Schlagwort: Trost

  • Wie Liebe Trauer verwandelt

    Gedanken von Harald R. Preyer nach der Generalaudienz von Papst Leo XIV., 15. Oktober 2025

    Papst Leo XIV. hat in seiner heutigen Katechese etwas ausgesprochen, das mich tief berührt:

    Der Auferstandene ist die Quelle, die niemals versiegt.

    Er sagt nicht: Wir sollen an die Auferstehung glauben – er sagt: Sie geschieht mitten unter uns. Christus ist nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart. Er ist das lebendige Wasser, das unseren Durst stillt, wenn das Leben uns austrocknet.

    Als ich diese Worte heute Mittag im Auto hörte, musste ich an die vielen Hinterbliebenen denken, die ich in den letzten Monaten besucht habe.

    Einige von ihnen freuen sich schon jetzt auf das Wiedersehen mit ihren vorausgegangenen Familienmitgliedern – an einem Ort, den keiner kennt und den noch nie ein Mensch gesehen hat.
    In solchen Gesprächen wandelt sich Trauer oft überraschend schnell in Dankbarkeit – und manchmal sogar in leise Freude.

    Andere hingegen tun sich schwer, auf meine Frage eine tröstende Antwort zu finden: „Was glauben Sie – wo ist der liebe Verstorbene jetzt?“

    Oft höre ich dann: „Er lebt in unseren Herzen weiter.“

    Das ist ehrlich, und es ist menschlich. Aber ich denke mir oft: Das wäre mir zu wenig. Denn wenn der letzte Mensch gestorben ist, der sich erinnert – ist der Verstorbene dann wirklich für immer verschwunden? „Mausetot“, wie es der Herzogenburger Probst Petrus Stockinger heuer im Frühjahr gesagt hat.

    In meinen Trauerreden bemühe ich mich deshalb, jene Hoffnung zu vermitteln, die uns Christen der Glaube an den auferstandenen Christus schenkt. Sie verwandelt die bloße Erinnerung unserer Herzen in die Vorfreude auf das Wiedersehen. Natürlich ändert das nichts am Schmerz, den Trauernde im Moment erleben. Aber diese Hoffnung ist ein Licht am Ende des Tunnels – ein Ziel, auf das wir zugehen können.

    Denn durch Christus dürfen wir glauben: Das Leben endet nicht im Vergessen, sondern wird vollendet in der Liebe Gottes – dort, wo keine Trennung mehr ist.

    Wo Liebe spürbar wird

    Erstaunlich ist für mich immer wieder, dass gerade Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, diese Botschaft mit großem Wohlwollen annehmen.

    Vielleicht, weil sie in dieser Form schon lange nicht mehr – oder vielleicht noch nie – über die Liebe nachgedacht haben.
    Und doch ist Gott genau das: die Liebe selbst.

    Mir erzählen Menschen immer wieder, warum sie aus der Kirche ausgetreten sind und einige Gründe kann ich nachvollziehen und verstehen. Ich habe aber noch nie einen (trauernden) Menschen erlebt, der sich gegen die Liebe ausgesprochen hat.

    Viele Angehörige nehmen gerne meine Einladung zu einer kleinen Führung „Der Stephansdom – eine Liebesgeschichte“ an. Ich bin kein Domführer – ich bin Lektor, Ministrant, und vor allem ein gläubiger Mensch, der diesen Ort liebt. Ich zeige ihnen Plätze, an denen ich selbst immer wieder die Gegenwart Gottes spüre – die stille, tröstende, zärtliche und manchmal überwältigende Liebe des Auferstandenen.

    Und die Trauernden sind mir danach dankbar.
    Nicht, weil sie eine kunsthistorische Führung erlebt hätten,
    sondern weil sie – mitten in der Stille, im Gebet, in einem Lichtstrahl, in einem Augenblick des Friedens – die Nähe des lieben Verstorbenen gespürt haben.

    Nicht im Kopf, sondern im Herzen.
    Nicht in Worten, sondern in der Liebe.

    Vielleicht ist genau das Auferstehung:
    Dass wir – mitten im Leben, mitten in der Trauer – wieder lernen zu spüren, wie Liebe das Letzte ist, was bleibt.
    Und das Erste, das neu beginnt.


    Harald R. Preyer ist systemischer Coach, geistlicher Begleiter und christlicher Trauerredner in Wien.

  • Stille des Herbstes

    Es gibt eine Stille des Herbstes bis in die Farben hinein.
    — Hugo von Hofmannsthal (österreichischer Schriftsteller, 1874–1929)

    Der Herbst hat eine besondere Art, still zu werden.
    Nicht abrupt – sondern sanft, fast zärtlich.
    Die Geräusche werden leiser, die Farben gedämpfter, das Licht milder.

    Und manchmal spüren wir, dass diese Stille nicht leer ist,
    sondern erfüllt – von Erinnerungen, von Dankbarkeit,
    von dem Wissen, dass alles seine Zeit hat.

    • Habe ich heute oder in den letzten Tagen diese Stille des Herbstes gespürt?
    • Wie wirkt dieses Bild auf mich – beruhigend, beängstigend, traurig?

    Vielleicht ist es gerade diese Stille,
    in der wir Gott am nächsten sind.

  • Im Schatten des Todes

    „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe,
    um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsre Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens.“
    (Lk 1,78–79)

    Das Benedictus – ein Gebet der aufgehenden Sonne

    Jeden Morgen betet die Kirche das sogenannte Benedictus, den Lobgesang des Zacharias (Lk 1, 68–79). Es ist eines der drei großen Tagesgebete der Kirche – neben dem Magnificat am Abend und dem Nunc dimittis zur Nacht. Seit Jahrhunderten begleitet dieses Morgengebet Mönche, Priester und Laien durch den Beginn des Tages.

    Das Licht fällt in die obere Sakristei im Wiener Stephansdom

    Das Licht fällt in die obere Sakristei im Wiener Stephansdom

    Der alte Zacharias, der Vater Johannes des Täufers, stimmt dieses Lied an, als sein Sohn geboren wird. Er erkennt darin, dass Gott sein Volk nicht verlässt, sondern mit „aufstrahlendem Licht“ aus der Höhe kommt – eine frühe Ankündigung von Jesus, dem kommenden Retter. Die zitierten Zeilen beenden das Benedictus.

    Ein Licht im Schatten des Todes

    Gerade in Zeiten der Trauer klingt dieser Text wie ein Versprechen: Auch wenn wir im „Schatten des Todes“ sitzen, bricht das Licht Gottes durch. Das Bild erinnert an einen Sonnenaufgang: Zuerst ist es noch dunkel, doch langsam legt sich ein Schimmer über die Erde, bis der Tag leuchtet.

    Für Trauernde kann dieser Gedanke ein Trost sein. Denn das Benedictus sagt: Die Finsternis bleibt nicht das Letzte. Der Tod ist nicht Endstation. Das Licht kommt uns entgegen, und es will unsere Schritte auf den Weg des Friedens lenken – auch dann, wenn wir uns verloren fühlen.

    Impuls

    Für mich ist das Benedictus nicht nur Teil meines Morgengebetes, sondern vor allem beim Schreiben sehr persönlicher Trauerreden ein inspirierender Begleiter geworden. Wenn wir einen geliebten Menschen verabschieden, sind wir oft sprachlos. Was soll man sagen, wenn ein Leben zu Ende geht? Das Benedictus schenkt uns eine Sprache: Wir dürfen hoffen, dass das Licht Gottes uns und den Verstorbenen umfängt.

    Vielleicht können wir uns das so vorstellen: Die Schritte, die jetzt schwerfallen, weil ein Mensch fehlt, werden doch getragen. Das Licht aus der Höhe führt uns – nicht zurück ins alte Leben, sondern weiter, auf einen Weg, der Frieden verheißt.

    So bleibt die Zusage: Gottes Barmherzigkeit wird uns besuchen. Nicht irgendwann, sondern schon jetzt – mitten in der Dunkelheit.

  • Kondolieren

    „Das Geheimnis, tausend Hände am Tag schütteln zu können, besteht darin, selbst zu schütteln, nicht schütteln zu lassen.“

    Anna Eleanor Roosevelt (amerikanische Menschenrechtsaktivistin und Diplomatin sowie Ehefrau des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, 1884–1962)


    Oft tun mir die Witwen und Witwer leid, die nach einer hoffnungsfrohen schönen Abschiedsfeier die vielen Beileidsbekundigungen am offenen Grab ertragen müssen. Das monotone „Mein Beileid“ führt eher zu mehr Leid.

    Kondolieren (lat., condolar = Mit-Leiden) ist alte Sitte und gut gemeint. Wie viel hilfreicher ist ein Anruf, ein Besuch in den ersten Tagen des Alleinsein – und wenn es nur eine stille Umarmung ist, die von Herzen kommt.

    Jeder Mensch ist anders. Deshalb bespreche ich mit den engen Hinterbliebenen im Vorgespräch, welche Form des Kondolierens ihnen gut tut.

  • Stoppelfeld und Scheune

    Wir stehen heute vor einem Stoppelfeld.
    Das Leben, das uns so vertraut war, ist geerntet.
    Wir sehen die Leere, die uns bleibt – und wir spüren den Schmerz der Vergänglichkeit.

    Nicht nur das leere Feld zählt, sondern auch die vollen Scheunen und die stehen gebliebenen Pflanzen.
    Alles, was gelebt wurde, alles Gute, jede Spur der Liebe – es ist nicht verloren. Es ist eingebracht in die Scheunen der Vergangenheit, und in Gottes Erinnerung ist es für immer aufgehoben.

    Jesus selbst sagt:
    „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.“ (Joh 12,24)
    So dürfen wir glauben: Der Tod ist nicht Ende, sondern Vollendung.

    Das Stoppelfeld zeigt uns die Vergänglichkeit –
    die vollen Scheunen zeigen uns die Ewigkeit.

    Und darin liegt unser Trost:
    Die Liebe bleibt.
    Die Seele lebt.
    Das Wiedersehen kommt.
    In Gottes Zeit.

  • Der Abend kommt

    Der Abend kommt, die Nacht zieht Kreise,
    und immer schwächer wird das Licht.
    Der Tag ist müde, legt sich schlafen,
    und Morgen ist noch nicht in Sicht.
    Doch fängt das Dunkel uns auch ein,
    Gott wird ganz sicher bei uns sein.

    Wenn wir in höchsten Nöten leben,
    in tiefster Nacht das Ende sehn,
    wenn nichts und niemand mehr uns tröstet,
    wird Gott uns doch zur Seite stehn.
    In jeder Finsternis, die droht,
    ist Gott bei uns, teilt unsre Not.

    In allen Ängsten, jeder Leere,
    ist Gott bei uns und hüllt uns ein.
    Wenn Dunkelheit auch lange dauert,
    wird Gott noch länger bei uns sein,
    und jeder Nacht, die auch anbricht,
    schreibt Gott die Hoffnung ins Gesicht.

    Gott nimmt uns zärtlich in die Arme,
    in jedem Menschen, der uns liebt,
    in jedem Wort, das uns begleitet,
    in jedem Blick, der Aussicht gibt.
    Denn allen Sorgen dämmert Gott
    und weckt uns auf im Morgenrot.

    Text: Thomas Laubach, Musik: Karl-Bernhard Hüttis, aus: Ruhama-Chorbuch, erweiterte Auflage, 2009, alle Rechte im tvd-Verlag Düsseldorf – GL 704 (Anhang Hamburg, Hildesheim, Osnabrück)

  • Die Liebe trägt

    Die Liebe trägt – auch im Sturm

    Das Wasser steht oft für das Ungewisse. Für Tod und Neubeginn. Für Zeiten, in denen uns der Boden unter den Füßen weggezogen wird – und wir nicht wissen, ob wir noch schwimmen oder schon untergehen.

    Eine alte Geschichte erzählt von einem Mann, der mitten im Sturm fast versinkt. Erst als er den Blick hebt – und der Liebe vertraut – wird er gehalten.

    Vielleicht ist das auch unsere Erfahrung:
    Nicht auf die Angst starren. Nicht auf das, was uns überrollt.
    Sondern auf das, was uns trägt.
    Auf die Liebe, die bleibt.

    Solange wir auf die Liebe schauen, gehen wir nicht unter.

    Und dann – mitten im Gegenwind – der leise Trost:
    Du bist nicht allein.

  • Stark wie der Tod ist die Liebe

    Stark wie der Tod ist die Liebe, die Leidenschaft ist hart wie die Unterwelt. Ihre Gluten sind Feuergluten, gewaltige Flammen. Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen; auch Ströme schwemmen sie nicht weg. Böte einer für die Liebe den ganzen Reichtum seines Hauses, nur verachten würde man ihn.

    Hld 8, 6b–7

    Diese Worte stammen aus einem der ältesten Liebeslieder der Bibel – entstanden rund 300 Jahre, bevor Paulus seine berühmte Hymne schrieb: „Die Liebe hört niemals auf.“ (1 Kor 13)

    Das Hohelied sagt es mit Bildern:
    Feuer. Glut. Wasser, das sie nicht löschen kann.

    Die Liebe bleibt – auch über den Tod hinaus.
    Wer sie gespürt hat, weiß das.

  • Du Seele meines Betens

    Ich steh vor dir in Leere, arm und bang,
    fremd ist dein Name, spurlos deine Wege.
    Du bist mein Gott, Menschengedenken lang –
    Tod ist mein Los, hast du nicht andern Segen?
    Bist du der Gott, der meine Zukunft hält?
    Ich glaube, Herr, was stehst du mir dagegen.

    Mein Alltag wird von Zweifeln übermannt,
    mein Unvermögen hält mich eingefangen.
    Steht denn mein Name noch in deiner Hand,
    hält dein Erbarmen leise mich umfangen?
    Darf ich lebendig sein in deinem Land,
    darf ich dich einmal sehn mit neuen Augen?

    Sprich du das Wort, das mich mit Trost umgibt,
    das mich befreit und nimmt in deinen Frieden.
    Öffne die Welt, die ohne Ende ist,
    verschwende menschenfreundlich deine Liebe.
    Sei heute du mein Brot, so wahr du lebst –
    Du bist doch selbst die Seele meines Betens.

    Text: Huub Oosterhuis (Übersetzung: Alex Stock), aus: Huub Oosterhuis, Solang es Menschen gibt auf Erden, 60, © 2023 Verlag Herder GmbH, Freiburg i. Br. – Melodie: GL 422 · GL 1975 621 · KG 544 · EG 382
    gefunden in Magnficat – das Stundenbuch am 3.7.2025, Abendgebet

  • Gibt es Gott? – Was wir in der Trauer wissen wollen

    Gibt es Gott? Diese Frage stellt sich früher oder später jeder Mensch. Dr. Johannes Hartl, Theologe und Philosoph, bringt es in einem Gespräch auf den Punkt:

    „Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“

    Hartl erklärt: Die Ordnung und Logik des Universums, unsere Fähigkeit zu denken und zu fragen, deuten darauf hin, dass es einen Urheber dieser Welt gibt. Das Universum sei kein reines Zufallsprodukt, sondern trage in seiner Gesetzmäßigkeit Spuren einer höheren Vernunft.

    Warum das Leiden uns zweifeln lässt

    Das stärkste Argument gegen Gott ist für Hartl das Leid in der Welt. Doch er sagt auch: Ohne Gott wird das Leiden nicht kleiner, sondern wir verlieren eine Quelle von Trost und Sinn.

    Wir sehen nur einen kleinen Ausschnitt unseres Lebens. Vielleicht hat Gott Gründe, warum er eine Welt mit der Möglichkeit von Leid erschafft – weil er uns Freiheit schenkt und Leben ermöglicht, das nicht nur von außen gesteuert ist.

    Religiöse Erfahrung – Ein Hinweis?

    Hartl verweist auf ein einfaches Bild:

    „Wir hätten keinen Durst, wenn es kein Wasser gäbe.“

    So könnte auch unser Sehnen nach Gott ein Hinweis darauf sein, dass es ihn gibt. Religiöse Erfahrungen sind Teil der Menschheitsgeschichte und geben vielen Menschen Halt.

    Glaube als Fundament

    Glaube ist kein mathematischer Beweis, sondern eine Entscheidung:

    • Lebe ich so, als wäre alles nur Zufall?
    • Oder lebe ich in dem Vertrauen, dass mich ein liebender Gott gewollt hat?

    Der Glaube, so Hartl, sei „die grundlegendste Einstellung, die unser Leben trägt.“

    Was bedeutet das für Trauernde?

    In Momenten des Abschieds kann diese Frage besonders drängen. Das Gespräch mit Dr. Hartl lädt dazu ein, Trost zu finden in der Möglichkeit, dass Gott existiert, uns kennt und trägt – gerade im Leid und in unserer Suche nach Sinn.


    🎥 Das Video ansehen:

    ➡️ Gibt es Gott? – mit Dr. Johannes Hartl (KIRCHE IN NOT)