Es gibt eine Stille des Herbstes bis in die Farben hinein. — Hugo von Hofmannsthal (österreichischer Schriftsteller, 1874–1929)
Der Herbst hat eine besondere Art, still zu werden. Nicht abrupt – sondern sanft, fast zärtlich. Die Geräusche werden leiser, die Farben gedämpfter, das Licht milder.
Und manchmal spüren wir, dass diese Stille nicht leer ist, sondern erfüllt – von Erinnerungen, von Dankbarkeit, von dem Wissen, dass alles seine Zeit hat.
• Habe ich heute oder in den letzten Tagen diese Stille des Herbstes gespürt? • Wie wirkt dieses Bild auf mich – beruhigend, beängstigend, traurig?
Vielleicht ist es gerade diese Stille, in der wir Gott am nächsten sind.
Oft höre ich: „Die Menschen wollen keine christlichen Begräbnisse mehr.“ Das stimmt so nicht. Wahr ist: Immer mehr Trauerfeiern werden weltlich gestaltet – weil Angehörige Kontakte zu Priestern verloren haben, die sich Zeit nehmen, zuhören und Rituale verständlich erklären. Dabei erlebe ich, dass viele Menschen gerade im Angesicht des Todes eine Sehnsucht nach Gebet, Trost und Sinn haben. Bedenken sollten wir, dass meist viele der Mitfeiernden keine regelmäßigen Messbesucher sind.
Am Freitag durfte ich in Zwentendorf eine christliche Bestattung leiten. Über 250 Menschen – Familie, Freunde, Nachbarn, Kameradschaftsbund, Jäger, Kollegen – waren gekommen. Die kleine Barbara-Kapelle fasst nur rund zehn Personen, deshalb haben wir die Feier mit Lautsprechern auf den Platz vor dem Friedhof übertragen. So konnten alle mitbeten, zuhören und Anteil nehmen.
Rituale, die tragen
Besonders berührend war, wie die traditionellen Elemente bewusst erlebt wurden:
das Kyrie-Rufen: „Herr, erbarme dich unser. Christus, erbarme dich unser. Herr, erbarme dich unser.“ – aus tiefem Brustton der meisten Mitfeiernden,
das Evangelium: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ (1 Kor 13). Viele kennen diesen einen Satz von Hochzeiten – bei einer Verabschiedung passt er mindestens ebenso gut,
die Fürbitten, eindringlich beantwortet mit „Wir bitten dich, erhöre uns!“,
das Vaterunser, langsam, deutlich und gemeinsam gesprochen,
der Friedensgruß, bei dem sich Menschen umarmten und weinten,
die Einsegnung mit Weihwasser aus dem Stephansdom, Erde und einer roten Rose.
Diese Rituale, in verständlicher Sprache ganz kurz erklärt, haben Herzen berührt und Trost geschenkt. Sie sind keine leeren Formen, sondern Zeichen der Liebe und Hoffnung.
Nachklang
Von meiner Abfahrt in Simmering um 12:00 Uhr bis nach Korneuburg regnete es. Dann hörte der Regen auf. Die Tragseile der Donaubrücke wiesen wie ein Pfeil in den Himmel. Von 12:45 an hielt der Himmel die Wolken zurück – und erst auf meiner Heimfahrt begann es wieder zu regnen.
In radio klassik Stephansdom, das ich über Bluetooth-Internet im Auto hörte, erklang um 12:02 Gustav Mahler: Symphonie Nr. 2 c-Moll „Auferstehungs-Symphonie“, 2. Satz (Andante moderato) mit den Wiener Philharmonikern unter Gilbert Kaplan. Es war, als ob Musik, Himmel und Erde gemeinsam den Weg begleiteten.
Beim Schweinsbraten im Kreis der Angehörigen durfte ich erleben, wie sich Fragen in Dankbarkeit verwandelten.
Meine Lern-Erfahrung
Es stimmt nicht, dass die Menschen weniger religiös geworden sind. Aber sie holen sich Antworten oft außerhalb der Kirche. Ich selbst habe die entscheidenden Antworten auf Fragen nach Leid, Schuld, Vergebung und Liebe von priesterlichen Freunden empfangen – und spüre die Liebe Gottes am stärksten bei einer bewusst gefeierten Hl. Messe.
Vielleicht lade ich deshalb meine Auftraggeber nach einer Bestattung so gerne in den Stephansdom ein – zur Mittagsmesse und anschließend zu meiner besonderen Führung: „Der Stephansdom – eine Liebesgeschichte.“
Kommende Woche darf ich wieder eine Trauerfeier mit einem römisch katholischen Priester gemeinsam gestalten. Darauf freue ich mich sehr.
Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
Joh 20,29
eine Phantasie von Harald Preyer am frühen Morgen des 3.7.2025 Fest des Heiligen Thomas
Impuls zum Evangelium Haben wir Nachgeborenen die Chance, Jesus, den Auferstandenen, zu berühren, gerade so wie sein Freund Thomas? Die Wundmale des Getöteten mit eigenen Augen zu sehen? Mit den eigenen Fingerspitzen zu fühlen, dass es Jesus ist? Oder ist das ein Privileg, das mit Himmelfahrt ausklang? Das Johannes-Evangelium antwortet mit großer Klarheit. Nicht nur der zu spät gekommene Thomas findet seinen Wunsch über alle Maßen erfüllt, auch uns Nachgeborenen soll das große ganze Glück der Nähe zufallen. Glauben wir das? Leben wir auf dieses Glück zu? Leben wir aus diesem Glück? Lassen wir dieses Glück unser Leben umwerfen, unserem Leben aufhelfen? Wie es Maria von Magdala wagte, wie Simon Petrus, wie Thomas? Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard hat es so gesagt, und wahrscheinlich können wir es gar nicht oft genug hören: Unter Christenmenschen gibt es keine „Jünger zweiter Hand“.
Du darfst nie über den Glauben anderer urteilen! Bist du gläubig, so danke Gott dafür, der dir das ohne dein Verdienst geschenkt hat.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 29. Juni, 2025 (Matthäus 16,13-19).
Selten war so viel die Rede vom Papst wie in den letzten Wochen. Der Tod von Papst Franziskus am Tag nach Ostern, nach seinem letzten Segen „Urbi et orbi“, für die Stadt Rom und den ganzen Erdkreis. Am 8. Mai die Wahl von Leo XIV., dem ersten US-Amerikaner auf den Bischofsstuhl von Rom. Heute, am 29. Juni, wird das Fest der Apostel Petrus und Paulus gefeiert. Sie gelten als die Säulen der Kirche Roms. Mit ihnen hat alles begonnen, was heute noch Rom zum Zentrum der katholischen Kirche macht. Die beiden gehören untrennbar zusammen, auch wenn sie sehr verschieden waren. Gemeinsam ist ihnen, dass sie beide wegen ihres Glaubens an Christus im Jahr 67 den Märtyrertod gestorben sind, Paulus durch Enthauptung, Petrus durch Kreuzigung im Zirkus des Nero, dort, wo heute der Petersdom steht. Ich kann allen Romreisenden nur wärmstens empfehlen, die Ausgrabungen unter dem Petersdom zu besuchen. Eindrücklicher kann man nicht erahnen, wo und wie das bescheidene Grab des Petrus war, am Ende einer Gräberstraße, genau dort, wo sich heute, über diesem Grab, die gewaltige Kuppel des Petersdoms erhebt. Es gibt wohl wenige Orte auf der Welt, an denen man zweitausend Jahre ununterbrochener Geschichte als Gegenwart erleben kann, kein Museum, sondern lebendiges Heute.
Wie hat alles angefangen? Davon spricht das heutige Evangelium. Es entschlüsselt auch das, was man das Geheimnis von Petrus und Paulus bezeichnen kann. Matthäus, der ehemalige Zöllner, den Jesus berufen hat, war Augenzeuge. Ganz im Norden von Galiläa, wo Jesus mit seinen Jüngern alleine ist, stellt er ihnen die ganz persönliche Frage: „Wer sagt ihr, dass ich bin?“ (so die wörtliche Übersetzung). Die Antwort des Simon Petrus ist bis heute die Grundaussage des Christentums: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Sie ist Grundstein und Stein des Anstoßes zugleich. Wegen dieses Bekenntnisses ist Petrus gekreuzigt worden. Wegen ihm ist er der Fels, auf dem Christus seine Kirche zu bauen versprochen hat.
Die Heiligen Petrus und Paulus auf dem Altarblatt des Steinmetz Altars im nördlichen Langhaus des Wiener Stephansdoms *.
Doch sehen wir uns das genauer an, um Missverständnisse zu vermeiden. Auf die Antwort des Petrus gibt Jesus ihm drei Verheißungen. Sind sie eingetreten? Haben sie sich bewahrheitet? Die erste Verheißung ist die wichtigste: „Selig bist du, Simon Barjona, denn nicht Fleisch und Blut haben dir das geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ Was für Petrus gilt, gilt bis heute: An Jesus zu glauben, ihn als Christus, als Sohn Gottes zu erkennen, ist nicht Ergebnis unserer eigenen Überlegungen. Der Glaube ist Geschenk Gottes. Daraus folgt: Du darfst nie über den Glauben anderer urteilen! Bist du gläubig, so danke Gott dafür, der dir das ohne dein Verdienst geschenkt hat.
Die zweite Verheißung ist eine ebenso wichtige Klarstellung: „Du bist Petrus – der Fels – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.“ Es ist nicht deine Kirche, lieber Petrus, sondern meine, sagt Jesus überdeutlich. Nicht du wirst sie bauen, sondern ich selber! Wo immer wir „Kirchenleute“ das vergessen und so tun, als wäre sie unsere eigene „Firma“, verraten wir das Wesen der Kirche.
Daher der große Trost der dritten Verheißung: „Die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“ Unzerstörbar ist sie nicht wegen ihres „Bodenpersonals“, sondern weil Christus sie immer von innen her erneuert durch seinen Geist. Die zweitausendjährige Geschichte der Kirche und der Päpste lebt aus dieser Kraft der Erneuerung, die von Christus ausgeht. Dem Petrus hat Jesus die Schlüssel des Himmelreichs nur anvertraut. Es sind nämlich die Schlüssel Jesu.
Quelle: Predigten von Kardinal Schönborn auf der Homepage der EDW
* Der „Steinmetzaltar“ gehört zu den ältesten barocken Altären des Domes. Er wurde 1677 von den bürgerlichen Steinmetzen beauftragt und ist der einzige Barockaltar, der nicht aus Stein, sondern aus Holz angefertigt wurde; die täuschende Wirkung ist nur gemalt.
Das Hauptbild stammt von Tobias Pockh, ein Maler aus Konstanz, der 1647 nach Wien berufen wurde, um gemeinsam mit seinem Bruder Johann den Hochaltar von St. Stephan zu errichten. Das Altarblatt zeigt die beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus, die von einem Engel gekrönt werden.
Die rahmenden Heiligen, Leopold III. von Österreich und Kaiser Heinrich II., waren Gründer und Bauherren zahlreicher Kirchen und damit für die Bauleute von großer Bedeutung.
Quelle: „Unser Stephansdom“ – Verein zur Erhaltung des Stephansdoms, Nr. 136 / Juni 2022
Gibt es Gott? Diese Frage stellt sich früher oder später jeder Mensch. Dr. Johannes Hartl, Theologe und Philosoph, bringt es in einem Gespräch auf den Punkt:
„Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“
Hartl erklärt: Die Ordnung und Logik des Universums, unsere Fähigkeit zu denken und zu fragen, deuten darauf hin, dass es einen Urheber dieser Welt gibt. Das Universum sei kein reines Zufallsprodukt, sondern trage in seiner Gesetzmäßigkeit Spuren einer höheren Vernunft.
Warum das Leiden uns zweifeln lässt
Das stärkste Argument gegen Gott ist für Hartl das Leid in der Welt. Doch er sagt auch: Ohne Gott wird das Leiden nicht kleiner, sondern wir verlieren eine Quelle von Trost und Sinn.
Wir sehen nur einen kleinen Ausschnitt unseres Lebens. Vielleicht hat Gott Gründe, warum er eine Welt mit der Möglichkeit von Leid erschafft – weil er uns Freiheit schenkt und Leben ermöglicht, das nicht nur von außen gesteuert ist.
Religiöse Erfahrung – Ein Hinweis?
Hartl verweist auf ein einfaches Bild:
„Wir hätten keinen Durst, wenn es kein Wasser gäbe.“
So könnte auch unser Sehnen nach Gott ein Hinweis darauf sein, dass es ihn gibt. Religiöse Erfahrungen sind Teil der Menschheitsgeschichte und geben vielen Menschen Halt.
Glaube als Fundament
Glaube ist kein mathematischer Beweis, sondern eine Entscheidung:
Lebe ich so, als wäre alles nur Zufall?
Oder lebe ich in dem Vertrauen, dass mich ein liebender Gott gewollt hat?
Der Glaube, so Hartl, sei „die grundlegendste Einstellung, die unser Leben trägt.“
Was bedeutet das für Trauernde?
In Momenten des Abschieds kann diese Frage besonders drängen. Das Gespräch mit Dr. Hartl lädt dazu ein, Trost zu finden in der Möglichkeit, dass Gott existiert, uns kennt und trägt – gerade im Leid und in unserer Suche nach Sinn.
In Tiefen, die kein Trost erreicht, lass doch deine Treue mich erreichen. In den Nächten, wo der Glaube weicht, lass nicht deine Gnade von mir weichen.
Auf dem Weg, den keiner mit mir geht, wenn zum Beten die Gedanken schwinden, wenn mich kalt die Finsternis umweht, wollest du in meiner Not mich finden.
Wenn die Seele wie ein irres Licht flackert zwischen Werden und Vergehen, wenn es mir an Trost und Rat gebricht, wollest du an meiner Seite stehen.
Wenn ich deine Hand nicht fassen kann, nimm die meine du in deine Hände, nimm dich meiner Seele gnädig an, führe mich zu einem guten Ende.
Justus Delbrück (1902–1945) aus einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager
„Nicht der Ort ist das, was letztlich zählt; was man spürt, ist das, was bleibt.“
(Taoistische Meditation, Tag 170 – Schrein)
Wenn wir an Fronleichnam das Allerheiligste in goldener Monstranz durch die Straßen tragen, dann ehren wir nicht einfach einen Schrein. Wir ehren eine Gegenwart, die uns innerlich berührt.
Wie im Taoismus der Schrein nicht bloß ein exotischer Ort ist, sondern ein Spiegel des Herzens, so ist auch Fronleichnam kein Spektakel, sondern eine Einladung:
Gott wohnt unter uns. In uns.
Wurzel Jesse Monstranz, Dom Museum Wien
Ob du den Schrein im Tao oder das Allerheiligste in der katholischen Liturgie suchst – beide feiern das Heilige als Gegenwart. Was zählt, ist nicht, wohin du gehst, sondern wie du gehst: Mit offenem Herzen.
Alltagssorgen fallen auf den kristallenen Boden. Buchstaben aus Feuer zeigen sich in der Luft. Und erscheinen wieder in deinem Herzen.
Deng, Ming-Dao. 365 Tao: Meditationen für jeden Tag des Jahres
Dann geschieht Wandlung. In der Trauer wie im Glauben gibt es heilige Orte. Nicht, weil sie geweiht sind – sondern weil sie uns verwandeln.
Manche finden ihren Glauben früh. Andere erst spät. Und viele suchen ihr Leben lang.
Ich glaube: Es ist nie zu spät, sich berühren zu lassen. Nie zu spät, still zu werden. Nie zu spät, sich anvertrauen zu dürfen.
Es ist vielleicht gerade Zeit, eine Minute einfach still zu werden und dankbar zu sein.
Vielleicht beginnt Glauben genau da, wo wir nicht mehr alles verstehen müssen, und einfach bereit sind, Danke zu sagen. Im ruhigen Atmen und ganz im Augenblick.
Einfach so. Jetzt.
„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ (Johannes 20,29)
Das Wort ist dir nahe, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen.
Gemeint ist das Wort des Glaubens, das wir verkündigen; denn wenn du mit deinem Mund bekennst: „Jesus ist der Herr“, und in deinem Herzen glaubst: „Gott hat ihn von den Toten auferweckt“, so wirst du gerettet werden.
Wer mit dem Herzen glaubt und mit dem Mund bekennt, wird Gerechtigkeit und Heil erlangen.