Schlagwort: Friede

  • Mamas Geburtstag

    Ich bin dankbar, dass wir in Österreich im Frieden leben – so lange ich mich erinnern kann. Für meine Eltern war das nicht selbstverständlich. Sie haben mir erzählt, dass sie manchmal mitten in der Nacht in die Luftschutzbunker laufen mussten, wenn die Sirenen heulten. Sie haben noch Krieg erlebt, Zerstörung und den mühsamen Wiederaufbau. Für mich dagegen ist Frieden wie die Luft, die ich atme. Oft nehme ich sie kaum wahr.

    Wenn ich die Worte des Propheten Michaja lese, merke ich: Schon vor fast 3000 Jahren haben Menschen genau das ersehnt, was wir so leicht vergessen – Sicherheit, Gerechtigkeit, ein Leben ohne Angst. Michaja schaut in eine dunkle Zeit voller Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Korruption. Und er sagt: „Eine Frau wird gebären. Und das Kind, das zur Welt kommt, wird der Friede sein.“

    Die Kirche feiert am 8. September Mariä Geburt. In ihr sieht sie jene Frau, die Gott erwählt hat, um seinen Sohn in die Welt zu bringen. Maria erinnert uns: Frieden kommt nicht durch Macht oder Gewalt, sondern ganz klein – in der Zerbrechlichkeit eines Kindes.

    Brauchen wir heute einen neuen Michaja? Vielleicht. Aber vielleicht reicht es auch, dass wir selbst ein Stück Michaja werden – indem wir nicht vergessen, wie kostbar Frieden ist, und indem wir ihn im Kleinen weitergeben: in unseren Familien, in unseren Worten, in unserem Verhalten.


    So spricht der HERR: Du, Betlehem-Efrata, bist zwar klein unter den Sippen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll. Seine Ursprünge liegen in ferner Vorzeit, in längst vergangenen Tagen.
    Darum gibt der HERR sie preis, bis zu der Zeit, da die Gebärende geboren hat. Dann wird der Rest seiner Brüder zurückkehren zu den Söhnen Israels. Er wird auftreten und ihr Hirt sein in der Kraft des HERRN, in der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes.
    Sie werden in Sicherheit wohnen; denn nun wird er groß sein bis an die Grenzen der Erde. Und er wird der Friede sein.


    Gedanken aus Magnificat – das Stundenbuch

    Mariä Geburt – das Fest

    Die römische Liturgie kennt drei Geburtsfeste: die Geburt Jesu, die Geburt seines Vorläufers Johannes und die Geburt Marias. Der Ursprung des Festes Mariä Geburt liegt wahrscheinlich in der Weihe der Kirche St. Anna, der Mutter Marias, in der Nähe des Betesdateiches in Jerusalem. Man nahm an, hier habe das Geburtshaus Marias gestanden.

    Die Ostkirche kannte schon im sechsten Jahrhundert dieses Fest, im Westen wurde es durch Papst Sergius I. (687–701) eingeführt. Er nennt es unter den vier Marienfesten, die in Rom gefeiert werden: „Begegnung“ (Mariä Lichtmess, heute: „Darstellung des Herrn“), „Verkündigung“, „Mariä Himmelfahrt“ und „Mariä Geburt“. Im 10./11. Jahrhundert breitete sich das Fest in der gesamten katholischen Kirche aus.

    Der 8. September als Geburtstag Mariens bezeichnet kein historisches Datum. Er steht im Zusammenhang mit dem Datum ihrer Empfängnis, das entsprechend neun Monate vorher für den 8. Dezember festgesetzt wurde. Am Geburtstag Marias betet die Kirche: „Die Geburt des Erlösers aus Maria war für uns der Anfang des Heils; das Geburtsfest seiner allzeit jungfräulichen Mutter festige und mehre den Frieden auf Erden.“

    Impuls zur Lesung

    Der Prophet Micha ist ein jüngerer Zeitgenosse der Propheten Amos und Hosea und des Jesaja. Wie sie tritt er gegen die Entsolidarisierung der Gesellschaft an, die sich im ausgehenden 8. Jahrhundert v. Chr. in der Verarmung breiter Kreise der Bevölkerung zeigt. Kleinbauern und Handwerker werden rücksichtslos zu staatlichen Frondienstleistungen herangezogen und durch Steuerpolitik und die damit verbundenen Kreditgeschäfte gezielt ruiniert, der Beamtenapparat ist zunehmend korrupt, reiche Grundbesitzer halten Wirtschaftskriminalität für ein Kavaliersdelikt. Micha war wohl selbst Großbauer, der in der Funktion eines Bürgermeisters öfter in die Hauptstadt kam. Durch den Luxus der Reichen und Regierenden ließ er sich nicht blenden, sondern behielt einen klaren Blick. Sein Name ist Programm. Unverkürzt lautet er „Mi-cha-ja“: „Wer ist wie Ja(hwe)?“. Im Matthäus-Evangelium wird die Geburt des Messias von Micha 5, 1–4a her gedeutet: Ein Hirt Israels in der Kraft des Herrn und im hohen Namen des Herrn wird auftreten, machtvoll, und doch kein Machthaber und kein Machtmensch. Er wird „der Friede sein“!


    Quelle: Magnificat – Das Stundenbuch, September 2025

  • Pfingsten ist das Gegenteil von Babel


    Predigt von Msgr. Mag. Clemens Abrahamowicz gehalten in der Pfarrkirche St. Stephan zu Baden bei Wien am Pfingstsonntag 2025(sinngemäße Transkription ab 05:30)

    Liebe Brüder und Schwestern,

    das Halleluja mit der großen Länge und Betonung, die wir vorher gehört haben, zeigt ja eigentlich das österliche Geheimnis. Im österlichen Geheimnis hat sich Jesus total hingegeben. Aber Pfingsten ist die Vollendung des österlichen Geheimnisses. Das heißt: Christus hat nicht – sage ich einmal salopp – sein privates Ostern, seine private Erlösung, denn er hat ja doch schließlich so viel für uns geliebt. Nein – er gibt uns sein Innerstes, seinen Geist, damit auch wir ständig österliche Menschen sind: Aufstehmanderl, Aufstehfrauen. Wann auch immer das Leid ist – wieder aufstehen, wieder auf-er-stehen. Aber das nicht nur stimmungsabhängig, sondern fixiert.

    Die Firmung bedeutet das Sakrament der Festmachung. Firmare – „to make firm“, gefestigt sein. Liebe Brüder und Schwestern, das ist das große Geheimnis. So entsteht hier unter Christus, der Auferstandene, der in euch und in mir lebt – gleichzeitig im Himmel und auf Erden.

    Mit dem Vergleich zu Paulus: der Körper, der Leib, der Kopf ist und bleibt immer Christus selbst – schon im Himmel. Wir, seine Glieder, noch auf Erden. „Dein Wille geschehe“ bedeutet: Wenn wir eins in Christus sind, ist automatisch sein Wille erfüllt.

    Liebe Brüder und Schwestern, das klingt so ureinfach, bedeutet aber, dass wir neu verstehen, dass wir als Kirche zusammengeführt sind. Kein Zufall, dass das Phänomen Kirche stark angefeindet wird. Es ist ein Störfaktor für das Geschäft des Krieges. Es ist ein Störfaktor für das Geschäft mancher Formen von Unterhaltung, die sehr verkaufstüchtig sind, aber das Leben eben dann zerstören. Hier ist eine Alternative, die aber Friedenskompetenz hat. Glückskompetenz, will ich sogar sagen – eine Zufriedenheit trotz verschiedener Nöte, seelischer oder physischer Nöte.

    Christus zeigt den Weg des Lebens. Und das wird sozusagen jetzt festgemacht, damit wir gefestigt – und nicht wehmütig und stimmungsabhängig – unseren Weg gehen.

    Ich fasse zusammen, was Sie wissen, damit Sie sehen, wie sehr diese Handschrift Gottes sich durch die gesamte Geschichte immer durchgezogen hat. Das Gegenteil von Pfingsten ist eben Babel: der Hochmut. „Wir werden einen Turm bauen, wir werden ein Logo haben, man wird uns nie mehr …“ – alles zerbröselt, wird kaputt. Das Volk, das eigentlich schon eine Sprache hätte, versteht sich nicht. Ein Ehepaar, das dieselbe Muttersprache spricht, ist im Streit: „Du verstehst mich nicht.“ Was möglich ist, wird sogar unmöglich.

    Gott schenkt genau das Gegenteil: dass das Unmögliche möglich wird. Pfingsten ist das Gegenteil von Babel, und das Volk bekommt den Kurs dazu – die Zehn Gebote. Sie hören sie und sagen: „Herr, alles, was du gesagt hast, wollen wir tun. Amen.“ Und sie leben mit dem Wort in Stein gemeißelt, so dass andere Völker sagen: Was ist denn da für eine Mentalität in diesem Volk? Ein anderes Wort schon fast für Geist – es ist aber nicht der Heilige Geist.

    Aus welcher Motivation heraus bleibt dieses Volk in einem Netz, das sich auch sozial auswirkt? Liebe Brüder und Schwestern, so quasi alttestamentlich ist der Heilige Geist schon vorhanden. Wenn das Volk dann dekadent ist und kaputt geht, da prophezeit er: „Ich mache euer Herz neu, ich wasche es.“ Damit kommt das Wasser ins Spiel. Das Wasser hat nicht nur reinigende Wirkungen, sondern lässt auch aufblühen.

    Wir leiden als Österreicher so viel, wenn es regnet – aber derselbe Regen trifft alle Pflanzen. Ob Kaktus oder Leberblümchen: alles blüht auf, duftet. Ihr alle, in den verschiedensten Formen von Mentalitäten, wir blühen auf – durch unsere Begabungen. Lasst Gott euch als Geschöpfe, seine Ebenbilder, aufblühen.

    Und wir sind beauftragt, in dieser Verschiedenheit zusammen zu sein – und mit unseren Blüten nach oben zu schauen, einfach Gott zu loben. Darauf sind wir auch schön. Was schön ist, ist auch gut und wahr und gerecht.

    Nun kommt Christus und lebt das und dekliniert das durch – nicht noch einmal in Stein gemeißelt, aber in der Wirklichkeit durch starke Worte. Nicht nur einfach durch Verkündigung, sondern auch durch Zeichen: wenn er den Blinden sehend macht. Was kriegt jetzt die Menschheit? Etwas Neues – dass sogar ein Blinder sehend wird, dass sogar ein Mensch, der viele Qualitäten vielleicht nicht hat, trotzdem innerlich schon sehend ist.

    Christus macht ihn sehend. Christus macht den Gelähmten beweglich – so dass wir schnell durch Vergebung wieder zusammenwachsen können. Und miteinander beweglich und nicht versteift sind. Genau das Gegenteil haben wir momentan: durch Kriegsführung, durch Streit. Man ist wie ein Gelähmter und sagt: „Du musst dich ändern, ich kann mich ja nicht ändern – ich bin ja versteift.“

    Christus entspannt, lockert und sagt: „Steig doch herunter vom Podest, bitte um Vergebung.“ Und diese Vergebung – Gebet, Bitte und Gabe – wird wie ein Dominostein. Er fängt die ganze Welt an. Dann ist der Friede gegeben.

    Liebe Brüder und Schwestern, damit sehen wir, dass Christus in die Welt gekommen ist, um praktisch dieses durchzudeklinieren – und uns pfingstlich zu machen. Bis hin aber, dass ihm das selber den Tod kostet. Damit sind wir bei Ostern angelangt.

    Und jetzt: Pfingsten ist die Vollendung von Ostern. Als würde Jesus sagen: Es genügt mir nicht, dass ihr wisst, dass ich auferstanden und unter euch bin. Es genügt mir nicht, dass ihr nur die Eucharistie habt. Es genügt mir nicht, dass ihr nur einander lernt zu lieben, wie die Fußwaschung es angedeutet hat. Ich möchte, dass ihr selber – durch eure Begabungen – Zeugnis gebt für ihn, den Einen, der die ganze Menschheit vereint.

    Durch den Blick hinauf zu dem Einen sind wir eins, obwohl wir noch verschieden sind. Verstehen wir uns, obwohl wir verschiedener Meinung sind? Können wir einander annehmen, obwohl wir vielleicht diametral anders denken? Haben wir einmal Geduld und Warten – und sind wir fähig, einfach zu dienen?

    Liebe Brüder und Schwestern, das Geheimnis von Pfingsten – lasst es uns feiern und danken. So wie auch der Dirigentenstab sich hebt und alle die verschiedenen Stimmen von seinem herrlichen Gott singen – die einklingen, wunderbar und motivierend.

    So sind wir berufen, als Christen weltweit – nicht nur in Rom, sondern weltweit – so sehr von ihm gedrängt zu sein, dass wir ihn in den verschiedensten Sprachen – wie es ein afrikanischer Kirchenvater sagt – verkünden. Er meinte: man müsse als Christen alle Sprachen kennenlernen. Aber dieser eine Körper Christi spricht dieselbe Botschaft in allen Sprachen der Welt – auch auf Deutsch. In Baden.

    Amen.