Jenseits allen Glücks, jenseits aller Schönheit bist meiner Seele Glück und Schönheit du.
Denn das Glück kam mit dir, und in und mit dir hab alles Gut ich empfangen.
Heinrich Seuse
Heinrich Seuse (* 21. März 1295 oder 1297 in Konstanz oder in Überlingen; † 25. Januar 1366 in Ulm) war ein deutscher Mystiker und Dominikaner, der in Konstanz und Ulm, am Oberrhein und in der Schweiz wirkte. Er wird in der katholischen Kirche als Seliger verehrt.
Ein Dialog über das göttliche Wort, das aus dem Schweigen kommt – und über ein gelingendes Leben
Am 12. Mai 2025 trafen in Wien zwei geistige Schwergewichte aufeinander: Bruder David Steindl-Rast, Benediktinermönch, Mystiker und Brückenbauer zwischen Ost und West, und Professor Matthias Beck, Arzt, Theologe und Gesundheitsphilosoph. Im Zentrum ihres Dialogs stand die Frage: Warum glauben? Und damit verbunden: Wie kann ein Mensch in dieser zerrissenen Welt sinnvoll, heilsam und glücklich leben?
Der Glaube – kein Besitz, sondern Beziehung
Für beide Gesprächspartner ist klar: Glaube ist kein Für-wahr-Halten von Dogmen, sondern ein Vertrauen, ein Sich-Einlassen auf das Geheimnis hinter allem Sichtbaren. Bruder David spricht lieber vom „großen Du“ als von „Gott“, weil das Wort zu oft missverstanden werde. Glaube bedeute, der Beziehung zu allem, was ist, zuzustimmen – ein Ja zum Leben selbst.
Matthias Beck bringt die Dimension der Vernunft ein: Glaube sei rational verantwortbar, müsse aber immer in gelebter Erfahrung wurzeln. Er warnt vor einem Glauben, der sich in Moral erschöpft, ohne Transformation zu bewirken. Der Mensch sei zur Vergöttlichung bestimmt – ein Begriff aus der frühen Kirche, der heute wieder an Kraft gewinnt.
Das göttliche Wort – aus dem Schweigen geboren
Einer der berührendsten Momente des Gesprächs ist Bruder Davids Bezug auf eine Bibelstelle aus dem Buch der Weisheit:
„Als tiefes Schweigen alles umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab.“ – Weisheit 18,14–15
Dieses Bild – das göttliche Wort, geboren im tiefsten Schweigen der Nacht – steht für einen radikalen Perspektivwechsel: Das Entscheidende geschieht nicht im Lärm der Welt, sondern in der Stille. Es ist diese Tiefe, aus der authentisches Leben entsteht.
Bruder David formuliert es so:
„Nicht ein Wort, das das Schweigen bricht, sondern ein Wort, in dem das Schweigen zu Wort kommt.“
Ein Satz, der sich einprägt – und zugleich erinnert an das „Wort, das Fleisch wurde“ (Joh 1,14). Mystik und Fleischlichkeit, Ewiges und Jetzt, berühren sich.
Wer ist Jesus – und warum ist er heute noch entscheidend?
Beck betont die Auferstehung als Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens: „Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann ist euer Glaube nutzlos“ (vgl. 1 Kor 15). Für ihn ist Jesus die persongewordene Hoffnung – Gott, der in die Wunden der Welt hinabsteigt, um sie zu heilen.
Bruder David bleibt offener: Für ihn ist Jesus das Modell einer gottverbundenen Lebensweise, deren Kraft nicht durch historische Beweise, sondern durch gelebte Erfahrung spürbar wird. Das „Christusbewusstsein“, wie er es nennt, könne auch heute in jedem Menschen lebendig werden.
Was empfehlen die beiden für ein glückliches Leben?
1. Dankbarkeit üben Bruder David nennt sie den Königsweg zu Glück und Erfüllung:
„Nicht die Glücklichen sind dankbar – die Dankbaren sind glücklich.“
2. Die Stille suchen In einer Welt voller Lärm sei es heilsam, täglich still zu werden, um das „Wort im Schweigen“ zu hören.
3. Beziehungen pflegen Gott ist Beziehung – und der Mensch wird nur heil in Beziehung: zu sich, zu anderen, zur Welt, zu Gott.
4. Vertrauen wagen Beck nennt Vertrauen das „Fundament des Lebens“ – medizinisch, philosophisch, geistlich. Wer vertraut, lebt gesünder, tiefer, hoffnungsvoller.
5. Der Liebe trauen Beide stimmen überein: Die Liebe ist kein Gefühl, sondern eine Entscheidung – das gelebte Ja zur Zugehörigkeit.
Fazit
Der Abend ist keine theologische Schulstunde, sondern ein spiritueller Kompass: Glaube bedeutet nicht das Akzeptieren fertiger Antworten, sondern das mutige Gehen eines Weges. Ein Weg, der leise beginnt – im Schweigen der Nacht, in der ein göttliches Wort aufbricht, um neu Mensch zu werden. In uns.