Schlagwort: Trauerredner

  • Dankbarkeit und Trauer

    Wege durch die Zerstörung

    Trauer ist mehr als Schmerz. Dankbarkeit ist mehr als ein „Danke“. Der Philosoph Jonathan Lear beschreibt, wie beide Haltungen zusammenfinden – und wie daraus Hoffnung wächst, selbst angesichts von Krisen und Verlusten.


    Trauer als Kraft

    Trauer bedeutet, Verluste wahrnehmen und ertragen zu können.
    Jeder von uns kennt Abschiede und Enttäuschungen. Trauer ist dabei nicht nur Schmerz – sie ist auch die Fähigkeit, trotz Verlust weiterzugehen.


    Die Realität ist steinhart. © Eva Jauss für DIE ZEIT

    Dankbarkeit als Haltung

    Dankbarkeit zeigt uns: Wir verdanken uns anderen, wir haben uns nicht selbst geschaffen.
    Wenn wir als politische Tiere der Gesellschaft unsere besten Fähigkeiten als Bereicherung geben, so entsteht Dankbarkeit – ob man nun an eine gute Schöpfung Gottes glaubt oder nicht.

    Dankbarkeit macht frei, anderen etwas zu geben, ohne Gegenleistung zu erwarten. Sie öffnet Zukunft.


    Hoffnung trotz Zerstörung

    Ich bin angesichts der Zerstörungen kein Optimist. Aber mir ist eine radikale Hoffnung vertraut, die aus dem Fokus auf Dankbarkeit entspringt.

    Optimismus kann naiv wirken. Hoffnung dagegen ist widerständig – sie trägt selbst dann, wenn vieles verloren scheint.


    Was bleibt

    In der Trauer spüren wir die Endlichkeit. Doch wir können zugleich dankbar sein für das, was uns geschenkt wurde. Aus dieser Dankbarkeit wächst Hoffnung, die tiefer trägt als jeder schnelle Trost.

    Die Liebe bleibt.
    Die Erinnerung bleibt.
    Die Hoffnung bleibt.


    Quellenhinweis

    Foto: Die Realität ist steinhart. © Eva Jauss für DIE ZEIT

    Das gesamte Interview mit Jonathan Lear können Sie in der ZEIT Ausgabe 35/2025 mit diesem Geschenk-Link nachlesen.


    Über Jonathan Lear

    Der Mensch
    Geboren 1948 in New York, promovierte er über Aristoteles, ist heute Professor für Philosophie an der Universität Chicago und praktiziert als Psychoanalytiker.

    Die Bücher
    Sein Buch Radikale Hoffnung erschien 2020 bei Suhrkamp. Sein jüngstes Werk liegt auf Englisch vor: Imagining the End (Harvard University Press, 2022).

  • Der Tod geht mit der Zeit

    Auch knapp sieben Jahre nach seinem Erscheinen ist dieser Artikel eine Fundgrube für Vieles, das sich in Wien – und nicht nur hier – an der Bestattungskultur verändert hat.

    Als christlicher Trauerredner spüre ich allerdings auch eine große Sehnsucht der Angehörigen nach bleibendem Trost. Es ist noch gar nicht lange her, dass kirchliche und weltliche „Verabschieder“ kurz vor dem letzten Weg die Angehörigen um eine nette Geschichte aus dem Leben des lieben verstorbenen Menschen gebeten haben und dann aus dem Zusammenhang gerissen, diese Geschichte in der Aufbahrungshalle in ihre Standardreden eingebaut haben.

    Heute ist es bei guten Trauerredner üblich, die Angehörigen wenigstens ein paar Tage vor der Einsegnung zu besuchen und in einem einfühlsamen Gespräch zu spüren, was den lieben verstorbenen Menschen ausgemacht hat. Dann gelingt es auch, bei der Trauerrede die Zeit anzuhalten und ein letztes Mal den Toten in Gedanken lebendig zu erleben. Dieser großartige Mensch ist uns vorausgegangen und richtet schon eine Wohnung für uns her. Niemand weiß, wo diese neue Heimat sein wird und niemand weiß, wann und wie wir uns dort wiedersehen werden. Bis dahin können wir uns beim Friedensgruß nach dem Vater Unser umarmen und dürfen dankbar sein für die Freunde, die uns begleiten und für Gott, der uns liebt.

    Und am Wiener Zentralfriedhof hören wir manchmal leise den Chor unserer Lieben singen: „Wir sind nicht tot. Wir sind bei Gott. Auf Wieder-Sehen!“

  • Gebete eines Trauerredners

    Hymnus

    Jesus, Sohn Davids,
    erbarme dich meiner.
    Erleuchte du meine Augen,
    dass ich den Weg zu dir finde.

    Mach du meine Schritte fest,
    dass ich vom Weg nicht abirre.

    Öffne du meinen Mund,
    dass ich von dir spreche.

    Du willst, dass ich meine Mitmenschen liebe.
    Lass mich ihnen so dienen,
    dass sie ihr Heil finden
    und in deine Herrlichkeit gelangen.


    Alkuin, † 804, GL 1975 6, 5