Schlagwort: Wahrheit

  • Ich liebe Gott

    So jemand spricht: „Ich liebe Gott“,
    und hasst doch seine Brüder,
    der treibt mit Gottes Wahrheit Spott
    und reißt sie ganz darnieder.
    Gott ist die Lieb und will, dass ich
    den Nächsten liebe gleich als mich.

    Wer dieser Erde Güter hat
    und sieht die Brüder leiden
    und macht die Hungrigen nicht satt,
    lässt Nackende nicht kleiden,
    der ist ein Feind der ersten Pflicht
    und hat die Liebe Gottes nicht.

    Wer seines Nächsten Ehre schmäht,
    und gern sie schmähen höret,
    sich freut, wenn sich sein Feind vergeht,
    und nichts zum Besten kehret;
    nicht dem Verleumder widerspricht,
    der liebt auch seinen Bruder nicht.

    Wir haben einen Gott und Herrn,
    sind eines Leibes Glieder;
    drum diene deinem Nächsten gern;
    denn wir sind alle Brüder.
    Gott schuf die Welt nicht bloß für mich,
    mein Nächster ist sein Kind wie ich.

    Christian Fürchtegott Gellert 1757

  • Gott hat ein Gesicht

    „Götter haben viele Gesichter, aber wahre Göttlichkeit hat kein Gesicht“, heißt es in einer taoistischen Meditation. Der Satz will trösten, will Vielfalt ehren – doch er lässt uns am Ende im Ungefähren zurück.

    Jesus Christus sagt etwas anderes.

    „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ (Joh 14,9)

    Gott bleibt nicht im Nebel. Er tritt hervor – mit einem Gesicht, mit Augen, die weinen können, mit Händen, die berühren. Mit einem Herzen, das liebt bis ans Kreuz.

    Die Weltreligionen kennen viele Bilder von Gott. Die Bibel aber kennt nicht nur Bilder, sondern Begegnung. Nicht nur ein Ahnen, sondern ein Antworten.

    Jesus nennt Gott nicht „das Absolute“ oder „das Formlose“. Er nennt ihn Vater – und lädt auch uns ein, ihn so zu nennen:

    „Abba!“ – Papa. (Mk 14,36)

    Wer trauert, sucht keine Philosophie. Wer leidet, will kein Prinzip.

    Er oder sie sehnt sich nach Nähe. Nach einem Blick, einer Stimme, einer Umarmung.

    „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ (Joh 14,6)

    Jesus zeigt uns den Weg – und er ist der Weg und die Liebe.

    Nicht anonym. Nicht verschwommen. Sondern ganz Mensch. Ganz Gott.

    Mit einem Gesicht.