Denn bei IHM ist niemand verloren. Jeder Mensch ist ein Gedanke Gottes, jede Seele verzeichnet im Himmel – selbst wenn kein Grabstein den Namen trägt.
Am Rande des Wiener Hafens, versteckt hinter Bäumen und Bahngleisen, liegt ein Ort, der leise vom Leben erzählt: der Friedhof der Namenlosen.
Hier ruhen Menschen, die einst von der Donau an Land gespült wurden – ohne Namen, ohne Angehörige, ohne Abschied. Und doch nicht vergessen.
Es ist berührend, dass die Stadt Wien diesen Ort bewahrt und ihn bewusst wild belässt. Das Gras darf wachsen, die Blumen blühen, die Natur darf erzählen.
Denn dieser Ort erinnert: an die Vergänglichkeit des Lebens, an die stille Macht des Wassers, und an die Hoffnung, dass am Ende die Liebe bleibt.
Der ursprüngliche Friedhof der Namenlosen wurde längst vom Auwald zurückgenommen. Auch das ist eine Wahrheit: Die Natur holt sich alles zurück – nur nicht die Liebe.
Stark wie der Tod ist die Liebe, die Leidenschaft ist hart wie die Unterwelt. Ihre Gluten sind Feuergluten, gewaltige Flammen. Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen; auch Ströme schwemmen sie nicht weg. Böte einer für die Liebe den ganzen Reichtum seines Hauses, nur verachten würde man ihn.
Hld 8, 6b–7
Diese Worte stammen aus einem der ältesten Liebeslieder der Bibel – entstanden rund 300 Jahre, bevor Paulus seine berühmte Hymne schrieb: „Die Liebe hört niemals auf.“ (1 Kor 13)
Das Hohelied sagt es mit Bildern: Feuer. Glut. Wasser, das sie nicht löschen kann.
Die Liebe bleibt – auch über den Tod hinaus. Wer sie gespürt hat, weiß das.
Christophorus – der Christusträger – Träger der Liebe – Tor zum Paradies?
Am 24. Juli feiern viele Christoph in Österreich ihren Namenstag. Das geht auf den Heiligen Christophorus zurück.
Im Mittelchor des Stephansdoms blickt uns seine eindrucksvolle Statue entgegen: Ein kraftvoller Mann, das Kind auf der Schulter. Mit jedem Schritt trägt er nicht nur ein Kind – sondern das Gewicht der ganzen Welt.
Die Legende erzählt: Christophorus wollte nur dem Mächtigsten dienen. Er diente Königen, dem Teufel – bis er schließlich Christus fand. Als Fährmann trug er den Knaben durch einen reißenden Fluss. Das Kind wurde immer schwerer. Bis Christophorus erkannte:
Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter hast du sicher schon oft gehört. Meist wird es so verstanden: „Du musst helfen. Du musst der Samariter sein.“
In der Predigt von P. Johannes Paul Abrahamowicz zu diesem Evangelium wurde mir heute ein anderer Blick geschenkt, den ich gern mit dir teile:
Du hast selbst einen Nächsten. Einen, der mit dir leidet. Und das ist Jesus.
Er sieht dich, wenn du verletzt bist, wenn du liegst, wenn du nicht mehr kannst. Er bleibt stehen. Er hebt dich auf. Er trägt dich – durch dein Leid hindurch bis ins Leben.
Gerade als Trauerredner und geistlicher Begleiter bin ich immer wieder mit fremdem Leid konfrontiert. Ich weiß, wie schwer es ist, mitleidend da zu sein, ohne selbst unterzugehen.
Diese Predigt erinnert mich daran: Ich darf begleiten, trösten, zuhören – aber ich muss nicht alle Schmerzen selbst tragen.
Der eigentliche Samariter, der unser aller Leid auf sich nimmt, ist Christus selbst. Er leidet mit uns – bis zur Auferstehung.
Das ist der Trost, den dieses Evangelium heute für mich hat. Was ist für Dich an dieser Predigt hilfreich, entlastend?
Evangelium und Predigt im Originalton.
Der barmherzige Samariter als Beispiel
25 Und siehe, ein Gesetzeslehrer stand auf, um Jesus auf die Probe zu stellen, und fragte ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? 26 Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? 27 Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst. 28 Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben! 29 Der Gesetzeslehrer wollte sich rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster? 30 Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen. 31 Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging vorüber. 32 Ebenso kam auch ein Levit zu der Stelle; er sah ihn und ging vorüber. 33 Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam zu ihm; er sah ihn und hatte Mitleid, 34 ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. 35 Und am nächsten Tag holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme. 36 Wer von diesen dreien meinst du, ist dem der Nächste geworden, der von den Räubern überfallen wurde? 37 Der Gesetzeslehrer antwortete: Der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle du genauso!
Lk 10, 25–37
Auslegung zum Evangelium Von Basilius von Caesarea
Dies ist also das erste und wichtigste Gebot der göttlichen Liebe; ein zweites aber ergänzt das erste und ist von ihm erfüllt, in dem wir ermahnt werden, den Nächsten zu lieben; daher folgt: „und den Nächsten wie dich selbst“. Wir bekommen von Gott die Fähigkeit, dieses Gebot zu erfüllen. Wer wüsste nicht, dass der Mensch ein Wesen ist, das auf Liebe und Gemeinschaft und nicht auf Isolation und Härte angelegt ist? Nichts ist nämlich für die menschliche Natur so typisch, wie der Austausch miteinander, das Angewiesensein aufeinander und die Liebe zum Verwandten. Wovon der gütige Herr uns die Samen anvertraut hat, davon verlangt er konsequenterweise die Früchte.
Die Finsternis geht vorüber, und schon leuchtet das wahre Licht. Wer sagt, er sei im Licht, aber seinen Bruder hasst, ist noch in der Finsternis. Wer seinen Bruder liebt, bleibt im Licht; da gibt es für ihn kein Straucheln.
Der Herr wird Dir Gutes tun
Mose sprach zum Volk: Der HERR wird dir Gutes tun. Denn du hörst auf die Stimme des HERRN, deines Gottes, und bewahrst seine Gebote und Satzungen, die in dieser Urkunde der Weisung einzeln aufgezeichnet sind, und kehrst zum HERRN, deinem Gott, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele zurück. Denn dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir. Es ist nicht im Himmel, sodass du sagen müsstest: Wer steigt für uns in den Himmel hinauf, holt es herunter und verkündet es uns, damit wir es halten können? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, sodass du sagen müsstest: Wer fährt für uns über das Meer, holt es herüber und verkündet es uns, damit wir es halten können? Nein, das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten.
Dtn 30, 9c–14
Impuls zur Lesung Aus sich heraus, dies ist die Erfahrung der biblischen Urgeschichten, sind Menschen nicht willens oder nicht fähig, das geschenkte Leben in seiner Fülle zu bewahren. Warum geben wir dem Tod so viel Raum? Doch wie gewaltig die Todeskräfte in uns und um uns auch sein, wie weit wir uns mit ihnen eingelassen haben und wie unlösbar verwickelt sich unsere Lebenslagen auch zeigen mögen, es bleibt uns die Wahl zwischen Todes- und Lebensmächten. Gott hat es uns gesagt, er hat es uns zugesagt, ein lösendes, ein erlösendes Wort. Aus unserer Verstrickung mit dem Tod befreien wir uns nicht aus eigener Kraft, aber es braucht dazu all unsere Kraft.
So jemand spricht: „Ich liebe Gott“, und hasst doch seine Brüder, der treibt mit Gottes Wahrheit Spott und reißt sie ganz darnieder. Gott ist die Lieb und will, dass ich den Nächsten liebe gleich als mich.
Wer dieser Erde Güter hat und sieht die Brüder leiden und macht die Hungrigen nicht satt, lässt Nackende nicht kleiden, der ist ein Feind der ersten Pflicht und hat die Liebe Gottes nicht.
Wer seines Nächsten Ehre schmäht, und gern sie schmähen höret, sich freut, wenn sich sein Feind vergeht, und nichts zum Besten kehret; nicht dem Verleumder widerspricht, der liebt auch seinen Bruder nicht.
Wir haben einen Gott und Herrn, sind eines Leibes Glieder; drum diene deinem Nächsten gern; denn wir sind alle Brüder. Gott schuf die Welt nicht bloß für mich, mein Nächster ist sein Kind wie ich.
Charlie Chaplin war 53, als er Oona O’Neill begegnete, sie erst 17. Die Welt nannte es Wahnsinn, einen Skandal, eine Torheit. Doch es wurde die Liebe seines Lebens. Er, der die Welt zum Lachen brachte, hatte selbst oft einsam gelitten. Drei Ehen waren zerbrochen, der Applaus verhallte, die Schlagzeilen fraßen sich in seine Tage.
Dann kam Oona. Sie hörte nicht nur zu, sie verstand. Sie blieb. Gegen alle Stimmen heirateten sie 1943. Als ihm Amerika die Tür wies, folgte sie ihm in die Verbannung. In der Schweiz fanden sie, was kein Ruhm geben konnte: Frieden, Freude, Familie. Acht Kinder füllten ihr Haus mit Lachen, diesmal nicht vom Filmset, sondern aus dem Leben.
Als Chaplin 1977 starb, suchte Oona keinen neuen Anfang. Sie hatte bereits alles gelebt, was Liebe sein kann. Denn manchmal genügt ein einziges Ja – und es bleibt. Wahre Liebe fragt nicht nach dem richtigen Moment. Sie bleibt, wenn alles andere vergeht.
Charlie Chaplin (1889–1977) war der Sohn armer Künstler in London und stieg zum größten Stummfilmstar der Welt auf. Mit Filmen wie „Der große Diktator“ und „Modern Times“ wurde er zum Symbol für Humor mit Tiefgang, kannte jedoch auch Skandale und Einsamkeit.
Oona O’Neill (1925–1991), Tochter des Literaturnobelpreisträgers Eugene O’Neill, wuchs in Künstlerkreisen auf, war schön, klug und jung. Sie wurde Chaplins Halt, als die Welt ihm den Rücken kehrte, und blieb bis zu seinem Tod an seiner Seite. Sie selbst wollte nie im Rampenlicht stehen – sondern einfach lieben.
Ich steh vor dir in Leere, arm und bang, fremd ist dein Name, spurlos deine Wege. Du bist mein Gott, Menschengedenken lang – Tod ist mein Los, hast du nicht andern Segen? Bist du der Gott, der meine Zukunft hält? Ich glaube, Herr, was stehst du mir dagegen.
Mein Alltag wird von Zweifeln übermannt, mein Unvermögen hält mich eingefangen. Steht denn mein Name noch in deiner Hand, hält dein Erbarmen leise mich umfangen? Darf ich lebendig sein in deinem Land, darf ich dich einmal sehn mit neuen Augen?
Sprich du das Wort, das mich mit Trost umgibt, das mich befreit und nimmt in deinen Frieden. Öffne die Welt, die ohne Ende ist, verschwende menschenfreundlich deine Liebe. Sei heute du mein Brot, so wahr du lebst – Du bist doch selbst die Seele meines Betens.
„Götter haben viele Gesichter, aber wahre Göttlichkeit hat kein Gesicht“, heißt es in einer taoistischen Meditation. Der Satz will trösten, will Vielfalt ehren – doch er lässt uns am Ende im Ungefähren zurück.
Jesus Christus sagt etwas anderes.
„Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ (Joh 14,9)
Gott bleibt nicht im Nebel. Er tritt hervor – mit einem Gesicht, mit Augen, die weinen können, mit Händen, die berühren. Mit einem Herzen, das liebt bis ans Kreuz.
Die Weltreligionen kennen viele Bilder von Gott. Die Bibel aber kennt nicht nur Bilder, sondern Begegnung. Nicht nur ein Ahnen, sondern ein Antworten.
Jesus nennt Gott nicht „das Absolute“ oder „das Formlose“. Er nennt ihn Vater – und lädt auch uns ein, ihn so zu nennen:
„Abba!“ – Papa. (Mk 14,36)
Wer trauert, sucht keine Philosophie. Wer leidet, will kein Prinzip.
Er oder sie sehnt sich nach Nähe. Nach einem Blick, einer Stimme, einer Umarmung.
„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ (Joh 14,6)
Jesus zeigt uns den Weg – und er ist der Weg und die Liebe.
Nicht anonym. Nicht verschwommen. Sondern ganz Mensch. Ganz Gott.