Schon die Frage nach dem wozu? statt des warum? öffnet den Blick für Sinn – auch wenn sie das Dunkel nicht vollständig erhellt. Große Denkerinnen und Denker haben sich seit Jahrhunderten mit dieser existenziellen Frage beschäftigt. Ihre Antworten können auch heute noch trösten, stärken und den Horizont weiten.
Und Musik kann dabei ein liebevoller Begleiter sein.
Hiob (ca. 5. Jh. v. Chr.): Klage als Weg zu Gott
Im biblischen Buch Hiob wird das Leid nicht beschönigt. Hiob klagt – laut, bitter, ehrlich. Und gerade diese Klage wird zur Begegnung mit Gott. Am Ende steht kein logisches Warum, sondern eine stille, tragende Beziehung.
„Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut.“ (Hiob 42,5)
Musik-Tipp: J. S. Bach – „Ich habe genug“, BWV 82
Jesus Christus (ca. 30 n. Chr.): Der Gott im Leid
Für Christinnen und Christen ist Jesus der Inbegriff göttlicher Solidarität. Er flieht das Leid nicht, sondern nimmt es auf sich – aus Liebe. Am Kreuz stirbt nicht nur ein Mensch, sondern Gott mit uns. Die Auferstehung aber zeigt: Das Leid hat nicht das letzte Wort.
„In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.“ (Joh 16,33)
Musik-Tipp: Pergolesi – Stabat Mater
Boethius (480–524): Das Leid als Schule der Weisheit
Der spätantike Philosoph Boethius schrieb im Gefängnis sein Werk Trost der Philosophie. Für ihn liegt im Unglück die Chance, sich von äußeren Sicherheiten zu lösen und sich dem Guten, Wahren und Göttlichen zuzuwenden. Leid wird so zur Einladung, sich an das zu erinnern, was wirklich zählt.
„Nichts ist elender als ein Mensch, der das verloren hat, was ihn zum Menschen macht.“
Elisabeth Kübler-Ross (1926–2004): Wachsen durch Krisen
Die Sterbeforscherin betonte, dass das Leid ein Teil des Lebens ist – und ein Ort der Reifung. Ihre Phasenmodelle der Trauer helfen bis heute vielen Menschen, schrittweise wieder Vertrauen zu fassen.
„Die schönsten Menschen, die wir kennen, sind jene, die das Leid kennengelernt haben.“
Musik-Tipp: Mahler – Adagietto aus der 5. Symphonie
Viktor E. Frankl (1905–1997): Freiheit und Sinn trotz allem
Der Wiener Psychiater und KZ-Überlebende erkannte: Der Mensch ist auch im Leid frei – nicht in den Umständen, aber in seiner inneren Haltung. Wer dem Leben trotz allem einen Sinn abgewinnt, bleibt innerlich ungebrochen.
„Das Leben ist sinnvoll – immer, unter allen Umständen.“
Frankls Logotherapie lädt ein, Leid nicht nur zu ertragen, sondern zu verwandeln – in Mitgefühl, Verantwortung und Tiefe.
Musik-Tipp: Mendelssohn: 4. Sinfonie (»Italienische«)
Und wir?
Leid bleibt ein Geheimnis. Doch die Stimmen der Geschichte laden ein: nicht zu verzweifeln, sondern zu vertrauen. Und womöglich – ganz langsam – zu wachsen.
Nicht das Leid macht bitter – sondern das Alleinsein im Leid. Gott ist immer da. Wer gut begleitet wird, kann ihn spüren.