Maria als Anfang der Erlösung
Gedanken zum Hochfest der „Ohne Erbsünde empfangene Jungfrau und Gottesmutter Maria“
Montag, 8. Dezember 2025
Was bedeutet „ohne Erbsünde empfangen“ wirklich?
Zwei Predigten – in Göttweig und im Stephansdom – zeigen uns heute, dass es nicht um Biologie geht, sondern um das größte Geschenk Gottes: Freiheit in Freundschaft mit ihm.
Beide Predigten habe ich so gut ich konnte sinngemäß übertragen.
Du wirst nicht zweifeln
Evangelium und Predigt von P. Johannes Paul Abrahmowicz OSB gehalten in der Krypta der Siftskirche von Göttweig.
Weil heute so viele Kinder da sind, möchte ich meine Gedanken ein bisschen umdrehen.
Schaut euch die Kinder an: Sehen sie ihren Eltern nicht ein bisschen ähnlich?
Das ist ganz normal – und genau so hat Gott gedacht.
Wenn Gott seinen Sohn auf die Erde schickt, geboren von einer Frau – ganz Mensch und zugleich Gottes Sohn –
dann wird dieses Kind seiner Mutter ähnlich sein.
Von Jesus sagen wir, dass er Maria wirklich ähnlich gesehen hat.
Aber es geht nicht nur um das Äußere.
Wir alle werden geprägt von den Menschen, die uns erziehen – meistens von unseren Eltern.
Und so hat Gott gesagt:
„Ich will, dass die Mutter meines Sohnes nie an mir zweifelt.
Ich will, dass Jesus – als Mensch – nie an meiner Güte zweifelt.“
Darum hat Gott Maria, im Augenblick ihrer Empfängnis, eine besondere Gnade geschenkt:
dass sie nie an Gott zweifelt.
Denn: Der Zweifel an Gott, an seiner Liebe, ist der Ursprung jeder Sünde. Also hat sie die „Ursünde“ nie gehabt.
Darum sagen wir:
Maria war ohne Erbsünde empfangen.
Nicht, weil sie „mehr“ wäre als wir – sondern weil Gott wollte, dass die Mutter seines Sohnes ein Herz hat, das völlig offen ist für ihn.
Vielleicht können wir das so verstehen:
Stellt euch vor, eure Mütter oder Väter würden nie an Gott zweifeln.
Zu Hause wäre ein Wunder nach dem anderen.
Aber wir sind Menschen – und Gott sei Dank sind unsere Zweifel meist klein.
Darum sind auch unsere Lieblosigkeiten klein, und man kann sich oft mit einem Blick oder ein paar Worten wieder versöhnen.
Heute schließen wir alle ein, die größere Lieblosigkeiten tun –
oft, weil sie an der Liebe Gottes zweifeln.
Wir sind – wie Maria – von diesem Zweifel befreit,
aber bei uns geschieht das durch die Taufe.
Bei Maria geschah es schon am Anfang, bevor Jesus überhaupt durch seinen Tod und seine Auferstehung das Geschenk der Taufe gestiftet hat.
Lasst uns also weiterleben in diesem Vertrauen:
Dass wir möglichst wenig – es wird nie hundertprozentig gelingen –
aber doch möglichst wenig zweifeln,
dass Gott uns wirklich liebt,
dass seine Allmacht Liebe ist,
dass seine Liebe stärker ist als der Tod,
und dass wir uns letztlich vor nichts fürchten müssen.
Denn sobald wir uns fürchten,
zweifeln wir schon wieder ein bisschen an seiner Liebe.
Er verzeiht uns – weil es uns liebt.
Amen.

Freiheit, für die wir geschaffen sind
Für Univ.-Prof. Dr. Thomas Möllenbeck, Domkurat in St. Stephan war das Hauptthema heute die „Freiheit“. Er meinte in der Orgelmesse um 12:00 Uhr sinngemäß:
Ich habe in Münster bei einem bekannten Professor für Kirchengeschichte studiert, der in Prüfungen sehr heftig werden konnte. Die wichtigste Warnung an die Studierenden lautete deshalb:
„Verwechsele niemals die Immaculata Conceptio!“
Denn viele Erstsemester dachten, es gehe dabei um die jungfräuliche Empfängnis Jesu. Doch die unbefleckte Empfängnis meint etwas anderes: nicht ein naturwissenschaftliches Wunder, sondern ein Wunder der Freiheit.
Maria erhielt von Gott im ersten Augenblick ihres Daseins eine besondere Gnade: Sie konnte ihre Freiheit immer in Freundschaft mit Gott gebrauchen. Sie ist die einzige Frau der Menschheitsgeschichte, die das dauerhaft konnte. Das Tagesgebet sagt: Gott hat sie „im Vorhinein erlöst“ durch das, was in Jesus Christus geschehen ist – durch seine Geburt, sein Leben, seine Predigt, sein Leiden und seinen Tod, seine Auferstehung und die Sendung des Heiligen Geistes. Weil Gott über der Zeit steht, konnte diese Erlösung an Maria wirken, bevor Jesus überhaupt geboren war.
Die erste Lesung zeigt das Gegenteil dieser Freiheit: Adam und Eva, die Gottes Gebot missachten, sich schämen, Ausreden suchen und die Schuld abschieben. Das beschreibt eine Freiheit, die sich gegen Gott stellt und die Nähe des Freundes verliert. Die Vertreibung aus dem Paradies zeigt genau diesen Zustand der Menschen, die nicht mehr unmittelbar in Gottes Gegenwart leben.
Auch wir werden in eine Welt hineingeboren, in der Gott nicht unmittelbar erfahrbar ist, und deshalb missbrauchen wir unsere Freiheit immer wieder, trotz aller Bemühungen. Doch die „frohe Botschaft“ bleibt: Der Epheserbrief sagt, dass wir in Christus „auserwählt sind, heilig und makellos zu leben“.
Paulus schreibt:
„Der Herr ist der Geist; und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“
Erst wenn wir vom Geist Gottes bestimmt sind, wird unsere Freiheit wirklich frei. Dieser Geist verwandelt uns „von Herrlichkeit zu Herrlichkeit“ in die Gestalt Christi.
Das christliche Leben besteht also darin, Schritt für Schritt jene Freiheit zu erlernen, die Maria von Anfang an besaß. Gott kennt uns vor aller Zeit und weiß, wer sich auf seine Einladung einlässt. Wenn wir wie Maria sagen: „Mir geschehe nach deinem Wort“, wächst in uns die Freiheit, für die wir geschaffen sind.
