herbstes gespürt?
    • Wie wirkt dieses Bild auf mich – beruhigend, beängstigend, traurig?

    Vielleicht ist es gerade diese Stille,
    in der wir Gott am nächsten sind.

  • Vom Glas zur Klarheit

    Warum ich seit 2022 keinen Alkohol mehr trinke
    Eine ehrliche späte Entschuldigung an Menschen, die ich liebe
    von Harald R. Preyer – ehemaliger Alkoholiker

    1) Selbstkundgabe

    Ich kann mich nicht erinnern, seit meinem 16. Lebensjahr eine Woche ohne Alkohol gelebt zu haben. Ich habe selten selbst gedacht, dass ich betrunken bin. Die Polizei, meine Familie und wirklich gute Freunde waren anderer Meinung. Mehr als 40 Jahre habe ich meiner Familie, meinen Kollegen im eigenen Unternehmen und mir selbst eine schlechte Kopie meiner Persönlichkeit zugemutet.

    Eine Notoperation (überraschender Darmkrebs, dessen Anzeichen ich ignoriert habe) in Kiew am 8. Dezember 2019 hat noch immer nicht gereicht, endlich aufzuhören. Erst ein epileptischer Anfall im Sommer 2022 und in Folge ein einwöchiger Krankenhausaufenthalt haben mich bereit für die Botschaft gemacht, die mir gute Freunde seit Jahren gesendet haben:
    „Hör’ auf, Harald! Es ist schade um Dich!“

    Mein langjähriger Freund, der Neurologe Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek, sagte zu mir:
    „Harald! Du saufst Dir noch Dein Hirn weg!“

    Und meine geliebte Ehefrau Yuliya meinte:
    „Harald, als ich Dich da auf der Bahre der Rettung liegen gesehen habe, wurde mir klar: Ich als zierliche Frau kann Dir mit Deinen über 100 Kilo nicht mehr helfen, wenn so etwas noch einmal passiert. Ich liebe Dich – und ich bin ratlos. Bitte hilf Dir und mir!“

    Seit 17. Oktober 2022 trinke ich keinen Alkohol mehr.
    Es ist kein Kreuz, sondern Befreiung.

    Die Gesellschaft, meine Familie und vor allem Yuliya haben mir viel geschenkt – Geschenke, die ich erst seit drei Jahren wirklich als solche erkenne. Ich habe viel wieder gut zu machen.
    Heute bin ich dankbar für mein Leben, lebe bescheiden, froh, glücklich und frei von jedem Druck.

    Es ist eine weit verbreitete und falsche Behauptung, dass ein Alkoholiker immer ein Alkoholiker bleiben wird. Richtig ist aber, dass ich sofort wieder zum Alkoholiker werden würde, wenn ich ein Glas Alkohol trinken würde.

    Wenn Du diesen Weg auch gehen willst, ruf mich an.
    Ich kann Dir vielleicht helfen, endlich wirklich aufzuhören.
    Jedenfalls werde ich es versuchen – so gut ich kann.
    Nicht für Geld, sondern als Dank für das Geschenk der völligen Alkohol-Abstinenz, das ich selbst seit drei Jahren jeden Tag erlebe.


    2) Was die Forschung heute sagt

    Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat 2024 ihre Empfehlung grundlegend geändert:
    Es gibt keine risikofreie Menge Alkohol. Schon ein einziges Glas erhöht das Risiko für Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Leberschäden. Frühere Studien, die kleinen Mengen Wein oder Bier einen gesundheitlichen Nutzen zugeschrieben haben, gelten heute als wissenschaftlich widerlegt.

    Das Robert Koch-Institut (RKI) hat in einer großen Befragung gezeigt:
    Fast ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland trinkt Alkohol in gesundheitlich riskanten Mengen. Männer sind deutlich stärker betroffen als Frauen. Auffällig ist auch, dass gerade höher gebildete Menschen häufiger trinken – oft, weil Alkohol dort als Teil des „guten Lebens“ gilt.

    Die Einteilung in Stufen verdeutlicht:

    • Kein Risiko: nur Abstinenz
    • Geringes Risiko: bis 2 Standardgetränke pro Woche
    • Moderates Risiko: 3–6 Standardgetränke pro Woche
    • Hohes Risiko: mehr als 6

    Ein Standardgetränk entspricht 330 ml Bier, 125 ml Wein oder 40 ml Schnaps. Entscheidend ist: Das Risiko steigt mit jedem weiteren Drink.


    3) Kritik und Konsequenzen

    Suchtforscher warnen davor, dass die Stufen Sicherheit vortäuschen. Manche Menschen bleiben auf einer Stufe stehen und fühlen sich „im grünen Bereich“, obwohl jede Menge Alkohol Schaden anrichten kann. Darum betonen Fachleute:
    Wirklich sicher ist nur Verzicht.

    Auch politisch ist das Thema brisant. Alkohol ist in Österreich und Deutschland leicht und billig verfügbar. Ein Nachtverkaufsverbot in Baden-Württemberg führte nachweislich zu weniger Gewalttaten und Krankenhausfällen – wurde aber wieder abgeschafft. Experten fordern strengere Regeln und höhere Steuern, ähnlich wie bei Tabak.


    4) Mein Weg in die Freiheit

    Für mich war das Aufhören kein einmaliger Akt, sondern ein Prozess. Ich habe im Abstand von 12 Jahren dreimal versucht, mich vom Alkohol zu verabschieden. In den Jahren 2013 und 2021, weil ich meinen Lieben damit eine Freude machen wollte. Den Abend meines 50. Geburtstags am 3. Mai 2013 habe ich im Anton Proksch Institut im Hof mit einer Zigarette, einer heißen Schokolade aus dem Automaten und mir selbst gefeiert. Zurecht verlassen von meiner damaligen Ehefrau und bemitleidet von meinen drei Kindern. Ich habe damals bereits am ersten Wochenende noch während der Therapie wieder lächelnd ein Glas Weißwein getrunken und bin dann nüchtern wieder am Sonntag Abend im Institut erschienen. Das hat fünf Wochen ganz gut funktioniert und ich habe mir eingeredet, dass ich alles im Griff habe.

    Erst im Oktober 2022 war es dann erstmals mein eigener Wunsch wirklich mit Alkohol aufzuhören. Ich habe den Schalter im Kopf umgelegt und gebetet:

    Vater! Jetzt will und muss ich wirklich mit diesem Unsinn aufhören. Verzeih mir, dass ich meinen Körper – Deinen Tempel – so lange beleidigt habe. Bitte vergib mir und hilf mir, dass ich es auch für den Rest meines Lebens schaffe, trocken zu bleiben.

    Diese vier Schritte haben mir wirklich gut getan:

    Wahrheit zulassen. Nicht mehr beschönigen, nicht mehr verdrängen.

    Vertraute Menschen einbeziehen. Zwei, drei Freunde, die offen sagen dürfen: „Pass auf dich auf.“

    Rituale verändern. Statt den Gläsern Wein am Abend: aufgeschnittene frische Äpfel, Wasser, Tee, Spaziergang, Gebet, Liebe.

    Spiritualität stärken. Die Texte der Bibel wirklich bewusst lesen und darüber nachdenken, was sie für mich heute bedeuten.

    In den Texten des Magnificat (ein monatlich erscheinendes Stundenbuch für Laien, das ich seit 30 Jahren abonniert habe), im stillen Gebet, in der Eucharistie habe ich eine neue Nüchternheit entdeckt, die Freude schenkt.

    Die Bibel drückt es klar aus:
    „Alles ist erlaubt, aber nicht alles nützt“ (1 Kor 6,12).
    „Berauscht euch nicht mit Wein; das macht zügellos, sondern lasst euch vom Geist erfüllen“ (Eph 5,18).
    Und Jesus sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10).

    Für mich heißt das: Nüchternheit ist nicht Mangel, sondern Freiheit zur Liebe.


    5) Einladung

    Vielleicht erkennst du dich wieder in meinen Zeilen. Vielleicht spürst du, dass Alkohol dir mehr nimmt als er gibt. Wenn das so ist, dann ruf mich an. Ich urteile nicht, ich rechne nicht ab. Ich höre zu, begleite und teile, was mir selbst geholfen hat.

    Nicht als Geschäft, sondern als Dank.
    Denn seit drei Jahren darf ich jeden Tag die Erfahrung machen:
    Die Abstinenz ist kein Verlust, sondern ein Geschenk.


    6) Nachklang

    Ich hatte mir den 17. Oktober 2025 als Tag markiert, um diesen Artikel zu schreiben.

    Ein berührendes Begräbnis, das ich heute gemeinsam mit meinem Freund P. Johannes Paul Abrahamowicz, Priester und Mönch im Stift Göttweig, am Wiener Zentralfriedhof gestalten durfte, hat dazu geführt, dass ich diesen Text schon heute veröffentliche.

    P. Johannes Paul hat mir im Auto am Parkplatz vor dem Zentralfriedhof seine neueste Komposition vorgespielt. Ein Lied, das er selbst mit erkälteter Stimme gestern aufgenommen hat:

    „Ist mein Leben vorherbestimmt? “ (op. 253)

    Als ich diesen Artikel fast fertig geschrieben hatte, kam der wöchentliche Newsletter der ZEIT. Und dort habe ich einen wirklich gut recherchierte Bericht in ZEIT Online vom 30. September 2025 gefunden.

    Ich habe mit Hilfe von KI die rund 400 Kommentare der ZEIT-Leserinnen und -Leser analysiert und betroffen festgestellt:
    Je höher die Bildung, umso höher der Alkoholkonsum.
    Und: Rund ein Drittel aller Alkoholiker leugnet ihre Sucht, ein Drittel redet sie schön – und ein Drittel gibt sie zu und will aufhören, Alkohol zu trinken.

    Ich selbst habe 40 Jahre lang meine Sucht geleugnet und erst im Anton Proksch Institut in Kalksburg erkannt, wer ein Alkoholiker ist:

    „Jemand, der Alkohol wegen seiner Wirkung trinkt – und nicht, weil er gut schmeckt.“

    Heute weiß ich: Wahrheit befreit. Und Klarheit heilt. Beides ist Gnade.


    Den aktuellen Artikel in der Zeit inklusive einer einfachen Selbsteinschätzung und überzeugender Grafiken habe ich hier mit einem Geschenk-Link geteilt. Es kann sein, dass Du Dich kostenlos einmal anmelden musst, wenn Du ihn lesen willst. Der Verlag wird dann vermutlich versuchen, Dich als Abonnent zu gewinnen. Das habe ich auch bei anderen Produkten aus dem ZEIT Verlag erlebt. Es wird aber sofort respektiert, wenn Du einmal auf „Abmelden“ klickst.

    https://www.zeit.de/gesundheit/2025-09/alkoholkonsum-rechner-vergleich-gesundheitsrisiko-studie?freebie=f8523b16