Schlagwort: Himmel

  • Carpe diem

    Nutze den Tag im Licht der Ewigkeit

    Predigt von Univ.-Prof. Dr. Thomas Möllenbeck,
    im Wiener Stephansdom am Sonntag, 28. September 2025, 26. Sonntag im Jahreskreis (C), Orgelmesse um 12:00 Uhr sinngemäß zusammengefasst von Harald R. Preyer

    Ein Freund erhielt zum Priesterjubiläum eine kleine Sonnenuhr mit der Inschrift „Carpe diem“ – Nutze den Tag als Geschenk.
    Was bedeutet das eigentlich – aus christlicher Sicht?

    In der Antike hieß es: Genieße den Tag, solange du lebst. Denn mit dem Tod, so dachte man, sei alles vorbei. Ein solches Denken kann leicht in Egoismus führen.
    Aber: Wer erkennt, dass das eigene Wohl am Wohl der anderen hängt, lebt gerecht.
    So wird Carpe diem zur Einladung, bewusst, dankbar und solidarisch zu leben.

    Der Prophet Amos mahnt die Selbstzufriedenen: Wer nur an sich denkt, verliert den Sinn des Lebens.
    Paulus ruft Timotheus zu: Strecke dich aus nach dem Himmel!
    Und im Evangelium vom reichen Mann und Lazarus macht Jesus klar:

    „Sie haben Mose und die Propheten – wenn sie auf die nicht hören, werden sie sich auch nicht bekehren, wenn einer von den Toten aufersteht.“

    Christus ist auferstanden – und lädt uns ein,
    den Himmel schon hier beginnen zu lassen.

    Christlich verstanden heißt Carpe diem:

    • Nutze den Tag, nicht um zu nehmen, sondern um zu geben.
    • Nicht um zu genießen, sondern um zu lieben.
    • Nicht um die Zeit zu füllen, sondern um sie zu heiligen.

    Denn Jesus sagt:

    „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ (Joh 14,6)

    In jeder Eucharistie empfangen wir ihn –
    und werden verwandelt, damit wir Christus ähnlich werden.
    So wächst unser Leben hinein in das, was keine Grenze kennt:
    Wo Christus ist, da ist der Himmel.

    Der Himmel fängt hier an.


    Prof. Dr. Thomas Möllenbeck, geb. 1966, ist Domkurat am Stephansdom Wien, Professor für Dogmatik in Münster und Lehrender in Heiligenkreuz und Trumau.

  • Der Mönch am Meer

    Friedrich bohrt mit seiner radikal reduzierten Bildsprache: kein Tiefenraum, kein Begehbarkeit – nur Horizont, Himmel, Meer, Mönch. Der Klassiker zeigt nicht die Welt – er zeigt unser innerstes Sehnen und Zweifeln. In seiner Leere liegt das Dialogische: Der Betrachter ist nicht eingeladen, sondern eins mit dem Gemalten.

    Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“ nach der Restaurierung 2016 
    © Abb.: Andres Kilger/​bpk (Caspar David Friedrich „Mönch am Meer“ 1808 – 1810)

    Ein Bild wie ein Gebet in Farbe – es stellt die Frage nach Gottes Nähe, nach Trost in Stille und Weite, nach der Antwort auf unsere existentielle Einsamkeit.

    „Daran also sollten wir denken auf unserem nächsten einsamen Strandspaziergang an der Ostsee: dass wir den Mut haben, nach oben zu schauen, auch wenn wir alle Hoffnung haben fahren lassen. Oder wie es Marcel Proust, der große Kenner Friedrichs, einmal ausgedrückt hat: Halten Sie stets ein kleines Stückchen Himmel über Ihrem Leben frei.“

    Florian Illies beschreibt in DIE ZEIT Nr. 34/2025 das „küh­nes­te Gemälde des 19. Jahrhunderts in Deutschland“: Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“, entstanden zwischen 1808 und 1810. Der Mönch – einsam, verloren, im tiefen Zweifel – blickt aufs Meer, während Natur und Unendlichkeit aufs Innerste treffen.


    Geschenk-Link zum ZEIT‑Artikel: „Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich – Was denkt sich wohl der Mönch am Meer? 
    (ZEIT Magazin Nr. 34/2025, 8. August 2025)

    Publikation zur Restaurierung von Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“ erschienen

  • Ich bin nicht tot

    „Beklagt mich nicht wie einen Toten,
    wenn ich vor Gottes Angesicht lebe.“

    – Redaktion Magnificat nach Aloisius von Gonzaga

    Wer liebt, trauert.
    Wer glaubt, hofft.

    Wenn wir Abschied nehmen,
    sehen wir nur das Äußere:
    den leeren Platz, die Stille, die Leere.

    Aber der Glaube sieht mehr:
    eine Seele, die angekommen ist.

    Ein Herz, das jetzt schlägt im Rhythmus der Liebe Gottes.
    Ein Leben, das vollendet wurde – nicht beendet.

    „Denn wir wissen:
    Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird,
    dann haben wir von Gott ein ewiges Haus im Himmel.“

    (2 Korinther 5,1)

    Ich bin nicht tot – Ich bin bei Gott

  • Der Beistand

    Wir sind nicht allein. Der Beistand ist schon da. Der Heilige Geist ist nicht bloß ein Symbol für Kraft oder Trost – er ist Beziehung. Ein Teil Gottes. Und Gott ist die Liebe.

    Christus sendet den Geist, Ingeborg-Psalter, Nordost-Frankreich um 1200, Chantilly, Musée Condé, Ms. 9 olim 1695, fol. 32v, © BPK / RMN

    In dieser Miniatur, entstanden um 1200, strömen dreizehn Feuerzungen über die Köpfe der Urgemeinde. Maria sitzt in der Mitte, gekrönt, mit einem blauen Buch in den Händen – der Kirche gleich, empfängt sie das Geschenk von oben. Über allem: Christus, der Herr, der segnet und sendet.

    Es ist kein ferner Mythos. Es ist eine Einladung:

    Der Geist des Herrn fällt nicht vom Himmel – er ist schon da. Wir können ihm vertrauen. Der Gegenwart Gottes in uns.
    (Heinz Detlef Stäps)

    Wer geliebt hat, weiß: Die Liebe bleibt.
    Wer trauert, ahnt: Der Geist weht, wenn alles still steht.
    Wer betet, spürt: In der Zärtlichkeit Gottes lebt auch die Kraft, die uns aufrichtet.

    Lassen wir uns stärken.
    Lassen wir uns senden.
    Lassen wir uns lieben.

    Das Bild ist die Titelseite von Magnificat – das Stundenbuch vom Juni 2025.