Ich möchte gar nicht möglichst lange leben. Ich will mein Leben auskosten und genießen – bis die Zeit reif ist, weiterzugehen.
Und ich glaube: Dieses Weitergehen ist kein Ende. Es ist ein Heimkommen.
Ich bin gewiss, dass ich dort meine Lieben wiedersehen werde – in einer Wirklichkeit, die Liebe heißt.
Vielleicht ist das auch die leise Botschaft meiner Trauerfeiern: Der Schmerz bleibt, ja. Aber er wird leichter, wenn wir spüren, dass Liebe stärker ist als der Tod. Sie trägt. Sie verbindet. Sie siegt.
„Du bleibst in unseren Herzen“ – das ist gut gemeint. Aber ich glaube: Du lebst weiter – in Gott, in uns, in der Liebe.
„Ich gehe mit meiner Laterne …“ Seit Kindheitstagen begleitet mich der Hl. Martin. Erst in den letzten Jahren habe ich begonnen, am selben Tag auch Abt Menas zu feiern – den Freund Christi.
Christus und Abbas Menas (Ikone, Louvre, vermutlich 6.–8. Jh., Bawit, Ägypten)
Beide stehen für dieselbe Haltung: Martin teilt seinen Mantel mit dem Armen. Menas empfängt die Hand Christi auf seiner Schulter.
Teilen – Freundschaft – Liebe. Das sind nicht drei Tugenden, sondern eine einzige Bewegung des Herzens. Sie verbindet Himmel und Erde.
Auch Trauernde teilen Freunschaft – mit dem lieben verstorbenen Menschen im Blick auf die Liebe Gottes.
Bildbeschreibung
Die Ikone zeigt Christus und den Abt Menas, eine der ältesten koptischen Darstellungen aus dem Kloster Bawit in Ägypten (6.–8. Jh., heute im Musée du Louvre, Inv. E 11565). Christus legt seine rechte Hand auf die Schulter des Abtes – eine Geste der Freundschaft und des Segens. In seiner linken Hand hält er das Evangelienbuch, Menas trägt eine Schriftrolle, wohl die Regel seines Klosters.
Die Inschriften nennen die beiden: Rechts neben Christus steht ΨΩΤΗΡ (Soter) – der Erretter, der Heiland. Links neben Menas liest man ΑΠΑ ΜΗΝΑ ΠΡΟΕΙCΤΟC – Vater Menas, der Vorsteher.
Die Ikone zeigt in schlichter Zärtlichkeit, was Freundschaft im Glauben bedeutet: Christus segnet, begleitet, teilt sein Leben mit dem Menschen.
Quelle: Musée du Louvre Paris (E 11565); Wikipedia Artikel Christus und Abbas Menas, Martin von Tours, Menas von Ägypten.
»Der besondere Wert von Gesundheit wird uns meist erst dann schmerzlich bewusst, wenn sie fehlt.«
— Barbara Schmitz
Impuls Gesundheit ist nicht einfach das Fehlen von Krankheit, sondern ein empfindliches Gleichgewicht, das erst im Bruch seine Tiefe offenbart. Barbara Schmitz erinnert uns daran, dass Krankheit nicht nur Verlust, sondern auch Erkenntnisquelle sein kann – ein Riss, durch den neues Licht ins Leben fällt.
Vielleicht gilt das Gleiche auch für den Tod: Er zwingt die Lebenden, neu zu beginnen, die Grenzen des Selbst zu überschreiten und Freiheit zu finden inmitten des Endlichen. So wird aus der Verwundung ein Zugang zur Wahrheit des Menschseins – verletzlich, aber wach.
Barbara Schmitz (*1968) ist eine deutsche Philosophin. Sie lehrt und forscht an der Universität Basel, wo sie sich mit Fragen des guten und lebenswerten Lebens, mit Gerechtigkeit, Behinderung und den ethischen Dimensionen menschlicher Existenz auseinandersetzt. In ihrer Arbeit verbindet sie theoretische Schärfe mit einer lebensnahen Perspektive, die Philosophie als praktische Orientierung im Alltag begreift.
Schwestern und Brüder! Wir, die vielen, sind ein Leib in Christus, als Einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören. Wir haben unterschiedliche Gaben, je nach der uns verliehenen Gnade. Hat einer die Gabe prophetischer Rede, dann rede er in Übereinstimmung mit dem Glauben; hat einer die Gabe des Dienens, dann diene er. Wer zum Lehren berufen ist, der lehre; wer zum Trösten und Ermahnen berufen ist, der tröste und ermahne. Wer gibt, gebe ohne Hintergedanken; wer Vorsteher ist, setze sich eifrig ein; wer Barmherzigkeit übt, der tue es freudig.
Die Liebe sei ohne Heuchelei. Verabscheut das Böse, haltet fest am Guten! Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan, übertrefft euch in gegenseitiger Achtung! Lasst nicht nach in eurem Eifer, lasst euch vom Geist entflammen und dient dem Herrn!
Freut euch in der Hoffnung, seid geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet! Nehmt Anteil an den Nöten der Heiligen; gewährt jederzeit Gastfreundschaft! Segnet eure Verfolger; segnet sie, verflucht sie nicht!
Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden! Seid untereinander eines Sinnes; strebt nicht hoch hinaus, sondern bleibt demütig!
Röm 12, 5–16a
Vor allem der letzte Absatz dieser Schriftstelle erklärt ganz gut, was mit „kondolieren“ gemeint sein könnte: mitleiden, „mitschmerzen“, mitfreuen.
Eine Frau liegt im Sterben. Ein Mann will sie retten. Ein Apotheker verlangt den Preis des Lebens. Und die Moral? Sie steht ratlos daneben. Und wenn es im Heinz-Dilemma gar nicht um Ethik ginge?
Der Psychologe Lawrence Kohlberg entwarf in den fünfziger Jahren eine Versuchsanordnung, die bis heute in Ethikseminaren zitiert wird: das Heinz-Dilemma. Eine Frau leidet an einer tödlichen Krankheit. Es gibt ein Medikament, das helfen könnte, doch der Apotheker verlangt das Zehnfache seiner Kosten. Der Ehemann Heinz bittet, verhandelt, fleht – vergeblich. Schließlich überlegt er, ob er einbrechen und das Mittel stehlen soll.
Soll er?
Kohlberg wollte mit dieser Frage nicht Moral lehren, sondern Moral messen. Entscheidend war nicht, was jemand antwortet, sondern warum. Wer sagt: „Er darf nicht stehlen, sonst kommt er ins Gefängnis“, denkt anders als jemand, der meint: „Ein Menschenleben zählt mehr als Eigentum.“ Moral, so Kohlberg, entwickelt sich in Stufen – von der Furcht vor Strafe bis zur Einsicht in universelle Werte.
Wenn das Medikament nicht heilt
Doch in dieser berühmten Versuchsanordnung fehlt eine entscheidende Unbekannte: Was, wenn das Medikament gar nicht hilft? Wenn es nur das Leiden verlängert – oder das Sterben?
Dann verschiebt sich der moralische Brennpunkt. Dann geht es nicht mehr darum, ob Heinz das Richtige tut, sondern was „richtig“ überhaupt heißt.
Ist Leben immer der höchste Wert? Oder wird es erst durch Sinn und Liebe heilig?
In solchen Momenten reicht die Vernunft nicht mehr. Sie macht Platz für das Ringen des Herzens, das nicht loslassen kann – selbst wenn Loslassen der letzte Liebesdienst wäre.
Zwischen Gesetz und Gnade
Vielleicht liegt Heinz’ wahres Dilemma gar nicht im Gesetz, sondern im Glauben. Nicht, ob er einbrechen darf, sondern ob er glaubt, das Leben seiner Frau liege in seinen Händen. Und vielleicht liegt das Unrecht nicht beim Apotheker, sondern in der Logik, mit der wir Leben bemessen – als wäre es handelbar, verlängerbar, verfügbar.
Was ist der Wert eines Menschenlebens, wenn es zugleich unbezahlbar und unhaltbar ist?
In Gottes Zeit
Am Ende werden wir alle vorausgehen. Für manche von uns leben unsere Seelen weiter. Und wir werden uns wieder umarmen – in Gottes Zeit.
Dieses Vertrauen ist Gnade und verwandelt das Dilemma. Nicht zu einer Lösung, sondern zu einem Trost. Denn wenn Heilung nicht mehr im Diesseits liegt, wird das Stehlen sinnlos – und die Liebe heilig.
Heinz bleibt Mensch – zwischen Hoffnung und Hingabe. Und Gott bleibt Gott – jenseits aller Rechnungen.
Über den Autor: Harald R. Preyer ist Coach, geistlicher Begleiter und Trauerredner in Wien. Er begleitet Menschen an Lebenswenden .
Impuls von P. Johannes Paul Abrahamowicz, OSB bei den 2. Wiener Ganserlessen-Dialoge am 6. November 2024.
Wir sind alle berufen – zur Liebe, zum Fest des Lebens
Das Thema vom letzten Mal war – und es ist gut angekommen – Himmel, Fegefeuer, Hölle. Fast hätten wir es heute wieder nehmen können, weil so viele andere da sind. Heute aber geht es um die Frage: Wie ist das überhaupt mit dem Schicksal, mit der Vorherbestimmung? Gibt es so etwas?
Damit ist nicht gemeint, dass eine schwarze Katze von rechts oder Scherben Glück bringen. Nein – gemeint ist der große Lebensweg. Und da taucht immer wieder die Frage auf: Gibt es eine Vorherbestimmung oder nicht? Ich möchte ganz klar sagen: Ja, es gibt sie. Und zwar eine sehr positive.
Jesus erzählt ein wunderbares Gleichnis – das Gleichnis vom Hochzeitsmahl. Ein Mann lädt zur Hochzeit ein, lässt alles vorbereiten und schickt dann seine Diener zu den Eingeladenen: „Kommt, es ist alles bereit!“ Aber sie kommen nicht. Manche behandeln die Boten sogar schlecht. Da lässt der Hausherr schließlich alle einladen, die er irgendwo findet – auf den Straßenecken, einfach alle. Und der Hochzeitssaal füllt sich – von Guten und Bösen, Reichen und Armen.
Dann kommt der Hausherr herein, schaut sich alle Gäste an – und plötzlich sieht er einen, der kein Hochzeitsgewand trägt. Er fragt ihn: „Freund, wie konntest du so erscheinen?“ Der Mann ist sprachlos – und wird hinausgeworfen in die äußerste Finsternis. Dann sagt Jesus den bekannten Satz:
„Viele sind berufen, aber nur wenige sind auserwählt.“
Ich habe diesen Satz lange nicht verstanden. Warum wird der arme Kerl hinausgeworfen? Vielleicht war er ja wirklich arm und hatte kein Gewand? Erst viel später habe ich die Erklärung gefunden – auch dank der Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturen. Denn in arabischen und orientalischen Ländern ist es bis heute üblich, dass man mit der Einladung zur Hochzeit auch das Hochzeitsgewand bekommt – entweder bezahlt oder symbolisch zur Verfügung gestellt.
Wenn also jemand ohne dieses Gewand erscheint, heißt das: Er hat die Einladung nicht wirklich angenommen. Er wollte das Fest – aber nicht die Beziehung.
Und das ist der Kern des Gleichnisses. Alle sind eingeladen. Alle sind vorherbestimmt – zu einem glücklichen, festlichen Mahl. Aber ob wir die Einladung annehmen, liegt an uns.
Unsere große Vorherbestimmung ist das ewige Glück, das Fest der Liebe, das Reich Gottes. Nicht das kleine Aberglauben-Schicksal – Spinnen, Scherben, Glücksbringer – sondern das große Ziel: die Liebe.
Das Hochzeitsgewand steht für die Bereitschaft, Liebe zu empfangen. Und wer glaubt denn nicht an die Liebe – als höchste Instanz im Leben? In dieser Liebe, die keine Bedingungen stellt, sind wir alle berufen. Das ist unsere Vorherbestimmung.
Ich bin fest davon überzeugt: Wir alle sind bestimmt zum Glück, zum Leben in der Liebe Gottes – und das dürfen wir schon jetzt, in jeder Eucharistiefeier, vorauskosten.
Und solange sich das Ganserl heute seinem Schicksal hingibt, dürfen wir dankbar sein, dass unser Schicksal ein anderes ist – ein gutes, liebevolles Schicksal.
Guten Appetit – und später bei der Nachspeise können wir gern noch Fragen stellen.
Kurz-Summary
P. Johannes Paul Abrahamowicz OSB deutet das Gleichnis vom Hochzeitsmahl als Bild unserer positiven Vorherbestimmung: Jeder Mensch ist eingeladen zum Fest der Liebe Gottes. Das „Hochzeitsgewand“ steht für die innere Bereitschaft, diese Liebe anzunehmen. Nicht Zufall oder Aberglaube bestimmen unser Leben, sondern Gottes Einladung zum Glück – die wir nur annehmen müssen.
„Wir wissen, dass die Seele etwas Feinstoffliches, Besonderes, Transzendentes ist und sich nicht mit den Gesetzen der Physik erfassen lässt.“
(Aus: 365 Tao – Meditationen für jeden Tag des Jahres, Tag 308)
Für mich ist die Seele eines Menschen das, was ihn oder sie einzigartig macht. Sie ist die leise Kraft, die uns berührt, wenn Worte fehlen. Sie lebt weiter, wenn ein geliebter Mensch stirbt – in unseren Herzen. Und sie wird wieder „Körper“ – in Gottes Zeit.
Mein Freund P. Johannes Paul Abrahamowicz OSB, Priester-Mönch im Stift Göttweig, hat vor einigen Jahren eine kleine WhatsApp-Gruppe gegründet. Sie heißt Vox Populi.
Dort können wir Laien Fragen zum Evangelium des kommenden Sonntags stellen. Johannes Paul antwortet entweder direkt in der Gruppe – oder greift unsere Fragen in seiner Predigt auf. Manchmal sind es auch einfach Fragen, die gar keine Antwort brauchen Am jeweiligen Sonntag schickt er dann seine Predigt als Audio-Datei in den Chat.
Für mich ist das zu einem liebgewordenen Ritual geworden: Am Sonntagnachmittag höre ich diese Predigt, oft mehrmals. Manchmal schreibe ich sie ab und veröffentliche sie auf meiner Seite, um sie mit anderen zu teilen, die nach dem Evangelium des Lebens fragen.
Der Gedanke des „heiligsten Adventkalenders“
Am Allerheiligentag 2025 sprach Johannes Paul in seiner Predigt vom „heiligsten Adventkalender“. Dieser Ausdruck blieb in mir – einfach, leuchtend, klar.
Ich schickte ihm den Link zur Transkription seiner Predigt. Er antwortete mit einer kurzen Nachricht, ohne Kommentar oder Zusatz – nur mit einem Text, der alles enthielt. So entstand der Adventkalender, den ich heuer leben möchte.
Der Originaltext von Johannes Paul
1. 4. / 7. / 10. / 13. / 16. / 19. / 22. Dezember
Mt 5,5
Μακάριοι οἱ πραεῖς.
Makárioi hoi pra e is.
Glückselig, die mild handeln.
Falls du heute mild denkst, schaust, sprichst oder handelst, dann wird dich heute Jesus für diesen Augenblick heilig sprechen.
2. 5. / 8. / 11. / 14. / 17. / 20. / 23. Dezember
Mt 5,7
Μακάριοι οἱ ἐλεήμονες.
Makárioi hoi ele emones.
Glückselig, die barmherzig handeln.
Falls du heute mit jemandem im Herzen Erbarmen hast und ihm hilfst, jemandem ein Vergehen verzeihst, jemandem Barmherzigkeit erweist, dann wird dich heute Jesus für diesen Augenblick heilig sprechen.
3. 6. / 9. / 12. / 15. / 18. / 21. / 24. Dezember
Mt 5,9
Μακάριοι οἱ εἰρηνοποιοί.
Makárioi hoi eirenopoioi.
Glückselig, die Frieden stiften.
Falls du heute trotz einer brenzligen Situation Frieden im Herzen hast und bewahrst, friedlich reagierst, Frieden stiftest und dein Herzensfrieden durch Taten sichtbar wird, dann wird dich heute Jesus für diesen Augenblick heilig sprechen.
Warum ich diese Form der Advent-Vorbereitung gewählt habe
Ich wollte heuer keinen Advent voller Aufgaben, sondern einen, der mich stiller macht. Ich habe für mich beschlossen, diesen Text in den Rhythmus des Angelusläutens einzubetten.
Die Kirche gegenüber – St. Benedikt am Leberberg – läutet um 6:00, 12:00 und 18:00 Uhr. Zu diesen Stunden will ich mich erinnern lassen:
Morgens – Milde: Heute darf ich sanft sein – mit mir selbst und mit anderen.
Mittags – Barmherzigkeit: Heute will ich verzeihen und helfen, wo mein Herz gerührt ist.
Abends – Frieden: Heute darf ich den Tag in Frieden loslassen.
Dreimal am Tag ein kurzer Moment, eine bewusste Pause – und jedes Mal dieselbe Zusage:
„Dann wird dich heute Jesus für diesen Augenblick heilig sprechen.“
Wie man diesen Adventkalender leben kann
Dieser Adventkalender will nicht geöffnet, sondern gelebt werden. Er besteht nicht aus Schokolade, sondern aus Erinnerung.
Es gibt verschiedene Weisen, ihn zu gestalten. Hier sind nur drei davon.
Die JP-Variante: Folge den Tagen, wie Johannes Paul sie angelegt hat – die drei Seligpreisungen wechseln sich alle drei Tage ab. So entsteht ein stiller Dreiklang aus Milde, Barmherzigkeit und Frieden.
Die HRP-Variante: Verbinde die drei Haltungen mit dem Läuten des Angelus – um sechs, um zwölf und um sechs. Wenn die Glocken erklingen, halte kurz inne, atme, erinnere dich.
Eine dritte Möglichkeit: Verbinde jedes Kreuzzeichen im Advent mit diesen drei Worten. Beim Segnen, beim Entzünden einer Kerze, beim Gebet, beim Abschiednehmen: „Milde.“ – „Barmherzigkeit.“ – „Frieden.“
So wird selbst die kleinste Geste zum Adventfenster, das sich nach innen öffnet.
Ein Advent der kleinen Heiligkeit
Vielleicht ist das der Sinn dieses heiligsten Adventkalenders: nicht mehr zu tun, sondern anders zu sein. Nicht auf Weihnachten zuzulaufen, sondern es einzuatmen.
Heiligkeit ist kein Zustand, sie geschieht für einen Augenblick – wenn wir mild, barmherzig oder friedlich sind.
„Dann wird dich heute Jesus für diesen Augenblick heilig sprechen.“
1. Wiener Ganserlessen-Dialoge am 8. November 2023 Impuls von P. Johannes Paul Abrahamowicz OSB
„Der Himmel fängt auf der Erde an.“
Diesen Satz seines Vaters stellte P. Johannes Paul an den Beginn seines zwölfminütigen Impulses – und er zieht sich als roter Faden durch seine Gedanken zu Himmel, Hölle und Fegefeuer.
Wir alle wüssten, was Himmel ist: wo alles passt. Doch der Mensch hat – anders als das Tier – einen freien Willen. Darum kann er sich auch gegen etwas entscheiden, sogar gegen die Liebe selbst. Weil Gott die Liebe ist, hat der Mensch – philosophisch gesehen – das Recht, dass es die Hölle gibt.
Was aber ist die Hölle? Nicht ein Ort, an dem Gott nicht ist – denn Gott ist allgegenwärtig. Sondern: Die Gegenwart Gottes ist für jene, die ihn ablehnen, unerträglich. Darum ist das Feuer der Hölle in Wahrheit die Flamme der göttlichen Gegenwart – dieselbe Flamme, die in der Schrift als brennender Dornbusch, als Feuersäule in der Nacht oder als Licht der Osterkerze erscheint.
Das Fegefeuer wiederum ist kein Strafort, sondern eine Läuterung aus Liebe. „Fegen“ heißt reinigen, und das Feuer steht wieder für Gottes liebende Nähe. So wie Gold im Feuer geläutert wird, so wird auch der Mensch gereinigt – nicht vernichtet, sondern veredelt.
Ein Beispiel: Wer plötzlich mit dem Rauchen aufhört, spürt Schmerzen des Abgewöhnens. Ähnlich ist es, wenn man begreift, wie sehr Gott liebt – und erkennt, wo man selbst lieblos war. Diese Reue ist schmerzhaft, aber heilend. Das ist das Fegefeuer – die reinigende Liebe Gottes, die schon auf Erden beginnen kann.
Am Ende seines Impulses schloss P. Johannes Paul mit einem Lächeln: „Die Gans hat fertig gebrutzelt – aber schon als Tote. Nachher reden wir weiter beim Essen.“
🕊️ Zusammenfassung
Der Mensch ist frei – nicht vorherbestimmt. Diese Freiheit macht ihn fähig, sich für oder gegen die Liebe zu entscheiden. Himmel, Hölle und Fegefeuer sind keine geografischen Orte, sondern Ausdruck dieser Beziehung zur göttlichen Liebe. Himmel: gelebte Einheit mit Gott. Hölle: dieselbe Gegenwart Gottes – aber unerträglich für jene, die sie ablehnen. Fegefeuer: Läuterung durch Liebe.
Heute im Stephansdom erzählte Dr. Richard Tatzreiter, Regens des Wiener Priesterseminars, eine Geschichte, die mich nicht loslässt:
Eine Ordensschwester durfte anlässlich ihrer ewigen Profess einen Ring wählen – entweder einen alten aus dem Kloster oder einen neuen. Sie entschied sich für einen neuen und ging – in Zivil – zu einem Juwelier in der Wiener Innenstadt.
„Was darf es sein?“, fragte der. „Ein Ehering“, sagte sie. Er blickte überrascht. „Sie wollen einen Ehering?“ „Ja.“ „Mit Gravur?“ „Ja. Bitte: Resurrectio mortuorum.“
Der Juwelier, offenbar des Lateinischen mächtig, runzelte die Stirn: „Ihr Bräutigam ist also von den Toten auferstanden?“ Sie lächelte: „Ja.“