„Das Geheimnis, tausend Hände am Tag schütteln zu können, besteht darin, selbst zu schütteln, nicht schütteln zu lassen.“
Anna Eleanor Roosevelt (amerikanische Menschenrechtsaktivistin und Diplomatin sowie Ehefrau des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, 1884–1962)
Oft tun mir die Witwen und Witwer leid, die nach einer hoffnungsfrohen schönen Abschiedsfeier die vielen Beileidsbekundigungen am offenen Grab ertragen müssen. Das monotone „Mein Beileid“ führt eher zu mehr Leid.
Kondolieren (lat., condolar = Mit-Leiden) ist alte Sitte und gut gemeint. Wie viel hilfreicher ist ein Anruf, ein Besuch in den ersten Tagen des Alleinsein – und wenn es nur eine stille Umarmung ist, die von Herzen kommt.
Jeder Mensch ist anders. Deshalb bespreche ich mit den engen Hinterbliebenen im Vorgespräch, welche Form des Kondolierens ihnen gut tut.
Wenn man das Grab nicht kennt, in dem er Ruh erworben
von Franz Grillparzer
Wenn man das Grab nicht kennt, in dem er Ruh erworben, wen, Freunde, ängstet das? Ist er doch nicht gestorben! Er lebt in aller Herzen, aller Sinn und schreitet jetzt durch unsre Reihen hin.
Deshalb dem Lebenden, der sich am Dasein freute, ihm sei kein leblos Totenopfer heute. Hebt auf das Glas, das Mut und Frohsinn gibt, und sprecht, es leerend, wie ers selbst geliebt:
»Dem großen Meister in dem Reich der Töne, der nie zu wenig tat und nie zu viel, der stets erreicht, nie überschritt sein Ziel, das mit ihm eins und einig war: das Schöne!«
Ehrengrab Ludwig van Beethoven, Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 32A, Grab 29). Die hohe weiße Obelisk‑Stele mit goldener Lyra markiert die letzte Ruhestätte eines der größten Komponisten der Musikgeschichte.
Dieses ergreifende Gedicht stammt aus der Feder von Franz Grillparzer (1791–1872). Es war ursprünglich Teil seiner Rede zur Beisetzung Ludwig van Beethovens (1770–1827), gehalten am 29. März 1827 auf dem damaligen Währinger Ortsfriedhof in Wien.
Ehrengrab Franz Grillparzer, Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 32A, Grab 14). Der bedeutende Dichter ruht unweit von Beethoven, Schubert & Co. – mitten im Komponistenfeld des Zentralfriedhofs.
Grillparzer, selbst ein Meister des Wortes, würdigte mit diesen Zeilen einen Meister der Töne. Er sprach nicht von Trauer, sondern von bleibender Gegenwart, nicht von Tod, sondern von Schönheit, Kunst und Ewigkeit.
Beethoven wurde später auf den Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 32A) umgebettet – in der Nähe seines musikalischen Bruders Franz Schubert. Auch Grillparzer fand dort seine letzte Ruhe – nur wenige Schritte entfernt.
Die Inspiration zu diesem Posting verdanke ich einem Gespräch mit Barbara M. Fischer, die mir das Gedicht mit feinem Gespür für Sprache und Gefühle in Erinnerung rief. Danke dafür.
Die beiden Fotos der Ehrengräber hat Hedwig Abraham gemacht, die mich 2024 mit Ihrem Fachwissen beeindruckt und durch den Zentralfriedhof geführt hat. Ich halte sie für eine hochkompetente und besonders engagierte Führerin durch Wien.