Schlagwort: Sehnsucht

  • Einladen statt diskutieren

    Was halten wir davon, Außenstehende zum Mitfeiern in die Messe einzuladen statt mit ihnen über Kirche zu diskutieren?

    Menschen haben die Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit, Orientierung und Angenommensein in Gemeinschaft. Genau das erleben Menschen zum Beispiel in der 12:00 Uhr Messe im Stephansdom jeden Tag. Ich habe schon viel Bekannte und Freunde dazu eingeladen. Einige kommen seither immer wieder und mit Freude. Andere sagen, das sei ihnen zu feierlich. (Und manche sehe ich dann irgendwann im stillen Gebet vor der Dienstboten Muttergottes sitzen oder eine Kerze vor dem Maria Pócs Altar anzünden). Und wieder andere sagen mir: Danke! Das war schön aber ich gehe doch lieber am Sonntag wandern. Alles fein. Gott ist dort, wo Menschen Liebe spüren.

    Über Formvorschriften, Zölibat, Liturgie, Statistik und ähnliche „Elfenbein-Themen“ können wir dann unter „Allfälliges“ reden, wenn uns nach vielen Gesprächen mit bisher fernstehenden Menschen noch Zeit dazu bleibt.

    Ist Österreich noch ein katholisches Land?

    Ist Österreich noch ein katholisches Land?

    Katholisches Österreich, das war einmal? Die soeben veröffentlichten Zahlen zeigen: Zum ersten Mal ist der Anteil der Katholiken in Österreich unter 50 Prozent gerutscht. Wen kümmert das?

    Mich als kleinen Lektor im Stephansdom kümmert das. Sehr sogar. Und deshalb habe ich zu diesem Artikel einen Kommentar geschrieben, der von der Online Reaktion auch hervorgehoben wurde. Artikel und Kommentar sind mit einem Geschenk-Link verknüpft.

  • Geborgenheit

    Es gibt ein Wort in unserer Sprache, das sich nicht übersetzen lässt – weil es mehr meint als Schutz, mehr sagt als Sicherheit, und tiefer reicht als jedes greifbare Gefühl.

    Ein Wort wie ein warmer Mantel.
    Wie ein stilles Licht im Innersten.
    Es bedeutet:
    Ich bin gehalten –
    nicht, weil alles gut ist,
    sondern weil ich nicht allein bin.

    Geborgenheit spüren wir,
    wenn eine Hand unsere hält,
    wenn ein Blick sagt: Du darfst sein.
    Wenn der Tod uns trennt –
    und wir dennoch glauben dürfen,
    dass die Liebe nicht endet,
    sondern trägt.

    Geborgen ist,
    wer vertraut –
    in den Anderen,
    ins Leben,
    in Gott.

    Geborgen ist,
    wer nicht mehr kämpfen muss,
    weil er angekommen ist.

    Geborgen ist,
    wer liebt.
    Und wer sich lieben lässt.


    Zu diesem Text hat mich das Buch meines Freundes Carl Achleitner „Das Geheimnis eines guten Lebens“ inspiriert. Es erschien 2020 im Verlag edition a, Wien. Carl beschreibt in einer berührend authentischen Sprache seine eigene Kindheit und seine Erlebnisse als Trauerredner. „Geborgenheit“ ist das Gefühl, das die meisten Menschen im Angesicht des Todes ersehen.


    Ein zentrales Lebensgefühl

    Mit dem deutschen Wort „Geborgenheit“ meinen wir weit mehr als bloße Sicherheit: Es ist ein tiefes, emotionales Wohlgefühl – ein Zustand von Nähe, Wärme, innerer Ruhe und Frieden. Es meint, getragen zu sein, angenommen und geschützt – und es ist mehr als der Schutz vor Verletzung.

    Dieses Wort gilt als eines der schönsten deutschen Wörter – 2004 wurde es beim Wettbewerb von Deutschen Sprachrat und Goethe-Institut zum zweitschönsten Wort Deutschlands gekürt. Der Begriff war bewusst gewählt worden, weil in anderen Sprachen – etwa Englisch, Französisch oder Russisch – kein einzelner Begriff diese Tiefe erreicht. Im Niederländischen und Afrikaans existiert das Pendant „geborgenheid“, aber ansonsten bleibt es unübersetzbar.

    Psychologisch gesehen beschreibt Hans Mogel „Geborgenheit“ als ein zentrales Lebensgefühl, das Sicherheit, Wohlgefühl, Vertrauen, Zufriedenheit, Akzeptanz und Liebe durch andere verbindet. Gerade in der Kindheit ist eine solche Erfahrung Grundstein für eine stabile Persönlichkeit und kreatives, angstfreies Spiel.

  • Es gibt Dich

    Dein Ort ist
    wo Augen dich ansehn.
    Wo sich die Augen treffen
    entstehst du.

    Von einem Ruf gehalten,
    immer die gleiche Stimme,
    es scheint nur eine zu geben
    mit der alle rufen.

    Du fielest,
    aber du fällst nicht.
    Augen fangen dich auf.

    Es gibt dich,
    weil Augen dich wollen,
    dich ansehn und sagen
    dass es dich gibt.

    Hilde Domin (1909–2006), aus: dies., Gesammelte Gedichte, © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 1987, 208

  • Ich will dir danken

    Du schaffst meinen Schritten weiten Raum,
    du träumst mit mir meinen Lebenstraum.
    Du schenkst meiner Sehnsucht weites Land,
    nimmst mich wie ein Vater an die Hand.
    An deiner Seite ist mir nicht bang.
    Ich will dir danken mein Leben lang.

    Du gibst meinen Blicken weite Sicht,
    du bist in der Finsternis mein Licht.
    Du bist die Leuchte auf meinem Pfad
    und führst mich sicher auf schmalem Grat.
    Auf deinen Wegen ist mir nicht bang.
    Ich will dir danken mein Leben lang.

    Du gibst meinen Worten weiten Sinn,
    du redest in mir, wozu ich bin.
    Du gibst meiner Stimme Fülle und Klang.
    Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist,
    aus deinem Atem strömt mein Gesang.
    Ich will dir danken mein Leben lang.

    Ich will dir danken , Variationen zu Psalm 18,
    © Raymund Weber, 2010