Gedanken zum Evangelium vom 1. Adventsonntag (Mt 24,37–44)
… „Dahinter steht aber nicht so sehr eine Droh- und Angstbotschaft, wie es vielleicht manche empfinden, sondern vielmehr eine große Trostbotschaft. Zwar gibt es im Leben Zeichen und Zeiten, die darauf hinweisen, dass alles einmal ein Ende haben kann und wird. Und es gibt auch Zeiten und Ereignisse, wo uns persönliche Tragödien und Schicksalsschläge tief treffen. Aber als Christen wissen wir, dass bei all den ‚Zeichen der Zeit‘, hinter all den Schicksalsschlägen uns ein letztlich immer treuer, naher, liebender und barmherziger Gott zur Seite steht.
Wir glauben als Christen auch, dass er es sein wird, der all das Bruchstückhafte, all das Halbfertige, all das Ungerechte, all die Sehnsüchte wenden und erfüllen wird. Das ist kein billiger Trost, sondern eine Grundaussage der Heiligen Schrift.
Auf diese Botschaft der Hoffnung auf Heil dürfen wir im Leben und durch den Tod hindurch vertrauen.“
Quelle: Pastoralassistentin Christine Gruber-Reichinger in „Die Woche in St. Stephan“, Dompfarre Wien, Ausgabe 1440 vom 28.11.2025
Der erste Advent lädt uns ein, die Zeit nicht als Ablauf, sondern als Beziehung zu verstehen. Hoffnung entsteht nicht durch Verdrängung, sondern durch die Erfahrung, dass unser Leben – gerade in seinen Brüchen – gehalten bleibt. Der Text erinnert daran, dass Trost nicht laut sein muss. Er kann leise kommen, wie ein Grundton. Wer wach bleibt, entdeckt inmitten der Unsicherheit eine stille Nähe, die trägt.
Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht und das Wort, das wir sprechen, als Lied erklingt,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut, dann wohnt er schon in unserer Welt. Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht in der Liebe, die alles umfängt.
Wenn das Leid jedes Armen uns Christus zeigt, und die Not, die wir lindern, zur Freude wird, dann hat Gott unter uns …
Wenn die Hand, die wir halten, uns selber hält, und das Kleid, das wir schenken, auch uns bedeckt, dann hat Gott unter uns …
Wenn der Trost, den wir geben, uns weiterträgt, und der Schmerz, den wir teilen, zur Hoffnung wird, dann hat Gott unter uns …
Wenn das Leid, das wir tragen, den Weg uns weist, und der Tod, den wir sterben, vom Leben singt, dann hat Gott unter uns …
Heute wurde Yuliya und mir wieder einmal sehr deutlich, wie dankbar und glücklich wir sind. Die Gedanken von Papst Leo auf Radio Vatikan, die Predigt von Caritaspräsident Michael Landau auf Radio Klassik Stephansdom und die Begenung mit ihm heute in der Sakristei, das Mitfeiern der Orgel-Messe im Stephansdom um 12:00 und dann abends das Transkribieren der Predigt meines Freundes P. Johannes Paul OSB – all das macht das Herz weit und macht es uns leicht, Menschen froh und liebevoll zu begegnen und sie im Stillen zu segnen.
Papst Leo XIV. – Botschaft zum Welttag der Armen (2025)
Papst Leo XIV. eröffnet seine Botschaft mit dem Ruf des Psalmisten: „Du bist meine Hoffnung, Herr und Gott“ (Ps 71,5). Gerade der Arme, dessen Leben von „Entbehrungen, Gebrechlichkeit und Ausgrenzung“ geprägt ist, kann zum Zeugen einer starken und verlässlichen Hoffnung werden. Seine Hoffnung ruht nicht auf Besitz oder Macht, sondern auf Gott.
Der Papst betont eine zentrale Wahrheit: „Die schlimmste Armut ist, Gott nicht zu kennen.“ Reichtum ohne Gott mache leer; menschliche Sicherheiten seien täuschend. Hoffnung hingegen ist für Leo XIV. ein Anker, der im Versprechen Christi wurzelt.
Entscheidend ist die Verbindung von Hoffnung und Verantwortung: Armut hat strukturelle Ursachen, die bekämpft werden müssen. Den Armen zu helfen ist „zuerst eine Frage der Gerechtigkeit, dann der Nächstenliebe“. Die Armen seien die „am meisten geliebten Brüder und Schwestern“ der Kirche – nicht Objekte, sondern Subjekte der Evangelisierung.
Der Welttag der Armen ruft die ganze Kirche dazu auf, die Armen in das Zentrum von Liturgie, Verkündigung und Caritas zu stellen. Das Heilige Jahr 2025 solle Initiativen hervorbringen, die Menschen dauerhaft aus Armut führen: durch Arbeit, Wohnung, Bildung, Gesundheit – nicht durch Waffen oder Abschottung.
Am Ende erinnert der Papst an den uralten Lobgesang des Vertrauens: „In Te, Domine, speravi – Auf dich, o Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt.“
Michael Landau – Predigt zum Welttag der Armen
(Domkustos & europäischer Caritas-Präsident)
Michael Landau beschreibt die Gegenwart als Zeit eines „Einbruchs der Wirklichkeit“: Kriege, Klimakrise, soziale Verwerfungen, digitale Überforderung. Doch er widerspricht jeder Angstlogik: „Hoffnung ist ein Muskel.“ Sie wächst, wenn wir sie üben und unsere Aufmerksamkeit auf Chancen statt Gefahren richten.
Über Österreich spricht Landau in einem Satz, der hängen bleibt: „Wir haben in der Geburtsortslotterie einen Haupttreffer gezogen.“ Dankbarkeit verpflichtet. Der „hohe Grundwasserspiegel der Solidarität“ sei ein Schatz, den es politisch und gesellschaftlich zu schützen gelte. Sparmaßnahmen müssten „sozial gerecht“ bleiben und das „soziale Augenmaß“ wahren.
Im Zentrum seiner Predigt steht die Theologie der Armen: „Die Armen sind keine Zusatzbeschäftigung der Kirche.“ Caritas ist Wesensausdruck der Kirche. Die steigende Zahl von Menschen, die in Wien Lebensmittelhilfe benötigen, zeigt die Dringlichkeit. Doch Landau sieht dort auch Hoffnung – dank Freiwilligen, Engagierten und Spendern.
Für ihn verbindet sich die Erwartung Christi nicht mit Weltflucht, sondern mit Verantwortung: Diese Zeit ist uns anvertraut. Christlicher Glaube zeigt sich im Einsatz für Gerechtigkeit und im Mut zur Solidarität.
🎧 Predigt Michael Landau
Domkustos von St. Stephan & europäischer Caritas-Präsident
P. Johannes Paul Abrahamowicz OSB – Predigt zum 33. Sonntag im Jahreskreis
(Priestermönch im Stift Göttweig)
P. Johannes Paul (JP) stellt klar: Die Bibeltexte dieses Sonntags wollen nicht Angst erzeugen. Angst entsteht dort, wo man nur die dunklen Verse liest. Doch das Evangelium spricht von Hoffnung: „Für euch aber, die ihr mich liebt, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen.“
JP kritisiert die „Angstmacher“, die nur Drohverse zitieren. Die Botschaft Jesu sei jedoch eine der Gelassenheit: „Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.“ Standhaftigkeit entsteht für JP nicht durch Selbstdisziplin, sondern durch Beziehung. Jesus sagt: „Ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben“ – aber nur, wenn man im Alltag mit ihm verbunden bleibt.
Der Vergleich, den JP wählt, ist alltäglich und tief: Die Beziehung zu Gott ist wie die Liebe zu einem vertrauten Menschen, den man oft im Herzen trägt – so sehr, dass man manchmal spürt, wenn er anruft. Wer so mit Gott verbunden ist, fürchtet sich nicht, verliert nicht die Fassung und bleibt handlungsfähig.
JP schließt: Es geht nicht um Angst. Es geht um Beziehung. Wer die Liebe Gottes annimmt, kann auch sich selbst annehmen – und frei leben.
Du allwissendes Wort des himmlischen Vaters, du König des Weltalls, der durch sein Bild das sterbliche Volk ehrte, gib uns Gnade und schenke uns segenspendenden Beistand! Auf dich schauen alle Augen voller Hoffnung.
vergleiche dazu den Beginn des Evangeliums nach Johannes („Johannes-Prolog“)
DER EINTRITT DES GÖTTLICHEN WORTES IN DIE WELT: 1,1 – 4,54
DER PROLOG: 1,1–18 1 1
Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. 2 Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. 4 In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.
6 Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt; sein Name war Johannes. 7 Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. 8 Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. 9 Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. 10 Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. 11 Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, 13 die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
14 Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. 15 Johannes legt Zeugnis für ihn ab und ruft: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. 16 Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. 17 Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. 18 Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.
Schwestern und Brüder! Wir, die vielen, sind ein Leib in Christus, als Einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören. Wir haben unterschiedliche Gaben, je nach der uns verliehenen Gnade. Hat einer die Gabe prophetischer Rede, dann rede er in Übereinstimmung mit dem Glauben; hat einer die Gabe des Dienens, dann diene er. Wer zum Lehren berufen ist, der lehre; wer zum Trösten und Ermahnen berufen ist, der tröste und ermahne. Wer gibt, gebe ohne Hintergedanken; wer Vorsteher ist, setze sich eifrig ein; wer Barmherzigkeit übt, der tue es freudig.
Die Liebe sei ohne Heuchelei. Verabscheut das Böse, haltet fest am Guten! Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan, übertrefft euch in gegenseitiger Achtung! Lasst nicht nach in eurem Eifer, lasst euch vom Geist entflammen und dient dem Herrn!
Freut euch in der Hoffnung, seid geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet! Nehmt Anteil an den Nöten der Heiligen; gewährt jederzeit Gastfreundschaft! Segnet eure Verfolger; segnet sie, verflucht sie nicht!
Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden! Seid untereinander eines Sinnes; strebt nicht hoch hinaus, sondern bleibt demütig!
Röm 12, 5–16a
Vor allem der letzte Absatz dieser Schriftstelle erklärt ganz gut, was mit „kondolieren“ gemeint sein könnte: mitleiden, „mitschmerzen“, mitfreuen.
Eine Frau liegt im Sterben. Ein Mann will sie retten. Ein Apotheker verlangt den Preis des Lebens. Und die Moral? Sie steht ratlos daneben. Und wenn es im Heinz-Dilemma gar nicht um Ethik ginge?
Der Psychologe Lawrence Kohlberg entwarf in den fünfziger Jahren eine Versuchsanordnung, die bis heute in Ethikseminaren zitiert wird: das Heinz-Dilemma. Eine Frau leidet an einer tödlichen Krankheit. Es gibt ein Medikament, das helfen könnte, doch der Apotheker verlangt das Zehnfache seiner Kosten. Der Ehemann Heinz bittet, verhandelt, fleht – vergeblich. Schließlich überlegt er, ob er einbrechen und das Mittel stehlen soll.
Soll er?
Kohlberg wollte mit dieser Frage nicht Moral lehren, sondern Moral messen. Entscheidend war nicht, was jemand antwortet, sondern warum. Wer sagt: „Er darf nicht stehlen, sonst kommt er ins Gefängnis“, denkt anders als jemand, der meint: „Ein Menschenleben zählt mehr als Eigentum.“ Moral, so Kohlberg, entwickelt sich in Stufen – von der Furcht vor Strafe bis zur Einsicht in universelle Werte.
Wenn das Medikament nicht heilt
Doch in dieser berühmten Versuchsanordnung fehlt eine entscheidende Unbekannte: Was, wenn das Medikament gar nicht hilft? Wenn es nur das Leiden verlängert – oder das Sterben?
Dann verschiebt sich der moralische Brennpunkt. Dann geht es nicht mehr darum, ob Heinz das Richtige tut, sondern was „richtig“ überhaupt heißt.
Ist Leben immer der höchste Wert? Oder wird es erst durch Sinn und Liebe heilig?
In solchen Momenten reicht die Vernunft nicht mehr. Sie macht Platz für das Ringen des Herzens, das nicht loslassen kann – selbst wenn Loslassen der letzte Liebesdienst wäre.
Zwischen Gesetz und Gnade
Vielleicht liegt Heinz’ wahres Dilemma gar nicht im Gesetz, sondern im Glauben. Nicht, ob er einbrechen darf, sondern ob er glaubt, das Leben seiner Frau liege in seinen Händen. Und vielleicht liegt das Unrecht nicht beim Apotheker, sondern in der Logik, mit der wir Leben bemessen – als wäre es handelbar, verlängerbar, verfügbar.
Was ist der Wert eines Menschenlebens, wenn es zugleich unbezahlbar und unhaltbar ist?
In Gottes Zeit
Am Ende werden wir alle vorausgehen. Für manche von uns leben unsere Seelen weiter. Und wir werden uns wieder umarmen – in Gottes Zeit.
Dieses Vertrauen ist Gnade und verwandelt das Dilemma. Nicht zu einer Lösung, sondern zu einem Trost. Denn wenn Heilung nicht mehr im Diesseits liegt, wird das Stehlen sinnlos – und die Liebe heilig.
Heinz bleibt Mensch – zwischen Hoffnung und Hingabe. Und Gott bleibt Gott – jenseits aller Rechnungen.
Über den Autor: Harald R. Preyer ist Coach, geistlicher Begleiter und Trauerredner in Wien. Er begleitet Menschen an Lebenswenden .
Heute im Stephansdom erzählte Dr. Richard Tatzreiter, Regens des Wiener Priesterseminars, eine Geschichte, die mich nicht loslässt:
Eine Ordensschwester durfte anlässlich ihrer ewigen Profess einen Ring wählen – entweder einen alten aus dem Kloster oder einen neuen. Sie entschied sich für einen neuen und ging – in Zivil – zu einem Juwelier in der Wiener Innenstadt.
„Was darf es sein?“, fragte der. „Ein Ehering“, sagte sie. Er blickte überrascht. „Sie wollen einen Ehering?“ „Ja.“ „Mit Gravur?“ „Ja. Bitte: Resurrectio mortuorum.“
Der Juwelier, offenbar des Lateinischen mächtig, runzelte die Stirn: „Ihr Bräutigam ist also von den Toten auferstanden?“ Sie lächelte: „Ja.“
Ja – Gott liebt mich. Ich erkenne es in dem, was andere „Zufall“ nennen.
Im späten Kennenlernen von Yuliya – auf einem Flug nach Venedig, als ich innerlich schon auf dem Weg ins Jenseits war. In den Jahren ohne Beschwerden nach einer Notoperation wegen Darmkrebs in Kiew. Oder im einfachen Geschenk eines freien Parkplatzes, wo sonst nie einer zu finden ist.
Ich weiß: Nichts davon ist selbstverständlich. Alles ist Zuwendung. Ein stilles Zeichen der Gegenwart Gottes – wie ein leiser Gruß aus dem Himmel, mitten im Alltag.
🌈 Der Regenbogen erinnert mich daran: Gott hat seinen Bund mit uns nicht aufgehoben. Er spannt ihn immer wieder neu – über Leid und Freude, über Tod und Leben, über das, was war, und das, was kommt.
An Allerseelen spüre ich diese Nähe besonders. Wir denken an jene, die uns vorausgegangen sind, und zugleich ahnen wir: Der Himmel ist nicht fern. Er berührt uns in allem, was von Liebe durchdrungen ist – im Gedenken, im Gebet, im stillen Dank.
Gott liebt mich. Und diese Liebe ist der Grund, warum ich glauben kann. Aber sie will mehr als nur geglaubt werden. Sie will Antwort – nicht aus Angst oder Pflicht, sondern aus Dankbarkeit.
Wer diese Liebe wirklich annimmt, wird verwandelt. Er wird sanft, barmherzig, friedensstiftend – nicht aus eigener Anstrengung, sondern weil Gott in ihm lebt.
So geschieht Himmel auf Erden: in einem freundlichen Wort, in einem Moment der Vergebung, in einem stillen Frieden, den niemand erklären kann.
Darum genügt der Glaube – wenn er lebendig bleibt. Ein Glaube ohne Liebe bleibt leer, ein Glaube mit Liebe trägt den Himmel schon in sich.
🌈 Wie ein Regenbogen nach dem Regen: Er spannt sich über alles Vergängliche hinweg und lässt ahnen, dass Gottes Liebe das letzte Wort hat.
Am Beginn des dunklen Monats November leuchtet Allerheiligen wie ein Versprechen auf. Wir feiern alle, die vollendet sind in Gottes Licht – die bekannten Heiligen ebenso wie die unzähligen stillen Menschen, die durch Güte, Hingabe und Liebe Zeugnis ihres Glaubens gegeben haben. Allerheiligen erinnert uns daran, dass Heiligkeit kein exklusiver Titel ist, sondern eine Richtung: hin auf Gott. Wer liebt, heilt. Wer vergibt, heiligt. Wer in dunklen Zeiten das Gute sucht, leuchtet schon jetzt im Glanz der Ewigkeit.
Das Hochfest Allerheiligen hat seine Wurzeln in der frühen Kirche, als man der Märtyrer gedachte. Heute gilt der Tag allen, die uns im Glauben vorangegangen sind. Ihr Leben ist nicht vergangen, sondern verwandelt – in eine Gegenwart bei Gott.
Die Kunst der Malerin Hilde Reiser (1929–2019) gibt diesem Geheimnis eine Form: Ihr Bild „Licht“ zeigt Menschen, die sich aus der Dunkelheit in einen leuchtenden Strudel des Lebens ziehen lassen. Der Sog der Farben erinnert daran, dass wir alle auf dieses Licht hin unterwegs sind. Allerheiligen feiert diese Bewegung – das Aufstehen, das Ankommen, das Heimkehren.
So ist dieser Tag kein Tag der Trauer, sondern der Hoffnung. Wir sind verbunden mit denen, die das Ziel schon erreicht haben – und zugleich gerufen, in unserem Alltag Spuren dieses Lichts zu hinterlassen.
Heute habe ich zwei Urnen-Beisetzungen begleitet. Zwei Friedhöfe, zwei sehr verschiedene Familien – und doch hatten sie etwas gemeinsam: In beiden Feiern war Gott „verboten“. Nicht aus Überzeugung, sondern aus Enttäuschung, aus Schmerz – vielleicht Wut. Aus der Frage, die manchmal Menschen quält: Wie kann Gott so etwas zulassen?
Ich habe darauf keine Antwort. Aber ich habe gespürt, dass Dankbarkeit hilft. Dankbar zu sein für das, was war – für gemeinsame Stunden, für Liebe, für das, was bleibt.
In einer der Feiern durfte ich den Liebesbrief einer jungen Witwe lesen. So zart, so echt. Im Gesicht der Eltern sah ich für einen Moment wieder ein Leuchten.
Vielleicht war das der Augenblick, in dem Gott doch da war – ganz leise.
Manchmal glaube ich, unser Auftrag als Seelsorger, als Redner, als Menschen ist nicht, Antworten zu geben. Sondern Herzen zu berühren. Menschen daran zu erinnern, dass Liebe stärker ist als Tod. Und dass Dankbarkeit die Tür zur Hoffnung öffnet.
Ob Glaube glücklich macht? Vielleicht ja – wenn wir ihn nicht verteidigen, sondern leben. Still, herzlich, menschlich.