Schlagwort: christliche Trauerbegleitung

  • Aus der eigenen Tiefe begleiten

    „Der Leidende ist der Lehrende.“
    (Viktor E. Frankl)


    Glaubwürdigkeit entsteht nicht dort, wo ein Mensch unversehrt bleibt, sondern dort, wo er gefallen ist – und wieder aufsteht.

    Mein eigener Weg war alles andere als geradlinig. Ein Studium, das ich nicht zu Ende geführt habe. Jahrzehnte der Abhängigkeit. Fehler, die Beziehungen zerstört haben. Verantwortung, der ich ausgewichen bin. Eine strafrechtliche Verurteilung. Eine Notoperation in Kiew, die mir das Leben rettete – und zugleich den letzten Abgrund zeigte. In dieser Nacht am 8. Dezember 2019 zwischen Leben und Tod habe ich etwas erfahren, das ich mir nicht selbst geben konnte: Gnade.

    Das war der Wendepunkt. Seitdem hat sich mein Leben vereinfacht und es hat einen Sinn bekommen, der trägt. Heute stehe ich als Lektor im Stephansdom am Ambo, spreche Gottes Wort, und ich stehe an den Gräbern anderer Menschen und begleite ihre Familien als christlicher Trauerredner.

    Ich könnte diesen Dienst nicht tun, wäre mein eigenes Leben nicht auch durch Leid geformt worden. Frankl hat recht: Der Leidende wird zum Lehrenden – nicht, weil er „besser“ wäre, sondern weil er die Dunkelheit kennt und deshalb ein anderes Licht sehen kann.

    Authentizität entsteht nicht aus Perfektion, sondern aus Erlösung. Und wer selbst erfahren hat, was Gnade bedeutet, kann anderen Hoffnung zusprechen, ohne zu belehren. Ich lebe heute aus Dankbarkeit – und aus dem Wissen, dass Gott jeden Menschen dort abholt, wo niemand sonst mehr hinreicht.


    Harald R. Preyer, geboren am 3. Mai 1963 in Innsbruck, war ab 1990 weltweit Unternehmensberater für Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit. Seit seinem 60. Lebensjahr arbeitet er aus innerer Berufung als christlicher Trauerredner.
    Jeden Sonntag um 12:00 Uhr tut er im Wiener Stephansdom Dienst als Lektor und Kommunionspender in der Orgelmesse. Anschließend führt er regelmäßig kleine Gruppen im Rahmen seiner Sonderführung „Der Stephansdom – eine Liebesgeschichte“ zu Orten im Dom, die sonst verborgen bleiben.
    Harald ist mit Yuliya verheiratet, Vater von drei erwachsenen Kindern – und wird oft begleitet von seinem besten Freund „Teddy“, einem asiatischen Chow-Chow.“