Seit 1995 ist „Magnificat – das Stundenbuch“ mein täglicher Begleiter. Die drei Gebetszeiten mit den Texten der römisch katholischen Kirche zu jedem Tag tun mir einfach gut.
Es ist ein wunderbares Gefühl in einer Gebetsgemeinschaft geborgen zu sein, die geschätzte 40 Millionen Menschen umfasst. Das sind die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der römisch katholischen Kirche weltweit.
Wir alle beten in unseren Zeitzonen und Sprachen jeden Tag ähnliche Gebete und lesen die gleichen Texte – seit bald 2000 Jahren.
Und selbst mit den christlichen Familienmitgliedern, die sich im Laufe der Jahrhunderte von Rom entfernt haben, sind wir bis heute durch die gleichen Gebete zum selben Gott verbunden.
Wenn wir vom Tod sprechen, sprechen wir immer auch vom Leben. Diese Einsicht zieht sich wie ein stiller Faden durch das Denken Viktor E. Frankls – und durch den Vortrag des Biochemikers und Logotherapeuten Edgar Falkner-Groier, den er unter dem Titel „Tod: Motor des Lebens – Trauer: Tochter der Liebe“ beim Viktor Frankl Zentrum Wien regelmäßig hält.
Der Mensch, so Falkner-Groier, ist sich seiner eigenen Endlichkeit bewusst – und genau darin liegt seine Würde. Seit der „Vertreibung aus dem Paradies“, diesem großen biblischen Bild für die Erkenntnis von Gut und Böse, weiß der Mensch, dass sein Leben endlich ist. Doch gerade diese Erkenntnis treibt ihn dazu an, Sinn zu verwirklichen. Der Tod wird damit – paradoxerweise – zum Motor des Lebens.
Frankl nannte die Vergangenheit den „Raum des Unvergänglichen“. Denn alles, was wir getan, geliebt, erlitten oder geschenkt haben, bleibt dort aufgehoben – „unverlierbar“, wie er sagte. Unsere Lebensgeschichte ist keine Linie, die in den Tod läuft, sondern eine Scheune voller gelebter Bedeutung. In dieser Sichtweise verliert der Tod seinen Stachel. Er zwingt uns, verantwortlich zu leben – und das Leben zu lieben, gerade weil es vergeht.
Trauer als verwandte Form der Liebe
Im zweiten Teil seines Vortrags spricht Falkner-Groier von der Trauer – und nennt sie „Tochter der Liebe“. Denn nur wer liebt, kann trauern. Und jede echte Trauer enthält die Möglichkeit, zur Liebe zurückzufinden.
Frühere psychologische Ansätze verstanden Trauerarbeit als ein „Loslassen“ – als Abschluss, nach dem das „normale Leben“ weitergehen sollte. Heute wissen wir: Wer loslässt, darf zugleich halten. Der geliebte Mensch verschwindet nicht aus der Beziehung, er verändert nur die Art, in der er da ist. Frankl formulierte es so: „Bei-Sein ist nicht auf Da-Sein angewiesen.“
Trauer wird so zur Bewegung zwischen Loslassen und Halten, zwischen Schmerz und Liebe. Mit der Zeit wandelt sich die verzweifelte Trauer zur „liebenden Trauer“ – einer neuen Form der Beziehung, die den Verstorbenen ehrt und im Herzen bewahrt.
Und wer glaubt, darf diesen Wandel noch weiter deuten: In einem „Akt des gläubigen Urvertrauens“, sagt Falkner-Groier, können wir auch das Unbegreifliche einem größeren Sinn übergeben – einem „Über-Sinn“, wie Viktor Frankl ihn nannte. Die Liebe, die bleibt, überwindet den Tod.
Der Liedermacher Hubert von Goisern fasst es schlicht: „Liebe kennt nicht den Tod.“
Ein persönlicher Nachklang
In vielen Begegnungen mit Trauernden erlebe ich genau das: Wie Liebe und Verlust keine Gegensätze sind, sondern zwei Seiten derselben Erfahrung. Wenn ein Vater seiner verstorbenen Tochter schreibt, er werde sie im Himmel wiedersehen; wenn eine Witwe beim Kerzenlicht sagt, sie spüre ihren Mann noch immer an ihrer Seite – dann geschieht das, was Falkner-Groier beschreibt: Die Trauer verwandelt sich in Liebe.
Es ist die Liebe, die den Tod überdauert, und der Tod, der uns lehrt, zu lieben.
Quelle: DI Dr. Edgar Falkner-Groier, Tod: Motor des Lebens – Trauer: Tochter der Liebe, Vortrag im Viktor Frankl Zentrum Wien, 2025. Verwendete Literatur: Viktor E. Frankl, Logotherapie und Existenzanalyse (Beltz, 2002); R. Kachler, Meine Trauer wird dich finden (Herder, 2017); E. Lukas, In der Trauer lebt die Liebe weiter (Butzon & Bercker, 2019).
Autor: Harald R. Preyer ist ehrenamtlich Lektor im Wiener Stephansdom, christlicher Begräbnisleiter und Trauerredner. Auf Basis seiner Erfahrung als systemischer Coach und geistlicher Begleiter gestaltet er Begräbnisse und Urnenfeiern als Perlen von Glaube, Hoffnung und Liebe. Seine Auftraggeber sind oft der Kirche fernstehende und ausgetretene Personen, die dennoch Gläubige sind. Persönliche Begegnungen mit Viktor Frankl ab 1983 haben sein Leben mit geprägt.
Zum Gedenktag des hl. Ignatius von Antiochia – Freitag, 17. Oktober 2025
(Welttag gegen Armut und Ausgrenzung)
Lesung aus dem Morgengebet: 1 Petr 1, 6–9
Ihr seid voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müsst. Dadurch soll sich euer Glaube bewähren, und es wird sich zeigen, dass er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist. So wird eurem Glauben Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi. Ihn habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht; aber ihr glaubt an ihn und jubelt in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude, da ihr das Ziel des Glaubens erreichen werdet: euer Heil.
Das Feuer, das reinigt
Manchmal führt das Leben uns durch ein Feuer. Wir verlieren Menschen, Sicherheiten, Träume. Und mitten in der Trauer fragen wir: Warum muss das so weh tun?
Die alten Griechen nannten dieses Durchgehen durch Schmerz Katharsis – Reinigung, Läuterung. In ihren Dramen war das Erleben von Leid kein Selbstzweck, sondern der Weg zu neuer Klarheit, zu Menschlichkeit. Erst wer Tränen zulässt, kann sich verwandeln.
Auch die Bibel spricht in diesem Sinn: Der Glaube ist wie Gold, das im Feuer geprüft wird. Nicht das Feuer zerstört ihn, sondern es bringt seine Reinheit zum Vorschein.
Ignatius – der Gottesträger
Am heutigen Tag erinnert uns die Kirche an Ignatius von Antiochia, einen der ersten Zeugen des Glaubens. Auf seiner schweren Reise in die Gefangenschaft schrieb er Briefe voller Zuversicht. Er nannte sich selbst Theophoros, den „Gottesträger“. Er wusste: Gott verlässt uns nicht im Leid – er trägt uns hindurch.
Trost, der verwandelt
Trauer kann zu einer heiligen Katharsis werden. Nicht, weil der Schmerz an sich gut wäre, sondern weil er das Herz öffnet. Er macht uns empfänglich für das, was bleibt: Liebe, Mitgefühl, Dankbarkeit, Tiefe.
Wenn wir den Mut haben, durch die Trauer zu gehen, anstatt sie zu umgehen, dann geschieht etwas leise Wunderbares: Aus Tränen wächst Frieden. Aus Verlust wächst Liebe. Und aus der Dunkelheit wächst neues Leben.
Trost heißt nicht, den Schmerz zu leugnen – sondern in ihm Gott zu begegnen. Denn Gott ist Liebe. Und Liebe siegt immer.
Erfolg beginnt für mich mit Freude – der Freude darüber, dass ich leben darf und dass mir Zeit und Menschen geschenkt sind.
Aus Freude wächst Dankbarkeit, Dankbarkeit für alles, was gelingt, und für das, was mich lehrt.
Wo Dankbarkeit ist, entsteht Vertrauen – in mich selbst, in andere und vor allem in Gott.
Und aus der Fülle dieses Vertrauens wächst Liebe – Liebe, die nicht besitzen will, sondern freigibt. Die segnet, statt zu bewerten. Die Frieden sucht, nicht Sieg.
Lieben zu können aus der Fülle des Vertrauens in Gott – das ist Erfolg.
Nicht Erfolg, den man sich erarbeitet, sondern Erfolg aus Gnade.
„Bleibt in meiner Liebe – dann bringt ihr reiche Frucht.“ (Joh 15,9–11)
Es gibt eine Stille des Herbstes bis in die Farben hinein. — Hugo von Hofmannsthal (österreichischer Schriftsteller, 1874–1929)
Der Herbst hat eine besondere Art, still zu werden. Nicht abrupt – sondern sanft, fast zärtlich. Die Geräusche werden leiser, die Farben gedämpfter, das Licht milder.
Und manchmal spüren wir, dass diese Stille nicht leer ist, sondern erfüllt – von Erinnerungen, von Dankbarkeit, von dem Wissen, dass alles seine Zeit hat.
• Habe ich heute oder in den letzten Tagen diese Stille des Herbstes gespürt? • Wie wirkt dieses Bild auf mich – beruhigend, beängstigend, traurig?
Vielleicht ist es gerade diese Stille, in der wir Gott am nächsten sind.
Warum ich seit 2022 keinen Alkohol mehr trinke Eine ehrliche späte Entschuldigung an Menschen, die ich liebe von Harald R. Preyer – ehemaliger Alkoholiker
1) Selbstkundgabe
Ich kann mich nicht erinnern, seit meinem 16. Lebensjahr eine Woche ohne Alkohol gelebt zu haben. Ich habe selten selbst gedacht, dass ich betrunken bin. Die Polizei, meine Familie und wirklich gute Freunde waren anderer Meinung. Mehr als 40 Jahre habe ich meiner Familie, meinen Kollegen im eigenen Unternehmen und mir selbst eine schlechte Kopie meiner Persönlichkeit zugemutet.
Eine Notoperation (überraschender Darmkrebs, dessen Anzeichen ich ignoriert habe) in Kiew am 8. Dezember 2019 hat noch immer nicht gereicht, endlich aufzuhören. Erst ein epileptischer Anfall im Sommer 2022 und in Folge ein einwöchiger Krankenhausaufenthalt haben mich bereit für die Botschaft gemacht, die mir gute Freunde seit Jahren gesendet haben: „Hör’ auf, Harald! Es ist schade um Dich!“
Mein langjähriger Freund, der Neurologe Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek, sagte zu mir: „Harald! Du saufst Dir noch Dein Hirn weg!“
Und meine geliebte Ehefrau Yuliya meinte: „Harald, als ich Dich da auf der Bahre der Rettung liegen gesehen habe, wurde mir klar: Ich als zierliche Frau kann Dir mit Deinen über 100 Kilo nicht mehr helfen, wenn so etwas noch einmal passiert. Ich liebe Dich – und ich bin ratlos. Bitte hilf Dir und mir!“
Seit 17. Oktober 2022 trinke ich keinen Alkohol mehr. Es ist kein Kreuz, sondern Befreiung.
Die Gesellschaft, meine Familie und vor allem Yuliya haben mir viel geschenkt – Geschenke, die ich erst seit drei Jahren wirklich als solche erkenne. Ich habe viel wieder gut zu machen. Heute bin ich dankbar für mein Leben, lebe bescheiden, froh, glücklich und frei von jedem Druck.
Es ist eine weit verbreitete und falsche Behauptung, dass ein Alkoholiker immer ein Alkoholiker bleiben wird. Richtig ist aber, dass ich sofort wieder zum Alkoholiker werden würde, wenn ich ein Glas Alkohol trinken würde.
Wenn Du diesen Weg auch gehen willst, ruf mich an. Ich kann Dir vielleicht helfen, endlich wirklich aufzuhören. Jedenfalls werde ich es versuchen – so gut ich kann. Nicht für Geld, sondern als Dank für das Geschenk der völligen Alkohol-Abstinenz, das ich selbst seit drei Jahren jeden Tag erlebe.
2) Was die Forschung heute sagt
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat 2024 ihre Empfehlung grundlegend geändert: Es gibt keine risikofreie Menge Alkohol. Schon ein einziges Glas erhöht das Risiko für Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Leberschäden. Frühere Studien, die kleinen Mengen Wein oder Bier einen gesundheitlichen Nutzen zugeschrieben haben, gelten heute als wissenschaftlich widerlegt.
Das Robert Koch-Institut (RKI) hat in einer großen Befragung gezeigt: Fast ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland trinkt Alkohol in gesundheitlich riskanten Mengen. Männer sind deutlich stärker betroffen als Frauen. Auffällig ist auch, dass gerade höher gebildete Menschen häufiger trinken – oft, weil Alkohol dort als Teil des „guten Lebens“ gilt.
Die Einteilung in Stufen verdeutlicht:
Kein Risiko: nur Abstinenz
Geringes Risiko: bis 2 Standardgetränke pro Woche
Moderates Risiko: 3–6 Standardgetränke pro Woche
Hohes Risiko: mehr als 6
Ein Standardgetränk entspricht 330 ml Bier, 125 ml Wein oder 40 ml Schnaps. Entscheidend ist: Das Risiko steigt mit jedem weiteren Drink.
3) Kritik und Konsequenzen
Suchtforscher warnen davor, dass die Stufen Sicherheit vortäuschen. Manche Menschen bleiben auf einer Stufe stehen und fühlen sich „im grünen Bereich“, obwohl jede Menge Alkohol Schaden anrichten kann. Darum betonen Fachleute: Wirklich sicher ist nur Verzicht.
Auch politisch ist das Thema brisant. Alkohol ist in Österreich und Deutschland leicht und billig verfügbar. Ein Nachtverkaufsverbot in Baden-Württemberg führte nachweislich zu weniger Gewalttaten und Krankenhausfällen – wurde aber wieder abgeschafft. Experten fordern strengere Regeln und höhere Steuern, ähnlich wie bei Tabak.
4) Mein Weg in die Freiheit
Für mich war das Aufhören kein einmaliger Akt, sondern ein Prozess. Ich habe im Abstand von 12 Jahren dreimal versucht, mich vom Alkohol zu verabschieden. In den Jahren 2013 und 2021, weil ich meinen Lieben damit eine Freude machen wollte. Den Abend meines 50. Geburtstags am 3. Mai 2013 habe ich im Anton Proksch Institut im Hof mit einer Zigarette, einer heißen Schokolade aus dem Automaten und mir selbst gefeiert. Zurecht verlassen von meiner damaligen Ehefrau und bemitleidet von meinen drei Kindern. Ich habe damals bereits am ersten Wochenende noch während der Therapie wieder lächelnd ein Glas Weißwein getrunken und bin dann nüchtern wieder am Sonntag Abend im Institut erschienen. Das hat fünf Wochen ganz gut funktioniert und ich habe mir eingeredet, dass ich alles im Griff habe.
Erst im Oktober 2022 war es dann erstmals mein eigener Wunsch wirklich mit Alkohol aufzuhören. Ich habe den Schalter im Kopf umgelegt und gebetet:
Vater! Jetzt will und muss ich wirklich mit diesem Unsinn aufhören. Verzeih mir, dass ich meinen Körper – Deinen Tempel – so lange beleidigt habe. Bitte vergib mir und hilf mir, dass ich es auch für den Rest meines Lebens schaffe, trocken zu bleiben.
Diese vier Schritte haben mir wirklich gut getan:
Wahrheit zulassen. Nicht mehr beschönigen, nicht mehr verdrängen.
Vertraute Menschen einbeziehen. Zwei, drei Freunde, die offen sagen dürfen: „Pass auf dich auf.“
Rituale verändern. Statt den Gläsern Wein am Abend: aufgeschnittene frische Äpfel, Wasser, Tee, Spaziergang, Gebet, Liebe.
Spiritualität stärken. Die Texte der Bibel wirklich bewusst lesen und darüber nachdenken, was sie für mich heute bedeuten.
In den Texten des Magnificat (ein monatlich erscheinendes Stundenbuch für Laien, das ich seit 30 Jahren abonniert habe), im stillen Gebet, in der Eucharistie habe ich eine neue Nüchternheit entdeckt, die Freude schenkt.
Die Bibel drückt es klar aus: „Alles ist erlaubt, aber nicht alles nützt“ (1 Kor 6,12). „Berauscht euch nicht mit Wein; das macht zügellos, sondern lasst euch vom Geist erfüllen“ (Eph 5,18). Und Jesus sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10).
Für mich heißt das: Nüchternheit ist nicht Mangel, sondern Freiheit zur Liebe.
5) Einladung
Vielleicht erkennst du dich wieder in meinen Zeilen. Vielleicht spürst du, dass Alkohol dir mehr nimmt als er gibt. Wenn das so ist, dann ruf mich an. Ich urteile nicht, ich rechne nicht ab. Ich höre zu, begleite und teile, was mir selbst geholfen hat.
Nicht als Geschäft, sondern als Dank. Denn seit drei Jahren darf ich jeden Tag die Erfahrung machen: Die Abstinenz ist kein Verlust, sondern ein Geschenk.
6) Nachklang
Ich hatte mir den 17. Oktober 2025 als Tag markiert, um diesen Artikel zu schreiben.
Ein berührendes Begräbnis, das ich heute gemeinsam mit meinem Freund P. Johannes Paul Abrahamowicz, Priester und Mönch im Stift Göttweig, am Wiener Zentralfriedhof gestalten durfte, hat dazu geführt, dass ich diesen Text schon heute veröffentliche.
P. Johannes Paul hat mir im Auto am Parkplatz vor dem Zentralfriedhof seine neueste Komposition vorgespielt. Ein Lied, das er selbst mit erkälteter Stimme gestern aufgenommen hat:
„Ist mein Leben vorherbestimmt? “ (op. 253)
Als ich diesen Artikel fast fertig geschrieben hatte, kam der wöchentliche Newsletter der ZEIT. Und dort habe ich einen wirklich gut recherchierte Bericht in ZEIT Online vom 30. September 2025 gefunden.
Ich habe mit Hilfe von KI die rund 400 Kommentare der ZEIT-Leserinnen und -Leser analysiert und betroffen festgestellt: Je höher die Bildung, umso höher der Alkoholkonsum. Und: Rund ein Drittel aller Alkoholiker leugnet ihre Sucht, ein Drittel redet sie schön – und ein Drittel gibt sie zu und will aufhören, Alkohol zu trinken.
Ich selbst habe 40 Jahre lang meine Sucht geleugnet und erst im Anton Proksch Institut in Kalksburg erkannt, wer ein Alkoholiker ist:
„Jemand, der Alkohol wegen seiner Wirkung trinkt – und nicht, weil er gut schmeckt.“
Heute weiß ich: Wahrheit befreit. Und Klarheit heilt. Beides ist Gnade.
Den aktuellen Artikel in der Zeit inklusive einer einfachen Selbsteinschätzung und überzeugender Grafiken habe ich hier mit einem Geschenk-Link geteilt. Es kann sein, dass Du Dich kostenlos einmal anmelden musst, wenn Du ihn lesen willst. Der Verlag wird dann vermutlich versuchen, Dich als Abonnent zu gewinnen. Das habe ich auch bei anderen Produkten aus dem ZEIT Verlag erlebt. Es wird aber sofort respektiert, wenn Du einmal auf „Abmelden“ klickst.
Oft höre ich: „Die Menschen wollen keine christlichen Begräbnisse mehr.“ Das stimmt so nicht. Wahr ist: Immer mehr Trauerfeiern werden weltlich gestaltet – weil Angehörige Kontakte zu Priestern verloren haben, die sich Zeit nehmen, zuhören und Rituale verständlich erklären. Dabei erlebe ich, dass viele Menschen gerade im Angesicht des Todes eine Sehnsucht nach Gebet, Trost und Sinn haben. Bedenken sollten wir, dass meist viele der Mitfeiernden keine regelmäßigen Messbesucher sind.
Am Freitag durfte ich in Zwentendorf eine christliche Bestattung leiten. Über 250 Menschen – Familie, Freunde, Nachbarn, Kameradschaftsbund, Jäger, Kollegen – waren gekommen. Die kleine Barbara-Kapelle fasst nur rund zehn Personen, deshalb haben wir die Feier mit Lautsprechern auf den Platz vor dem Friedhof übertragen. So konnten alle mitbeten, zuhören und Anteil nehmen.
Rituale, die tragen
Besonders berührend war, wie die traditionellen Elemente bewusst erlebt wurden:
das Kyrie-Rufen: „Herr, erbarme dich unser. Christus, erbarme dich unser. Herr, erbarme dich unser.“ – aus tiefem Brustton der meisten Mitfeiernden,
das Evangelium: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ (1 Kor 13). Viele kennen diesen einen Satz von Hochzeiten – bei einer Verabschiedung passt er mindestens ebenso gut,
die Fürbitten, eindringlich beantwortet mit „Wir bitten dich, erhöre uns!“,
das Vaterunser, langsam, deutlich und gemeinsam gesprochen,
der Friedensgruß, bei dem sich Menschen umarmten und weinten,
die Einsegnung mit Weihwasser aus dem Stephansdom, Erde und einer roten Rose.
Diese Rituale, in verständlicher Sprache ganz kurz erklärt, haben Herzen berührt und Trost geschenkt. Sie sind keine leeren Formen, sondern Zeichen der Liebe und Hoffnung.
Nachklang
Von meiner Abfahrt in Simmering um 12:00 Uhr bis nach Korneuburg regnete es. Dann hörte der Regen auf. Die Tragseile der Donaubrücke wiesen wie ein Pfeil in den Himmel. Von 12:45 an hielt der Himmel die Wolken zurück – und erst auf meiner Heimfahrt begann es wieder zu regnen.
In radio klassik Stephansdom, das ich über Bluetooth-Internet im Auto hörte, erklang um 12:02 Gustav Mahler: Symphonie Nr. 2 c-Moll „Auferstehungs-Symphonie“, 2. Satz (Andante moderato) mit den Wiener Philharmonikern unter Gilbert Kaplan. Es war, als ob Musik, Himmel und Erde gemeinsam den Weg begleiteten.
Beim Schweinsbraten im Kreis der Angehörigen durfte ich erleben, wie sich Fragen in Dankbarkeit verwandelten.
Meine Lern-Erfahrung
Es stimmt nicht, dass die Menschen weniger religiös geworden sind. Aber sie holen sich Antworten oft außerhalb der Kirche. Ich selbst habe die entscheidenden Antworten auf Fragen nach Leid, Schuld, Vergebung und Liebe von priesterlichen Freunden empfangen – und spüre die Liebe Gottes am stärksten bei einer bewusst gefeierten Hl. Messe.
Vielleicht lade ich deshalb meine Auftraggeber nach einer Bestattung so gerne in den Stephansdom ein – zur Mittagsmesse und anschließend zu meiner besonderen Führung: „Der Stephansdom – eine Liebesgeschichte.“
Kommende Woche darf ich wieder eine Trauerfeier mit einem römisch katholischen Priester gemeinsam gestalten. Darauf freue ich mich sehr.
Die Finsternis geht vorüber, und schon leuchtet das wahre Licht. Wer sagt, er sei im Licht, aber seinen Bruder hasst, ist noch in der Finsternis. Wer seinen Bruder liebt, bleibt im Licht; da gibt es für ihn kein Straucheln.
Gestern habe ich als Vorbereitung für das heutige Fest der Kreuzerhöhung die beiden Lesungen und den Text des Evangeliums auf der Seite von Radio Vatikan studiert. Dort finden sich auch zu jedem Tag Aussagen der Päpste zu Bibelstellen des Tages.
„Brüder und Schwestern, das ist der Weg, der einzige Weg unserer Erlösung, unserer Wiedergeburt und Auferstehung: auf den gekreuzigten Jesus zu schauen. Von jener Höhe aus können wir unser Leben und die Geschichte unserer Völker auf eine neue Weise sehen. Denn vom Kreuz Christi lernen wir Liebe, nicht Hass; lernen wir Mitgefühl, nicht Gleichgültigkeit; lernen wir Vergebung, nicht Rache. Die ausgebreiteten Arme Jesu sind die zärtliche Umarmung, mit der Gott unser Leben annehmen will.“ (Papst Franziskus, Predigt in Nur-Sultan, 14. September 2022)
Heute habe ich am frühen Morgen die Predigt von Pastoralamtsleiter Markus Beranek nachgelesen. Er hat dann im Hochamt im Stephansdom unseren Blick auf das Lettnerkreuz im Mittelgang gerichtet und meinte: „Das Lettnerkreuz hier in der Mitte des Domes aktualisiert diesen Weg Jesu: aus den Trümmern des Dombrandes wurde das Haupt Christi geborgen, der Körper wurde nachgeschnitzt und das Kreuz hat wieder seinen erhöhten Platz an seiner ursprünglichen Stelle gefunden. Für mich ist das ein Ausdruck der Hoffnung, dass auch in unseren unruhigen Zeiten, wo wir jeden Tag von Krieg und Gewalt hören, menschliches Leid, Gewalt und Tod nicht das letzte Wort haben. Die weit ausgebreiteten Arme Jesu sind Ausdruck dafür, dass Jesus die Dynamik der Gewalt durchbrochen hat. Statt neuer Anfeindung und weiterer Kriegserklärungen zieht er alle an sich.“
Nach der Orgelmesse um 12:00 bin ich dann noch einmal in den Altarraum gegangen und habe das Kreuz neben dem Altar von hinten fotografiert. Es war heute besonders schön mit Rosen geschmückt. Und würden wir durch die Rosette dieses Kreuz hindurchsehen, dann würde unser Blick genau auf das Lettnerkreuz fallen.
Am Abend habe ich dann die Predigt von P. Johannes Paul Abrahamowicz OSB nachgehört und transkribiert.
Er meinte sinngemäß: „Vor genau 1700 Jahren, im Jahr 325, ließ Kaiserin Helena der Tradition gemäß in Jerusalem den Ort der Kreuzigung Jesu auffinden. Ihr Sohn Konstantin baute darüber die Grabeskirche, deren Kirchweih am 13. September gefeiert wird. Am Tag darauf, dem 14. September, wurde das Kreuz erhoben – daher das Fest der Kreuzerhöhung.
Das Kreuz ist ein Zeichen des Heils. Schon in der Wüste heilte Gott die Israeliten durch den Blick auf die erhöhte Giftschlange. Heilung geschieht, wenn man demütig Hilfe und Erbarmen annimmt.
Wie Mose die Schlange erhöhte, so wird der Menschensohn erhöht: Das Kreuz, eigentlich ein Zeichen des Zornes, wird zum Zeichen des Heils.
So zeigt sich Gottes Bundestreue:
Liebe, wenn der Mensch treu bleibt.
Erbarmen/Gnade, wenn der Mensch gesündigt hat.
Das Kreuz ist für uns das sichtbare Zeichen dieser Liebe und dieses Erbarmens.“
Evangelium und Predigt von P. Johannes Paul im Originalton:
Bei dieser Predigt kam mir die Idee zum Titel „Heute schon auf die Giftschlange geschaut.“ Klar oder?