Schlagwort: Schicksal

  • Ist unser Schicksal vorherbestimmt?

    Impuls von P. Johannes Paul Abrahamowicz, OSB bei den 2. Wiener Ganserlessen-Dialoge am 6. November 2024.

    Wir sind alle berufen – zur Liebe, zum Fest des Lebens

    Das Thema vom letzten Mal war – und es ist gut angekommen – Himmel, Fegefeuer, Hölle. Fast hätten wir es heute wieder nehmen können, weil so viele andere da sind. Heute aber geht es um die Frage: Wie ist das überhaupt mit dem Schicksal, mit der Vorherbestimmung? Gibt es so etwas?

    Damit ist nicht gemeint, dass eine schwarze Katze von rechts oder Scherben Glück bringen. Nein – gemeint ist der große Lebensweg. Und da taucht immer wieder die Frage auf: Gibt es eine Vorherbestimmung oder nicht?
    Ich möchte ganz klar sagen: Ja, es gibt sie. Und zwar eine sehr positive.

    Jesus erzählt ein wunderbares Gleichnis – das Gleichnis vom Hochzeitsmahl.
    Ein Mann lädt zur Hochzeit ein, lässt alles vorbereiten und schickt dann seine Diener zu den Eingeladenen: „Kommt, es ist alles bereit!“ Aber sie kommen nicht. Manche behandeln die Boten sogar schlecht.
    Da lässt der Hausherr schließlich alle einladen, die er irgendwo findet – auf den Straßenecken, einfach alle. Und der Hochzeitssaal füllt sich – von Guten und Bösen, Reichen und Armen.

    Dann kommt der Hausherr herein, schaut sich alle Gäste an – und plötzlich sieht er einen, der kein Hochzeitsgewand trägt.
    Er fragt ihn: „Freund, wie konntest du so erscheinen?“
    Der Mann ist sprachlos – und wird hinausgeworfen in die äußerste Finsternis.
    Dann sagt Jesus den bekannten Satz:

    „Viele sind berufen, aber nur wenige sind auserwählt.“

    Ich habe diesen Satz lange nicht verstanden. Warum wird der arme Kerl hinausgeworfen? Vielleicht war er ja wirklich arm und hatte kein Gewand?
    Erst viel später habe ich die Erklärung gefunden – auch dank der Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturen.
    Denn in arabischen und orientalischen Ländern ist es bis heute üblich, dass man mit der Einladung zur Hochzeit auch das Hochzeitsgewand bekommt – entweder bezahlt oder symbolisch zur Verfügung gestellt.

    Wenn also jemand ohne dieses Gewand erscheint, heißt das: Er hat die Einladung nicht wirklich angenommen.
    Er wollte das Fest – aber nicht die Beziehung.

    Und das ist der Kern des Gleichnisses.
    Alle sind eingeladen. Alle sind vorherbestimmt – zu einem glücklichen, festlichen Mahl.
    Aber ob wir die Einladung annehmen, liegt an uns.

    Unsere große Vorherbestimmung ist das ewige Glück, das Fest der Liebe, das Reich Gottes. Nicht das kleine Aberglauben-Schicksal – Spinnen, Scherben, Glücksbringer – sondern das große Ziel: die Liebe.

    Das Hochzeitsgewand steht für die Bereitschaft, Liebe zu empfangen.
    Und wer glaubt denn nicht an die Liebe – als höchste Instanz im Leben?
    In dieser Liebe, die keine Bedingungen stellt, sind wir alle berufen.
    Das ist unsere Vorherbestimmung.

    Ich bin fest davon überzeugt: Wir alle sind bestimmt zum Glück, zum Leben in der Liebe Gottes – und das dürfen wir schon jetzt, in jeder Eucharistiefeier, vorauskosten.

    Und solange sich das Ganserl heute seinem Schicksal hingibt, dürfen wir dankbar sein, dass unser Schicksal ein anderes ist – ein gutes, liebevolles Schicksal.

    Guten Appetit – und später bei der Nachspeise können wir gern noch Fragen stellen.

    Kurz-Summary

    P. Johannes Paul Abrahamowicz OSB deutet das Gleichnis vom Hochzeitsmahl als Bild unserer positiven Vorherbestimmung: Jeder Mensch ist eingeladen zum Fest der Liebe Gottes. Das „Hochzeitsgewand“ steht für die innere Bereitschaft, diese Liebe anzunehmen. Nicht Zufall oder Aberglaube bestimmen unser Leben, sondern Gottes Einladung zum Glück – die wir nur annehmen müssen.

  • Himmel und Hölle

    1. Wiener Ganserlessen-Dialoge am 8. November 2023
    Impuls von P. Johannes Paul Abrahamowicz OSB

    „Der Himmel fängt auf der Erde an.“

    Diesen Satz seines Vaters stellte P. Johannes Paul an den Beginn seines zwölfminütigen Impulses – und er zieht sich als roter Faden durch seine Gedanken zu Himmel, Hölle und Fegefeuer.

    Wir alle wüssten, was Himmel ist: wo alles passt.
    Doch der Mensch hat – anders als das Tier – einen freien Willen.
    Darum kann er sich auch gegen etwas entscheiden, sogar gegen die Liebe selbst.
    Weil Gott die Liebe ist, hat der Mensch – philosophisch gesehen – das Recht, dass es die Hölle gibt.

    Was aber ist die Hölle?
    Nicht ein Ort, an dem Gott nicht ist – denn Gott ist allgegenwärtig.
    Sondern: Die Gegenwart Gottes ist für jene, die ihn ablehnen, unerträglich.
    Darum ist das Feuer der Hölle in Wahrheit die Flamme der göttlichen Gegenwart – dieselbe Flamme, die in der Schrift als brennender Dornbusch, als Feuersäule in der Nacht oder als Licht der Osterkerze erscheint.

    Das Fegefeuer wiederum ist kein Strafort, sondern eine Läuterung aus Liebe.
    „Fegen“ heißt reinigen, und das Feuer steht wieder für Gottes liebende Nähe.
    So wie Gold im Feuer geläutert wird, so wird auch der Mensch gereinigt – nicht vernichtet, sondern veredelt.

    Ein Beispiel:
    Wer plötzlich mit dem Rauchen aufhört, spürt Schmerzen des Abgewöhnens.
    Ähnlich ist es, wenn man begreift, wie sehr Gott liebt – und erkennt, wo man selbst lieblos war.
    Diese Reue ist schmerzhaft, aber heilend.
    Das ist das Fegefeuer – die reinigende Liebe Gottes, die schon auf Erden beginnen kann.

    Am Ende seines Impulses schloss P. Johannes Paul mit einem Lächeln:
    „Die Gans hat fertig gebrutzelt – aber schon als Tote. Nachher reden wir weiter beim Essen.“


    🕊️ Zusammenfassung

    Der Mensch ist frei – nicht vorherbestimmt.
    Diese Freiheit macht ihn fähig, sich für oder gegen die Liebe zu entscheiden.
    Himmel, Hölle und Fegefeuer sind keine geografischen Orte, sondern Ausdruck dieser Beziehung zur göttlichen Liebe.
    Himmel: gelebte Einheit mit Gott.
    Hölle: dieselbe Gegenwart Gottes – aber unerträglich für jene, die sie ablehnen.
    Fegefeuer: Läuterung durch Liebe.

  • Ehe


    Inspiriert durch Deng Ming-Dao, „365 Tao: Meditationen für jeden Tag des Jahres“, Arkana Verlag, 1992, Tag 139

    Mauer aus Flammen. Brücke aus Tränen.
    Schneeflocke auf frisch geschmiedeten Kettengliedern.

    Eine Ehe, die Bestand hat, ist kein Zufall. Sie wird geschmiedet – Glied für Glied, unter Hitze, durch Mühe und Hingabe. Wie Eisen, das erst im Feuer der Leidenschaft formbar wird und dann im Wasser der Tränen abkühlt, entsteht aus Nähe und Konflikt eine Verbindung, die trägt.

    Es ist schwer, allein durchs Leben zu gehen. Jeder von uns sehnt sich nach Zugehörigkeit, nach einem Du, das mit uns in dieselbe Richtung schaut. Damit das gelingt, braucht es gemeinsame Werte, Ziele, Perspektiven. Ehe ist kein romantisches Dauerfeuer, sondern die Kunst, auch in Stille und Spannung verbunden zu bleiben.

    Wir erwarten oft, dass unser Partner zugleich unser bester Freund, Liebhaber und Vertrauter ist – aber wahre Verbindung gründet tiefer. Auch wenn sie äußerlich brüchig scheint, kann in ihr eine Treue leben, die in keiner anderen Beziehung vorkommt. Und doch mahnt uns das Tao: Auch in der stärksten Bindung braucht es Maß, Freiheit, Atem.

    Denn jede Beziehung ist endlich. Wer sich krampfhaft aneinander klammert, verliert das klare Sehen. Liebe darf keine Sucht werden. Halten wir niemanden fest. Zwingen wir niemanden, zu bleiben. Definieren wir uns nicht über den anderen. Und doch – wenn das Leben uns erlaubt, ein Stück gemeinsam zu gehen, dürfen wir dankbar sein.

    Wenn es Zeit ist, sich zu trennen, dann ist es Zeit. Ohne Reue. Denn die Schönheit der Ehe gleicht einer Schneeflocke: vollkommen im Moment – und doch vergänglich.

    Foto: Alexey Kljatov, 2025