Der Abend kommt, die Nacht zieht Kreise, und immer schwächer wird das Licht. Der Tag ist müde, legt sich schlafen, und Morgen ist noch nicht in Sicht. Doch fängt das Dunkel uns auch ein, Gott wird ganz sicher bei uns sein.
Wenn wir in höchsten Nöten leben, in tiefster Nacht das Ende sehn, wenn nichts und niemand mehr uns tröstet, wird Gott uns doch zur Seite stehn. In jeder Finsternis, die droht, ist Gott bei uns, teilt unsre Not.
In allen Ängsten, jeder Leere, ist Gott bei uns und hüllt uns ein. Wenn Dunkelheit auch lange dauert, wird Gott noch länger bei uns sein, und jeder Nacht, die auch anbricht, schreibt Gott die Hoffnung ins Gesicht.
Gott nimmt uns zärtlich in die Arme, in jedem Menschen, der uns liebt, in jedem Wort, das uns begleitet, in jedem Blick, der Aussicht gibt. Denn allen Sorgen dämmert Gott und weckt uns auf im Morgenrot.
Text: Thomas Laubach, Musik: Karl-Bernhard Hüttis, aus: Ruhama-Chorbuch, erweiterte Auflage, 2009, alle Rechte im tvd-Verlag Düsseldorf – GL 704 (Anhang Hamburg, Hildesheim, Osnabrück)
Denn bei IHM ist niemand verloren. Jeder Mensch ist ein Gedanke Gottes, jede Seele verzeichnet im Himmel – selbst wenn kein Grabstein den Namen trägt.
Am Rande des Wiener Hafens, versteckt hinter Bäumen und Bahngleisen, liegt ein Ort, der leise vom Leben erzählt: der Friedhof der Namenlosen.
Hier ruhen Menschen, die einst von der Donau an Land gespült wurden – ohne Namen, ohne Angehörige, ohne Abschied. Und doch nicht vergessen.
Es ist berührend, dass die Stadt Wien diesen Ort bewahrt und ihn bewusst wild belässt. Das Gras darf wachsen, die Blumen blühen, die Natur darf erzählen.
Denn dieser Ort erinnert: an die Vergänglichkeit des Lebens, an die stille Macht des Wassers, und an die Hoffnung, dass am Ende die Liebe bleibt.
Der ursprüngliche Friedhof der Namenlosen wurde längst vom Auwald zurückgenommen. Auch das ist eine Wahrheit: Die Natur holt sich alles zurück – nur nicht die Liebe.
Ein Dialog über das göttliche Wort, das aus dem Schweigen kommt – und über ein gelingendes Leben
Am 12. Mai 2025 trafen in Wien zwei geistige Schwergewichte aufeinander: Bruder David Steindl-Rast, Benediktinermönch, Mystiker und Brückenbauer zwischen Ost und West, und Professor Matthias Beck, Arzt, Theologe und Gesundheitsphilosoph. Im Zentrum ihres Dialogs stand die Frage: Warum glauben? Und damit verbunden: Wie kann ein Mensch in dieser zerrissenen Welt sinnvoll, heilsam und glücklich leben?
Der Glaube – kein Besitz, sondern Beziehung
Für beide Gesprächspartner ist klar: Glaube ist kein Für-wahr-Halten von Dogmen, sondern ein Vertrauen, ein Sich-Einlassen auf das Geheimnis hinter allem Sichtbaren. Bruder David spricht lieber vom „großen Du“ als von „Gott“, weil das Wort zu oft missverstanden werde. Glaube bedeute, der Beziehung zu allem, was ist, zuzustimmen – ein Ja zum Leben selbst.
Matthias Beck bringt die Dimension der Vernunft ein: Glaube sei rational verantwortbar, müsse aber immer in gelebter Erfahrung wurzeln. Er warnt vor einem Glauben, der sich in Moral erschöpft, ohne Transformation zu bewirken. Der Mensch sei zur Vergöttlichung bestimmt – ein Begriff aus der frühen Kirche, der heute wieder an Kraft gewinnt.
Das göttliche Wort – aus dem Schweigen geboren
Einer der berührendsten Momente des Gesprächs ist Bruder Davids Bezug auf eine Bibelstelle aus dem Buch der Weisheit:
„Als tiefes Schweigen alles umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab.“ – Weisheit 18,14–15
Dieses Bild – das göttliche Wort, geboren im tiefsten Schweigen der Nacht – steht für einen radikalen Perspektivwechsel: Das Entscheidende geschieht nicht im Lärm der Welt, sondern in der Stille. Es ist diese Tiefe, aus der authentisches Leben entsteht.
Bruder David formuliert es so:
„Nicht ein Wort, das das Schweigen bricht, sondern ein Wort, in dem das Schweigen zu Wort kommt.“
Ein Satz, der sich einprägt – und zugleich erinnert an das „Wort, das Fleisch wurde“ (Joh 1,14). Mystik und Fleischlichkeit, Ewiges und Jetzt, berühren sich.
Wer ist Jesus – und warum ist er heute noch entscheidend?
Beck betont die Auferstehung als Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens: „Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann ist euer Glaube nutzlos“ (vgl. 1 Kor 15). Für ihn ist Jesus die persongewordene Hoffnung – Gott, der in die Wunden der Welt hinabsteigt, um sie zu heilen.
Bruder David bleibt offener: Für ihn ist Jesus das Modell einer gottverbundenen Lebensweise, deren Kraft nicht durch historische Beweise, sondern durch gelebte Erfahrung spürbar wird. Das „Christusbewusstsein“, wie er es nennt, könne auch heute in jedem Menschen lebendig werden.
Was empfehlen die beiden für ein glückliches Leben?
1. Dankbarkeit üben Bruder David nennt sie den Königsweg zu Glück und Erfüllung:
„Nicht die Glücklichen sind dankbar – die Dankbaren sind glücklich.“
2. Die Stille suchen In einer Welt voller Lärm sei es heilsam, täglich still zu werden, um das „Wort im Schweigen“ zu hören.
3. Beziehungen pflegen Gott ist Beziehung – und der Mensch wird nur heil in Beziehung: zu sich, zu anderen, zur Welt, zu Gott.
4. Vertrauen wagen Beck nennt Vertrauen das „Fundament des Lebens“ – medizinisch, philosophisch, geistlich. Wer vertraut, lebt gesünder, tiefer, hoffnungsvoller.
5. Der Liebe trauen Beide stimmen überein: Die Liebe ist kein Gefühl, sondern eine Entscheidung – das gelebte Ja zur Zugehörigkeit.
Fazit
Der Abend ist keine theologische Schulstunde, sondern ein spiritueller Kompass: Glaube bedeutet nicht das Akzeptieren fertiger Antworten, sondern das mutige Gehen eines Weges. Ein Weg, der leise beginnt – im Schweigen der Nacht, in der ein göttliches Wort aufbricht, um neu Mensch zu werden. In uns.
Als christlicher Trauerredner hätte ich auch auf Felix Baumgartner einen Nachruf gesprochen, der den Hinterbliebenen Hoffnung und Trost spendet. Nach ausführlichen Gesprächen mit den Trauernden und einigen Stunden des aufmerksamen Zuhörens war das bisher immer möglich. Die aufrichtige Anteilnahme ist meinem Glauben und meiner Profession geschuldet. Gott verurteilt Taten, die der Liebe widersprechen aber er liebt alle Menschen – bedingungslos und aus reiner Gnade.
Felix Baumgartner kam am 17. Juli ums Leben.imago/ZUMA Press Wire / Kyle Gustafson
Persönlich interessiert mich die Frage: „Welche Werte haben wir als Gesellschaft geopfert? Warum schauen sich Menschen einen Sprung aus dem Weltall überhaupt an? Was fasziniert uns, wenn Grenzgänger gegen hohe Gagen den Tod herausfordern?“ Das ist für mich keine moralische Frage. Ich frage ganz utilitaristisch. Welche andere Befriedigung, welchen Genuß haben wir verlernt, wenn wir uns daran berauschen können?
Eine romantische Operette von Emmerich Kálmán, ein gelungenes Risotto mit Shrimps, Liebe machen mit meiner Frau, ein Spaziergang beim Morgenaufgang oder eine gute Predigt in einer Messe im Stephansdom geben mir mehr als der Sprung eines Stuntman in Überschallgeschwindigkeit.
Den letzten meiner zehn Geschenklinks für Juli teile ich gerne für diesen sprachlich und inhaltlich großartigen „Nachruf“ von Sebastian Stier in der ZEIT.
.13 Da sagte Mose zu Gott: Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden sie mich fragen: Wie heißt er? Was soll ich ihnen sagen? 14 Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin, der ich bin. Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der Ich-bin hat mich zu euch gesandt. 15 Weiter sprach Gott zu Mose: So sag zu den Israeliten: Der HERR, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name für immer und so wird man mich anrufen von Geschlecht zu Geschlecht. 16 Geh, versammle die Ältesten Israels und sag ihnen: Der HERR, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, ist mir erschienen und hat mir gesagt: Ich habe sorgsam auf euch geachtet und habe gesehen, was man euch in Ägypten antut.
Die Bibel, Exodus 3,13 -16
Impuls zur Lesung
Wer bist du, Gott? Wie heißt du? Sind Namen Schall und Rauch? Im Alten Israel gewiss nicht. Name, Namengebung und Namenänderungen spielen eine große Rolle. Nach altorientalischer Vorstellung wird im Namen Wesen und Wirken des Benannten offenbar. Im Paradies durfte der Mensch den Tieren Namen geben und sie so seinem Lebensbereich eingliedern. Aus Liebe gibt Gott seinen eigenen Namen dem Mose bekannt. „Der Gott eurer Väter“ ist kein neidischer Dämon, kein Rumpelstilzchen, das seinen Namen eifersüchtig geheim halten müsste, um ja nichts von seiner Wirkmacht zu verlieren. Aber wie im Märchen ist auch hier der Name ein Schlüssel-Wort. Es ist ein Schlüssel, der vom Namensträger bewusst in die Hand eines anderen, eines Menschen, eines bedrängten Volkes gelegt wird. Der Name des Herrn ist wirklich, er ist mächtig, er ist wirkmächtig. Nun ist es öffentlich: Ich bin der Ich bin da. Ich komme dir entgegen. Ich hole dich aus dem Verließ, aus deiner Verlassenheit. Ich lasse dich nicht allein: Das ist mein Name für immer.
Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter hast du sicher schon oft gehört. Meist wird es so verstanden: „Du musst helfen. Du musst der Samariter sein.“
In der Predigt von P. Johannes Paul Abrahamowicz zu diesem Evangelium wurde mir heute ein anderer Blick geschenkt, den ich gern mit dir teile:
Du hast selbst einen Nächsten. Einen, der mit dir leidet. Und das ist Jesus.
Er sieht dich, wenn du verletzt bist, wenn du liegst, wenn du nicht mehr kannst. Er bleibt stehen. Er hebt dich auf. Er trägt dich – durch dein Leid hindurch bis ins Leben.
Gerade als Trauerredner und geistlicher Begleiter bin ich immer wieder mit fremdem Leid konfrontiert. Ich weiß, wie schwer es ist, mitleidend da zu sein, ohne selbst unterzugehen.
Diese Predigt erinnert mich daran: Ich darf begleiten, trösten, zuhören – aber ich muss nicht alle Schmerzen selbst tragen.
Der eigentliche Samariter, der unser aller Leid auf sich nimmt, ist Christus selbst. Er leidet mit uns – bis zur Auferstehung.
Das ist der Trost, den dieses Evangelium heute für mich hat. Was ist für Dich an dieser Predigt hilfreich, entlastend?
Evangelium und Predigt im Originalton.
Der barmherzige Samariter als Beispiel
25 Und siehe, ein Gesetzeslehrer stand auf, um Jesus auf die Probe zu stellen, und fragte ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? 26 Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? 27 Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst. 28 Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben! 29 Der Gesetzeslehrer wollte sich rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster? 30 Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen. 31 Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging vorüber. 32 Ebenso kam auch ein Levit zu der Stelle; er sah ihn und ging vorüber. 33 Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam zu ihm; er sah ihn und hatte Mitleid, 34 ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. 35 Und am nächsten Tag holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme. 36 Wer von diesen dreien meinst du, ist dem der Nächste geworden, der von den Räubern überfallen wurde? 37 Der Gesetzeslehrer antwortete: Der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle du genauso!
Lk 10, 25–37
Auslegung zum Evangelium Von Basilius von Caesarea
Dies ist also das erste und wichtigste Gebot der göttlichen Liebe; ein zweites aber ergänzt das erste und ist von ihm erfüllt, in dem wir ermahnt werden, den Nächsten zu lieben; daher folgt: „und den Nächsten wie dich selbst“. Wir bekommen von Gott die Fähigkeit, dieses Gebot zu erfüllen. Wer wüsste nicht, dass der Mensch ein Wesen ist, das auf Liebe und Gemeinschaft und nicht auf Isolation und Härte angelegt ist? Nichts ist nämlich für die menschliche Natur so typisch, wie der Austausch miteinander, das Angewiesensein aufeinander und die Liebe zum Verwandten. Wovon der gütige Herr uns die Samen anvertraut hat, davon verlangt er konsequenterweise die Früchte.
Danket dem Herrn, denn er ist gütig, * denn seine Huld währt ewig! So soll Israel sagen: * Denn seine Huld währt ewig. So soll das Haus Aaron sagen: * Denn seine Huld währt ewig. So sollen alle sagen, die den Herrn fürchten und ehren: * Denn seine Huld währt ewig. In der Bedrängnis rief ich zum Herrn; * der Herr hat mich erhört und mich frei gemacht. Der Herr ist bei mir, ich fürchte mich nicht. * Was können Menschen mir antun? Der Herr ist bei mir, er ist mein Helfer; * ich aber schaue auf meine Hasser herab. Besser, sich zu bergen beim Herrn, * als auf Menschen zu bauen. Besser, sich zu bergen beim Herrn, * als auf Fürsten zu bauen. Ehre sei dem Vater …
Du unser Gott, in deinem Sohn schenkst du uns dein Leben. Richte uns auf und stärke uns, dass wir deine Wunder verkünden.
So jemand spricht: „Ich liebe Gott“, und hasst doch seine Brüder, der treibt mit Gottes Wahrheit Spott und reißt sie ganz darnieder. Gott ist die Lieb und will, dass ich den Nächsten liebe gleich als mich.
Wer dieser Erde Güter hat und sieht die Brüder leiden und macht die Hungrigen nicht satt, lässt Nackende nicht kleiden, der ist ein Feind der ersten Pflicht und hat die Liebe Gottes nicht.
Wer seines Nächsten Ehre schmäht, und gern sie schmähen höret, sich freut, wenn sich sein Feind vergeht, und nichts zum Besten kehret; nicht dem Verleumder widerspricht, der liebt auch seinen Bruder nicht.
Wir haben einen Gott und Herrn, sind eines Leibes Glieder; drum diene deinem Nächsten gern; denn wir sind alle Brüder. Gott schuf die Welt nicht bloß für mich, mein Nächster ist sein Kind wie ich.