Schlagwort: Schmerz

  • noch zwei Monate

    eine leise Annäherung zur 1. Lesung vom 21.8.2025, Lesejahr C, Ri 11, 29–39a

    Heute habe ich eine Bibelstelle gelesen, die mich zunächst sprachlos machte. Sie erzählt von Jiftach, einem Heerführer Israels. Vor der Schlacht legt er ein Gelübde ab: Wenn er den Sieg erringt, will er Gott als Opfer darbringen, was ihm als Erstes beim Heimkommen entgegenkommt.

    Er siegt – und ausgerechnet seine einzige Tochter läuft ihm entgegen, voller Freude, mit Gesang und Tanz. Ein Schicksalsschlag. Jiftach erkennt, dass sein Gelübde sich nun gegen sein eigenes Kind richtet.

    Die junge Frau hört davon und wehrt sich nicht. Sie bittet nur um eines:

    „Nur das eine soll mir gewährt werden: Lass mir noch zwei Monate Zeit, damit ich in die Berge hinabgehe und zusammen mit meinen Freundinnen meine Jungfräulichkeit beweine.“ (Ri 11,37)

    Zwei Monate. Eine kurze Schonfrist. Zeit, um Abschied zu nehmen. Zeit, um das Unausgesprochene auszusprechen. Zeit, um mit Freundinnen zu weinen – nicht allein, sondern in Gemeinschaft.

    Genau das bewegt mich: Trauer wird leichter, wenn sie geteilt wird. Wenn andere mitgehen, zuhören, mitweinen. Gemeinschaft verwandelt Schmerz nicht in Freude, aber in etwas Tieferes: in Liebe, die bleibt.

    Ich denke dabei an Birgit, eine junge Mutter von zwei Kindern. Sie war erst 38 Jahre alt, als sie die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhielt. Die Ärzte gaben ihr noch zwei Monate. Zwei Monate – das klingt unerträglich kurz. Und doch wurden diese Wochen zu einer geschenkten Zeit: Sie konnte mit ihrer Familie lachen und weinen, sprechen und schweigen, das Wichtigste weitergeben. Sie war getragen – von Liebe, von Nähe, von Gemeinschaft.

    Das ist der tröstliche Impuls dieser Bibelgeschichte: Auch im Angesicht des Todes bleibt uns Würde. Gott schenkt uns Zeit, auch wenn sie kurz ist. Zeit, die gefüllt werden darf mit Liebe.

    Und wir Christen glauben: Es bleibt nicht bei der Erinnerung. Unsere Verstorbenen sind uns vorausgegangen – hin zu Gott. Dort werden wir einander wiedersehen, in verwandelter Wirklichkeit.

    Darum dürfen wir hoffen: Die Zeit war kurz. Aber die Liebe bleibt. Amor vincit.

  • Einer bleibt bei uns

    Ein Impuls für Menschen in dunklen Zeiten

    Viele erleben Zeiten, in denen nichts mehr geht: Die Kräfte schwinden, der Sinn ist verschwunden, das Leben fühlt sich leer an. Gerade dann stellen sich Fragen, die tiefer gehen als jedes Symptom: Gibt es einen Grund weiterzumachen? Gibt es jemanden, der bleibt – auch wenn ich selbst kaum noch kann?

    Christlicher Glaube antwortet nicht mit billigen Parolen, sondern mit einer Zusage: Gott bleibt. Nicht als abstrakte Idee, sondern als Gegenwart – mitten im Leben, im Schmerz, in der Dunkelheit. Auch wenn vieles zerbricht, bleibt einer da, der Dich kennt, der Dich liebt und der nicht weicht.

    „Er bleibt bei uns.“ (vgl. Joh 14,17)

    Diese Worte fassen die Erfahrung von Pfingsten zusammen: Der Heilige Geist ist Gottes Nähe inmitten unserer Welt. Nicht sichtbar, aber spürbar – wenn wir uns ihm öffnen. Für viele ist das schwer. Vertrauen braucht Mut. Aushalten braucht Kraft. Aber gerade darin liegt das Wunder: Wer bleibt, erfährt, dass er nicht allein bleibt.

    Ein junger Mensch, schwer krank, sagte vor seiner Operation:

    „Es ist alles gut. Gott ist da.“
    Wie viel Vertrauen, wie viel Hoffnung liegt in diesen wenigen Worten.

    Glaube heißt nicht: Alles wird leicht. Glaube heißt: Ich lasse mich nicht fallen, ich lasse mich halten. Ich bleibe offen – für einen Trost, der nicht von dieser Welt ist, aber mitten in dieser Welt zu finden ist.

    „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.“ (Joh 15,5)
    Wer das wagt, wird erfahren: Auch im tiefsten Dunkel leuchtet ein Licht. Auch in der größten Erschöpfung ruht ein Herz in Frieden. Nicht aus eigener Kraft, sondern durch ein Du, das da ist – und bleibt.

    Wenn Du spürst, dass diese Gedanken Dich berühren, ruf‘ mich an. Ich begleite ich Dich gerne ein Stück auf Deinem Weg – mit Herz, Ohr und Zeit.

  • TAO – Abschied und christliche Perspektive 🕊

    „Gehe den Pfad gemeinsam, solange du kannst, und wenn eine Trennung unvermeidlich ist, halte deinen Gefährten nie ab.“

    Ein schöner Gedanke aus dem Taoismus: Abschied gehört zum Leben. Menschen begleiten uns eine Zeit lang auf unserem Weg – manchmal für viele Jahre, manchmal nur kurz. Und dann trennen sich die Wege. Oft bleibt bei uns eine Mischung aus Schmerz, Schuldgefühlen oder Fragen zurück.

    Feder

    Als christlicher Begleiter erkenne ich: Auch Jesus selbst hat diese Gefühle gekannt. Er hat getrauert, geliebt und losgelassen. Seine Menschlichkeit zeigt uns: Trauer ist kein Mangel an Glauben – sie ist ein Ausdruck unserer Liebe.

    Doch wir dürfen zugleich Hoffnung aus unserem Glauben schöpfen, denn:
    „Christus hat dem Tod den Stachel gezogen.“
    (vgl. 1 Kor 15,55–57)

    Der Tod bleibt eine Wirklichkeit, aber er hat nicht mehr das letzte Wort. Die Auferstehung Jesu schenkt uns Zuversicht, dass das Leben weitergeht – in Gott.

    Wir dürfen weinen und hoffen zugleich.

    Was hat euch geholfen, in Zeiten des Abschieds Trost zu finden?