„Gott ist unser Vater; noch mehr: Er ist unsere Mutter.“
Papst Johannes Paul I. beim Angelusgebet am 10. September 1978
Impuls
Jesus sprach Aramäisch. Wenn er Gott „Abba“ nannte, meinte er damit nicht den fernen, herrschenden Vater, sondern den vertrauten „Papa“ – den, dem man sich ohne Angst anvertrauen kann. Das aramäische Wort für „Mutter“ lautet Imma – ein ebenso zärtlicher Ausdruck, voller Nähe und Geborgenheit.
Beides zusammen – Abba und Imma – beschreibt das Herz Gottes: stark und schützend, zärtlich und tröstend zugleich. Für Trauernde kann dieser Gedanke tiefen Trost schenken: Wir sind nicht allein. Wir dürfen uns bergen in der Liebe, die uns gezeugt und geboren hat, die uns hält und wieder heimholt. In ihr dürfen wir bleiben – als Kinder Gottes.
Ihr nennet mich Licht – so sehet mich doch. Ihr nennet mich Weg – so folget mir doch. Ihr nennet mich Leben – so suchet mich doch. Ihr heißet mich schön – so liebet mich doch. Ihr heißt mich die Liebe – so folgt doch der Bahn, denn wenn ihr mich liebt, habt ihr alles getan.
Als christlicher Trauerredner sage ich diese tröstende Botschaft aus dem Lübecker Dom oft auch Menschen, die längst nicht mehr zum Kreis der Messbesucher gehören. Die meisten nehmen sie gerne dankbar an.
Der Dom zu Lübeck in der Nacht
Im Jahre 1173 legte Heinrich der Löwe als Stifter den Grundstein des Doms als Kathedrale für das Bistum Lübeck, nachdem in den Jahren 1160–63 das Domkapitel und der Bischofssitz von Oldenburg in Holstein unter Bischof Gerold hierher verlegt worden war. Der Lübecker Dom gehört somit zu den vier sogenannten Löwendomen (Ratzeburg 1160/70, Schwerin 1171, Braunschweig 1173). Die Kirche wurde als Bischofskirche Johannes dem Täufer und als Gemeindekirche dem Heiligen Nikolaus geweiht.
Erfolg beginnt für mich mit Freude – der Freude darüber, dass ich leben darf und dass mir Zeit und Menschen geschenkt sind.
Aus Freude wächst Dankbarkeit, Dankbarkeit für alles, was gelingt, und für das, was mich lehrt.
Wo Dankbarkeit ist, entsteht Vertrauen – in mich selbst, in andere und vor allem in Gott.
Und aus der Fülle dieses Vertrauens wächst Liebe – Liebe, die nicht besitzen will, sondern freigibt. Die segnet, statt zu bewerten. Die Frieden sucht, nicht Sieg.
Lieben zu können aus der Fülle des Vertrauens in Gott – das ist Erfolg.
Nicht Erfolg, den man sich erarbeitet, sondern Erfolg aus Gnade.
„Bleibt in meiner Liebe – dann bringt ihr reiche Frucht.“ (Joh 15,9–11)
„Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsre Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens.“ (Lk 1,78–79)
Das Benedictus – ein Gebet der aufgehenden Sonne
Jeden Morgen betet die Kirche das sogenannte Benedictus, den Lobgesang des Zacharias (Lk 1, 68–79). Es ist eines der drei großen Tagesgebete der Kirche – neben dem Magnificat am Abend und dem Nunc dimittis zur Nacht. Seit Jahrhunderten begleitet dieses Morgengebet Mönche, Priester und Laien durch den Beginn des Tages.
Das Licht fällt in die obere Sakristei im Wiener Stephansdom
Der alte Zacharias, der Vater Johannes des Täufers, stimmt dieses Lied an, als sein Sohn geboren wird. Er erkennt darin, dass Gott sein Volk nicht verlässt, sondern mit „aufstrahlendem Licht“ aus der Höhe kommt – eine frühe Ankündigung von Jesus, dem kommenden Retter. Die zitierten Zeilen beenden das Benedictus.
Ein Licht im Schatten des Todes
Gerade in Zeiten der Trauer klingt dieser Text wie ein Versprechen: Auch wenn wir im „Schatten des Todes“ sitzen, bricht das Licht Gottes durch. Das Bild erinnert an einen Sonnenaufgang: Zuerst ist es noch dunkel, doch langsam legt sich ein Schimmer über die Erde, bis der Tag leuchtet.
Für Trauernde kann dieser Gedanke ein Trost sein. Denn das Benedictus sagt: Die Finsternis bleibt nicht das Letzte. Der Tod ist nicht Endstation. Das Licht kommt uns entgegen, und es will unsere Schritte auf den Weg des Friedens lenken – auch dann, wenn wir uns verloren fühlen.
Impuls
Für mich ist das Benedictus nicht nur Teil meines Morgengebetes, sondern vor allem beim Schreiben sehr persönlicher Trauerreden ein inspirierender Begleiter geworden. Wenn wir einen geliebten Menschen verabschieden, sind wir oft sprachlos. Was soll man sagen, wenn ein Leben zu Ende geht? Das Benedictus schenkt uns eine Sprache: Wir dürfen hoffen, dass das Licht Gottes uns und den Verstorbenen umfängt.
Vielleicht können wir uns das so vorstellen: Die Schritte, die jetzt schwerfallen, weil ein Mensch fehlt, werden doch getragen. Das Licht aus der Höhe führt uns – nicht zurück ins alte Leben, sondern weiter, auf einen Weg, der Frieden verheißt.
So bleibt die Zusage: Gottes Barmherzigkeit wird uns besuchen. Nicht irgendwann, sondern schon jetzt – mitten in der Dunkelheit.
Erhabener Gott, uns bleibst du unerreichbar, doch kommst du selbst uns nahe. Vor dich bringen wir unsere Bitten: A: Mach uns bereit für dich. – Wenn wir Erfolg haben, lass uns erkennen, wie viel wir davon nicht uns selbst verdanken. – Bewahre uns vor Hochmut und Herablassung und lass uns stets zu unseren Mitmenschen finden. – Gib, dass wir auf dein verborgenes Wirken vertrauen und das Kleine und Unscheinbare wertschätzen. A: Mach uns bereit für dich.
Quelle: Magnificat – das Stundenbuch, 31. August 2025
Die Bereitschaft, auf Gott zu vertrauen, gibt Zuversicht und spendet Trost. Daher verwende ich Bilder wie diese gerne bei ganz persönlichen Abschiedsfeiern als christlicher Trauerredner. Im Mittelpunkt steht das ausführliche liebevolle Erinnern an all das, was den verstorbenen Menschen ausgemacht hat.
Begegnet einander in Demut. Denn Gott tritt den Stolzen entgegen, den Demütigen aber schenkt er seine Gnade. Beugt euch also in Demut unter die mächtige Hand Gottes, damit er euch erhöht, wenn die Zeit gekommen ist. Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch.
1 Petr 5, 5b–7
Ich habe ganz selten bei Begräbnissen stolze Menschen gesehen. Die meisten kommen traurig und gehen getröstet wieder nach Hause, weil sie im Kreis lieber Menschen ihre Sorgen auf den Herrn werfen konnten.
In jedem Herzen lebt ein reines Kind – unzerstörbar, voller Licht. Christus hat am Kreuz den Tod überwunden und uns gezeigt: Dieses Kind in uns bleibt lebendig.
Darum gilt: Die Liebe stirbt nicht. Sie lebt. Sie siegt.
Ist dieses Kind die Seele? Ist Gott diese Liebe?
Zu diesen Gedanken hat mich der Impuls zur Herz-Meditation im heutigen Kapitel 242 von „365 Tao“ inspiriert. Wir lesen dieses Buch heuer in unserer Männerrunde.
Stell dir dein Herz als eine sich öffnende Lotusblüte vor. Aus ihrer Mitte entsteigt ein purpurnes Kind, Rein, unberührt und unschuldig. Eine Meditation gibt diese Anweisung: Stell dir vor, dein Herz öffnet sich in einer roten Lotusblüte. Aus ihrer Mitte entsteigt ein purpurnes Kind. Bringe dieses Kind aus deinem Körper und stell dir vor, wie es über dir schwebt. Du, als Kind, hältst in jeder Hand eine Sonne, während deine Füße auf zwei Monden stehen. Halte dieses Bild so lange wie möglich. Es ist schwer, dieses Kind zum Vorschein zu bringen. Bei dem Versuch erkennt man, wie viele Mauern man um sich errichtet hat. Man erkennt auch, wie die Erfahrungen der Jugend und des Erwachsenenalters ihre Spuren hinterlassen haben. Manchmal bezweifelt man vielleicht, ob man überhaupt ein reines und unschuldiges Selbst hat, das man noch zum Vorschein bringen könnte. Aber es ist in jedem von uns. Jeder von uns muss dieses purpurne Kind finden und hervorholen. Weil dieses Kind eine Zeit verkörpert, in der unsere Energie heil war und unser Herz die Doppelzüngigkeit nicht kannte, die die Welt und uns trübt.
Deng, Ming-Dao. 365 Tao: Meditationen für jeden Tag des Jahres (Tag 242).
Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es. Liebe Brüder, jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
1 Joh 3, 1a.2
Wir alle sind Kinder der Liebe. Und Gott ist die Liebe. Also sind wir Kinder Gottes. Es ist dabei gar nicht so wesentlich, ob wir an Gott glauben. Wir brauchen nur aus Liebe zu handeln, dann sind wir erlöste Kinder Gottes.
wir nehmen heute Abschied von einem ganz besonderen Wesen. Sein Name war Xariel – ein Reisender zwischen den Sternen, ein Gast aus weiter Ferne, ein Bruder in Gottes Schöpfung.
Xariel war vieles, aber sicher nicht gewöhnlich. Er stammte aus einer fernen Galaxie, von einem Planeten, den er „Lira-7“ nannte. Dort, so erzählte er, gab es Himmel mit drei Sonnen, Meere, die im Dunkeln leuchteten, und Pflanzen, die miteinander sangen, wenn der Wind durch ihre Blätter strich. Schon als junger Xariel liebte er es, durch diese Klangwälder zu streifen. Seine Freunde lachten oft über ihn, weil er den Sternen Lieder vorsummte – so, als wären sie seine älteren Geschwister.
Er war neugierig, voller Fragen, voller Sehnsucht nach dem Unbekannten. Auf Lira-7 galt er als Träumer, einer, der nicht nur wissen wollte, wie etwas funktioniert, sondern auch, warum es schön ist. Vielleicht war es diese Mischung aus Neugier und Sehnsucht, die ihn irgendwann auf den Weg schickte, hinaus ins All.
Seine Reise dauerte Jahrtausende. Aber für Xariel war Zeit nie das Entscheidende. Er sagte einmal: „Wenn ich die Sterne sehe, vergesse ich, wie lange ich unterwegs bin. Ich weiß nur: Jeder Stern ist ein Gruß meines Schöpfers.“
Hier auf der Erde war er ein Fremder, ja – aber nie ein Feind. Die, die ihm begegneten, spürten: Er hatte Humor. Er konnte herzlich lachen, wenn er unsere Eigenheiten beobachtete. Wie wir Menschen uns wichtig nehmen, wie wir über Staus schimpfen, wie wir Kaffee brauchen, um morgens wach zu werden – das amüsierte ihn köstlich. Und doch war in seinem Lachen nie Spott, sondern eine zärtliche Verwunderung.
Xariel lebte still und aufmerksam. Er liebte es, am Wasser zu sitzen und die Spiegelung des Himmels zu betrachten. Er war kein Kämpfer, kein Eroberer, sondern ein Sammler von Eindrücken. Er wollte verstehen. Und vielleicht – ja, das glaube ich – wollte er auch uns Menschen verstehen.
Heute verabschieden wir ihn. Wir tun es mit einem Lächeln und mit einem Kloß im Hals. Denn dieser Besucher aus den Sternen hat uns gezeigt: Leben ist größer als wir ahnen.
1. Gottes Universum ist größer als unser Denken
Die Bibel beginnt schlicht: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (Gen 1,1). Für die Menschen damals war das alles, was es gab. Für uns heute bedeutet es: Milliarden Galaxien, Sterne ohne Zahl – und Wesen wie Xariel.
Oder wie es im Psalm heißt: „Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes, vom Werk seiner Hände kündet das Firmament.“ (Ps 19,2).
Vielleicht hätte man damals ergänzt: „Und auch ein Alien mit großen Augen und feinem Sinn für Humor.“
2. Braucht ein Alien Erlösung?
Eine theologische Frage mit Augenzwinkern: Musste Christus auch für Xariel Mensch werden? Ich glaube: Nein. Vielleicht war Xariel eines jener Geschöpfe, die nie die Nähe zu ihrem Schöpfer verloren haben. Während wir Menschen uns oft verlaufen – zwischen Ego, Krieg und Stau auf der Tangente – blieb er vielleicht immer in Freundschaft mit Gott.
Und vielleicht war es genau sein Auftrag, uns daran zu erinnern, dass wir Kinder Gottes sind.
3. Die Liebe hört niemals auf
Der Apostel Paulus schreibt: „Die Liebe hört niemals auf“ (1 Kor 13,8). Das gilt über Planeten, über Galaxien, über die Grenzen unserer Fantasie hinaus.
Wenn Gott uns liebt – mit all unseren Macken –, dann liebt er auch ein Alien. Und wenn wir uns vorstellen, dass Xariel jetzt mit den Engeln Sternenkarten spielt, dürfen wir ruhig schmunzeln. Gott hat Humor, da bin ich sicher.
So dürfen wir vertrauen: Xariel ist heimgekehrt – nicht nur zu den Sternen, sondern in die Arme des Schöpfers, der uns alle verbindet.
Liebe Trauergemeinde, wenn wir heute Abend in den Himmel schauen und einen Stern heller funkeln sehen als die anderen – vielleicht ist es Xariel, der uns zulächelt. Und vielleicht summt er uns noch immer sein Lied der Sterne.
Über den Autor
Was wäre, wenn ein Alien stirbt? Harald Preyer – Trauerredner in Wien – zeigt in einer ungewöhnlichen Trauerrede, dass Gottes Liebe das ganze Universum umfasst. Eine berührende, humorvolle und theologische Annäherung.