Schlagwort: Himmel

  • Himmel und Hölle

    1. Wiener Ganserlessen-Dialoge am 8. November 2023
    Impuls von P. Johannes Paul Abrahamowicz OSB

    „Der Himmel fängt auf der Erde an.“

    Diesen Satz seines Vaters stellte P. Johannes Paul an den Beginn seines zwölfminütigen Impulses – und er zieht sich als roter Faden durch seine Gedanken zu Himmel, Hölle und Fegefeuer.

    Wir alle wüssten, was Himmel ist: wo alles passt.
    Doch der Mensch hat – anders als das Tier – einen freien Willen.
    Darum kann er sich auch gegen etwas entscheiden, sogar gegen die Liebe selbst.
    Weil Gott die Liebe ist, hat der Mensch – philosophisch gesehen – das Recht, dass es die Hölle gibt.

    Was aber ist die Hölle?
    Nicht ein Ort, an dem Gott nicht ist – denn Gott ist allgegenwärtig.
    Sondern: Die Gegenwart Gottes ist für jene, die ihn ablehnen, unerträglich.
    Darum ist das Feuer der Hölle in Wahrheit die Flamme der göttlichen Gegenwart – dieselbe Flamme, die in der Schrift als brennender Dornbusch, als Feuersäule in der Nacht oder als Licht der Osterkerze erscheint.

    Das Fegefeuer wiederum ist kein Strafort, sondern eine Läuterung aus Liebe.
    „Fegen“ heißt reinigen, und das Feuer steht wieder für Gottes liebende Nähe.
    So wie Gold im Feuer geläutert wird, so wird auch der Mensch gereinigt – nicht vernichtet, sondern veredelt.

    Ein Beispiel:
    Wer plötzlich mit dem Rauchen aufhört, spürt Schmerzen des Abgewöhnens.
    Ähnlich ist es, wenn man begreift, wie sehr Gott liebt – und erkennt, wo man selbst lieblos war.
    Diese Reue ist schmerzhaft, aber heilend.
    Das ist das Fegefeuer – die reinigende Liebe Gottes, die schon auf Erden beginnen kann.

    Am Ende seines Impulses schloss P. Johannes Paul mit einem Lächeln:
    „Die Gans hat fertig gebrutzelt – aber schon als Tote. Nachher reden wir weiter beim Essen.“


    🕊️ Zusammenfassung

    Der Mensch ist frei – nicht vorherbestimmt.
    Diese Freiheit macht ihn fähig, sich für oder gegen die Liebe zu entscheiden.
    Himmel, Hölle und Fegefeuer sind keine geografischen Orte, sondern Ausdruck dieser Beziehung zur göttlichen Liebe.
    Himmel: gelebte Einheit mit Gott.
    Hölle: dieselbe Gegenwart Gottes – aber unerträglich für jene, die sie ablehnen.
    Fegefeuer: Läuterung durch Liebe.

  • Alles getan

    Ihr nennet mich Licht –
    so sehet mich doch.
    Ihr nennet mich Weg –
    so folget mir doch.
    Ihr nennet mich Leben –
    so suchet mich doch.
    Ihr heißet mich schön –
    so liebet mich doch.
    Ihr heißt mich die Liebe –
    so folgt doch der Bahn,
    denn wenn ihr mich liebt,
    habt ihr alles getan.

    Als christlicher Trauerredner sage ich diese tröstende Botschaft aus dem Lübecker Dom oft auch Menschen, die längst nicht mehr zum Kreis der Messbesucher gehören. Die meisten nehmen sie gerne dankbar an.

    Der Dom zu Lübeck in der Nacht

    Im Jahre 1173 legte Heinrich der Löwe als Stifter den Grundstein des Doms als Kathedrale für das Bistum Lübeck, nachdem in den Jahren 1160–63 das Domkapitel und der Bischofssitz von Oldenburg in Holstein unter Bischof Gerold hierher verlegt worden war. Der Lübecker Dom gehört somit zu den vier sogenannten Löwendomen (Ratzeburg 1160/70, Schwerin 1171, Braunschweig 1173). Die Kirche wurde als Bischofskirche Johannes dem Täufer und als Gemeindekirche dem Heiligen Nikolaus geweiht.

    Quelle: Wikipedia abgerufen am 25.10.2025
    https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCbecker_Dom

  • Carpe diem

    Nutze den Tag im Licht der Ewigkeit

    Predigt von Univ.-Prof. Dr. Thomas Möllenbeck,
    im Wiener Stephansdom am Sonntag, 28. September 2025, 26. Sonntag im Jahreskreis (C), Orgelmesse um 12:00 Uhr sinngemäß zusammengefasst von Harald R. Preyer

    Ein Freund erhielt zum Priesterjubiläum eine kleine Sonnenuhr mit der Inschrift „Carpe diem“ – Nutze den Tag als Geschenk.
    Was bedeutet das eigentlich – aus christlicher Sicht?

    In der Antike hieß es: Genieße den Tag, solange du lebst. Denn mit dem Tod, so dachte man, sei alles vorbei. Ein solches Denken kann leicht in Egoismus führen.
    Aber: Wer erkennt, dass das eigene Wohl am Wohl der anderen hängt, lebt gerecht.
    So wird Carpe diem zur Einladung, bewusst, dankbar und solidarisch zu leben.

    Der Prophet Amos mahnt die Selbstzufriedenen: Wer nur an sich denkt, verliert den Sinn des Lebens.
    Paulus ruft Timotheus zu: Strecke dich aus nach dem Himmel!
    Und im Evangelium vom reichen Mann und Lazarus macht Jesus klar:

    „Sie haben Mose und die Propheten – wenn sie auf die nicht hören, werden sie sich auch nicht bekehren, wenn einer von den Toten aufersteht.“

    Christus ist auferstanden – und lädt uns ein,
    den Himmel schon hier beginnen zu lassen.

    Christlich verstanden heißt Carpe diem:

    • Nutze den Tag, nicht um zu nehmen, sondern um zu geben.
    • Nicht um zu genießen, sondern um zu lieben.
    • Nicht um die Zeit zu füllen, sondern um sie zu heiligen.

    Denn Jesus sagt:

    „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ (Joh 14,6)

    In jeder Eucharistie empfangen wir ihn –
    und werden verwandelt, damit wir Christus ähnlich werden.
    So wächst unser Leben hinein in das, was keine Grenze kennt:
    Wo Christus ist, da ist der Himmel.

    Der Himmel fängt hier an.


    Prof. Dr. Thomas Möllenbeck, geb. 1966, ist Domkurat am Stephansdom Wien, Professor für Dogmatik in Münster und Lehrender in Heiligenkreuz und Trumau.

  • Der Mönch am Meer

    Friedrich bohrt mit seiner radikal reduzierten Bildsprache: kein Tiefenraum, kein Begehbarkeit – nur Horizont, Himmel, Meer, Mönch. Der Klassiker zeigt nicht die Welt – er zeigt unser innerstes Sehnen und Zweifeln. In seiner Leere liegt das Dialogische: Der Betrachter ist nicht eingeladen, sondern eins mit dem Gemalten.

    Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“ nach der Restaurierung 2016 
    © Abb.: Andres Kilger/​bpk (Caspar David Friedrich „Mönch am Meer“ 1808 – 1810)

    Ein Bild wie ein Gebet in Farbe – es stellt die Frage nach Gottes Nähe, nach Trost in Stille und Weite, nach der Antwort auf unsere existentielle Einsamkeit.

    „Daran also sollten wir denken auf unserem nächsten einsamen Strandspaziergang an der Ostsee: dass wir den Mut haben, nach oben zu schauen, auch wenn wir alle Hoffnung haben fahren lassen. Oder wie es Marcel Proust, der große Kenner Friedrichs, einmal ausgedrückt hat: Halten Sie stets ein kleines Stückchen Himmel über Ihrem Leben frei.“

    Florian Illies beschreibt in DIE ZEIT Nr. 34/2025 das „küh­nes­te Gemälde des 19. Jahrhunderts in Deutschland“: Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“, entstanden zwischen 1808 und 1810. Der Mönch – einsam, verloren, im tiefen Zweifel – blickt aufs Meer, während Natur und Unendlichkeit aufs Innerste treffen.


    Geschenk-Link zum ZEIT‑Artikel: „Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich – Was denkt sich wohl der Mönch am Meer? 
    (ZEIT Magazin Nr. 34/2025, 8. August 2025)

    Publikation zur Restaurierung von Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“ erschienen

  • Ich bin nicht tot

    „Beklagt mich nicht wie einen Toten,
    wenn ich vor Gottes Angesicht lebe.“

    – Redaktion Magnificat nach Aloisius von Gonzaga

    Wer liebt, trauert.
    Wer glaubt, hofft.

    Wenn wir Abschied nehmen,
    sehen wir nur das Äußere:
    den leeren Platz, die Stille, die Leere.

    Aber der Glaube sieht mehr:
    eine Seele, die angekommen ist.

    Ein Herz, das jetzt schlägt im Rhythmus der Liebe Gottes.
    Ein Leben, das vollendet wurde – nicht beendet.

    „Denn wir wissen:
    Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird,
    dann haben wir von Gott ein ewiges Haus im Himmel.“

    (2 Korinther 5,1)

    Ich bin nicht tot – Ich bin bei Gott

  • Der Beistand

    Wir sind nicht allein. Der Beistand ist schon da. Der Heilige Geist ist nicht bloß ein Symbol für Kraft oder Trost – er ist Beziehung. Ein Teil Gottes. Und Gott ist die Liebe.

    Christus sendet den Geist, Ingeborg-Psalter, Nordost-Frankreich um 1200, Chantilly, Musée Condé, Ms. 9 olim 1695, fol. 32v, © BPK / RMN

    In dieser Miniatur, entstanden um 1200, strömen dreizehn Feuerzungen über die Köpfe der Urgemeinde. Maria sitzt in der Mitte, gekrönt, mit einem blauen Buch in den Händen – der Kirche gleich, empfängt sie das Geschenk von oben. Über allem: Christus, der Herr, der segnet und sendet.

    Es ist kein ferner Mythos. Es ist eine Einladung:

    Der Geist des Herrn fällt nicht vom Himmel – er ist schon da. Wir können ihm vertrauen. Der Gegenwart Gottes in uns.
    (Heinz Detlef Stäps)

    Wer geliebt hat, weiß: Die Liebe bleibt.
    Wer trauert, ahnt: Der Geist weht, wenn alles still steht.
    Wer betet, spürt: In der Zärtlichkeit Gottes lebt auch die Kraft, die uns aufrichtet.

    Lassen wir uns stärken.
    Lassen wir uns senden.
    Lassen wir uns lieben.

    Das Bild ist die Titelseite von Magnificat – das Stundenbuch vom Juni 2025.