Schlagwort: Auferstehung

  • In der Liebe, die alles umfängt

    Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht
    und das Wort, das wir sprechen, als Lied erklingt,

    dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
    dann wohnt er schon in unserer Welt.
    Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht
    in der Liebe, die alles umfängt.

    Wenn das Leid jedes Armen uns Christus zeigt,
    und die Not, die wir lindern, zur Freude wird,
    dann hat Gott unter uns …

    Wenn die Hand, die wir halten, uns selber hält,
    und das Kleid, das wir schenken, auch uns bedeckt,
    dann hat Gott unter uns …

    Wenn der Trost, den wir geben, uns weiterträgt,
    und der Schmerz, den wir teilen, zur Hoffnung wird,
    dann hat Gott unter uns …

    Wenn das Leid, das wir tragen, den Weg uns weist,
    und der Tod, den wir sterben, vom Leben singt,
    dann hat Gott unter uns …

    Claus Peter März (1947 – 1921), © Rechtenachfolge – GL 470


    Screenshot von Magnificat – das Stundenbuch
    Ausgabe November 2025
    Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer

  • Weitergehen

    Ich möchte gar nicht möglichst lange leben.
    Ich will mein Leben auskosten und genießen – bis die Zeit reif ist, weiterzugehen.

    Und ich glaube: Dieses Weitergehen ist kein Ende.
    Es ist ein Heimkommen.

    Ich bin gewiss, dass ich dort meine Lieben wiedersehen werde – in einer Wirklichkeit, die Liebe heißt.

    Vielleicht ist das auch die leise Botschaft meiner Trauerfeiern:
    Der Schmerz bleibt, ja. Aber er wird leichter, wenn wir spüren,
    dass Liebe stärker ist als der Tod.
    Sie trägt. Sie verbindet. Sie siegt.

    „Du bleibst in unseren Herzen“ – das ist gut gemeint.
    Aber ich glaube: Du lebst weiter – in Gott, in uns, in der Liebe.

    Wir werden uns wieder umarmen. In Gottes Zeit.

  • Weihetag der Lateranbasilika

    Predigt von P. Johannes Paul Abrahamowicz OSB am 9.11.2025


    Kirchweihfest

    Am 9. November, ganz gleich, auf welchen Wochentag dieses Datum fällt, feiern wir das Kirchweihfest der Lateranbasilika.
    Diese Kirche in Rom ist der eigentliche Bischofssitz des Papstes. Viele glauben, der Petersdom sei die Hauptkirche des Papstes – aber das stimmt nicht. Der Petersdom ist sozusagen die Hauskapelle des Papstes, sein eigentlicher Sitz, seine Kathedra, befindet sich in der Lateranbasilika. Auf ihrer Fassade steht in großen Buchstaben:
    „Mater et Caput, Urbis et Orbis“ – Mutter und Haupt der Stadt und des Erdkreises.
    Darum feiern wir Christen auf der ganzen Welt jedes Jahr am 9. November das Weihefest dieser Kirche, die uns an die Einheit der Kirche erinnert.

    Wenn wir an Kirchweih denken, meinen wir natürlich nicht nur ein Gebäude aus Ziegeln. In der ersten Lesung haben wir vom Tempel gehört – einem Bau aus Steinen. Das Schöne an dieser Lesung ist das Bild, wie aus dem Tempel ein Strom von lebendigem Wasser fließt. An einer anderen Stelle im Alten Testament fließt ein solcher Strom nach Jerusalem hinein. Es gibt also beides – und beides sind schöne Bilder, die auf etwas Tieferes hinweisen.
    Das lebendige Wasser bedeutet Frieden und Leben.
    Wenn wir den Tempel als Bild für die Gemeinschaft der Glaubenden verstehen, heißt das: Aus jeder echten Gemeinschaft fließt Leben, fließt Frieden. So ähnlich haben wir das auch in der zweiten Lesung aus dem ersten Korintherbrief gehört.

    Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth, dass wir Tempel Gottes sind. Damit meint er nicht nur die Gemeinschaft insgesamt, sondern jeden Einzelnen. Gott wohnt in dir. Wir Katholiken kennen dieses Verständnis von der Gegenwart Gottes im Allerheiligsten Sakrament.
    Im Alten Testament war die Bundeslade Zeichen der Gegenwart Gottes, ebenso der Weihrauch, der an die Rauchsäule erinnert, die Israel durch die Wüste führte. Darum geht in unseren Prozessionen der Weihrauch vor dem Kreuz – als Symbol dieser Wolkensäule, die das Volk in das verheißene Land führte.

    Als Salomo den Tempel einweihte, wurde er vom Rauch erfüllt – so stark, dass man nichts mehr sehen konnte. Diese Erfüllung mit der Gegenwart Gottes ist bis heute ein starkes Bild, das wir in der Liturgie bewahren. Zum Beispiel bei einem Begräbnis: Wenn der Priester den Sarg mit Weihrauch beweihräuchert, spricht er:
    „Dein Leib war Gottes Tempel.“
    Das bedeutet: Dein Leib war erfüllt von der Gegenwart Gottes – so wie einst der Tempel. Und so kann man weiterbeten:
    „Der Herr erfülle dich jetzt mit seiner Gegenwart von ewiger Freude.“

    So zeigt sich: Es geht im Glauben nicht um das Äußere, sondern um das Innere. Wenn wir Tempel Gottes sind, beherbergen wir Christus selbst. Jeder Einzelne und wir alle gemeinsam sind eine Gemeinschaft, aus der Frieden und Leben fließen.
    Das geschieht durch die Liebe zu Gott und zum Nächsten.
    Klingt leicht – ist aber nicht leicht. Niemand verlangt, dass wir darin perfekt sind, aber wir spüren: Es tut uns gut, wenn es uns gelingt. Darum tragen wir die Sehnsucht in uns, es immer wieder zu versuchen.
    In diesen Tagen haben wir den heiligen Martin und die heilige Elisabeth als Vorbilder, Heilige der Nächstenliebe.

    Ein Wort noch zum Ausdruck „Mutterkirche“: Dieses Bild wird auch heute in der Präfation, also kurz vor dem „Heilig“, erwähnt. Die Kirche ist Mutter, aber zugleich auch Braut. Da denken wir an Maria.

    Die Glaubenskongregation in Rom hat vor kurzem verkündet, dass man nicht mehr sagen soll, Maria sei „Miterlöserin“ – Co-Redemptrix. Das hat einige durcheinandergebracht. Im deutschen Sprachraum brauchen wir uns darüber keine Sorgen zu machen, denn bei uns bedeutet Miterlöserin nicht, dass Maria auf gleicher Ebene mit Christus steht.
    In den anderen Sprachen aber klingt das Wort „con“ – also con-Redemptrix – nach Gleichrangigkeit, und das musste klargestellt werden.

    Ein Beispiel: Ein Priester, der mit einem anderen konzelebriert, ist ein Konzelebrant – also gleichrangig. Das ist bei Maria nicht so. Sie ist nicht gleichrangig, sondern Miterlöserin, weil sie Mutter und Mitwissende ist.
    Sie wusste, was ihr Sohn erleiden würde, und sie hat zugestimmt.
    In diesem Sinn ist sie Miterlöserin durch Mittragen und Mitlieben.

    Darum: Keine Sorge über das vatikanische Dekret – in den anderen Sprachen ist es eine gute Klärung, dass Maria nicht identisch mit Jesus, sondern Teil seines Erlösungswerkes ist.

    Wir sind als Gemeinschaft Kirche – Mutterkirche.
    Die Mutter gebiert Kinder, deswegen gibt es Taufen.
    Und das ist alles, was wir heute feiern:
    Die Gemeinschaft der Gläubigen, aus der Friede ausströmt, weil sie Gott und den Nächsten lieben.

    Amen.


    2. Zusammenfassung

    P. Johannes Paul Abrahamowicz OSB erklärt zum Weihetag der Lateranbasilika, dass diese Kirche der eigentliche Bischofssitz des Papstes ist und für alle Christen Symbol der Einheit der Kirche.
    Er deutet die biblischen Lesungen als Hinweis darauf, dass nicht Steine, sondern Menschen der wahre Tempel Gottes sind – aus deren Herzen wie aus dem Tempel Salomos das „lebendige Wasser“ des Friedens und der Liebe fließt.
    Der Weihrauch erinnert an die Gegenwart Gottes und an die Würde des menschlichen Leibes als Wohnort des Heiligen Geistes.
    Als Christen sind wir berufen, Träger dieses Friedens zu sein, indem wir Gott und den Nächsten lieben.
    Schließlich erläutert P. Johannes Paul die Entscheidung der Glaubenskongregation, Maria nicht mehr Co-Redemptrix zu nennen: Sie ist keine gleichrangige Erlöserin, sondern Miterlöserin durch Mittragen und Mitlieben.
    So wird die Kirche als „Mutter“ verstanden, aus der neues Leben strömt – sichtbar in der Taufe und in jeder Gemeinschaft, die aus Liebe lebt.

  • Die Musik berührt meine Seele

    „Wir wissen, dass die Seele etwas Feinstoffliches, Besonderes, Transzendentes ist und sich nicht mit den Gesetzen der Physik erfassen lässt.“

    (Aus: 365 Tao – Meditationen für jeden Tag des Jahres, Tag 308)

    Für mich ist die Seele eines Menschen das, was ihn oder sie einzigartig macht.
    Sie ist die leise Kraft, die uns berührt, wenn Worte fehlen.
    Sie lebt weiter, wenn ein geliebter Mensch stirbt – in unseren Herzen.
    Und sie wird wieder „Körper“ – in Gottes Zeit.

  • Der Ehering

    Heute im Stephansdom erzählte Dr. Richard Tatzreiter, Regens des Wiener Priesterseminars, eine Geschichte, die mich nicht loslässt:

    Eine Ordensschwester durfte anlässlich ihrer ewigen Profess einen Ring wählen – entweder einen alten aus dem Kloster oder einen neuen.
    Sie entschied sich für einen neuen und ging – in Zivil – zu einem Juwelier in der Wiener Innenstadt.

    „Was darf es sein?“, fragte der.
    „Ein Ehering“, sagte sie.
    Er blickte überrascht. „Sie wollen einen Ehering?“
    „Ja.“
    „Mit Gravur?“
    „Ja. Bitte: Resurrectio mortuorum.“

    Der Juwelier, offenbar des Lateinischen mächtig, runzelte die Stirn:
    „Ihr Bräutigam ist also von den Toten auferstanden?“
    Sie lächelte: „Ja.“

  • Trauer als heilige Katharsis

    Zum Gedenktag des hl. Ignatius von Antiochia
    – Freitag, 17. Oktober 2025

    (Welttag gegen Armut und Ausgrenzung)

    Lesung aus dem Morgengebet: 1 Petr 1, 6–9

    Ihr seid voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müsst.
    Dadurch soll sich euer Glaube bewähren, und es wird sich zeigen, dass er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist.
    So wird eurem Glauben Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi.
    Ihn habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht;
    aber ihr glaubt an ihn und jubelt in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude,
    da ihr das Ziel des Glaubens erreichen werdet: euer Heil.


    Das Feuer, das reinigt

    Manchmal führt das Leben uns durch ein Feuer.
    Wir verlieren Menschen, Sicherheiten, Träume. Und mitten in der Trauer fragen wir: Warum muss das so weh tun?

    Die alten Griechen nannten dieses Durchgehen durch Schmerz Katharsis – Reinigung, Läuterung. In ihren Dramen war das Erleben von Leid kein Selbstzweck, sondern der Weg zu neuer Klarheit, zu Menschlichkeit. Erst wer Tränen zulässt, kann sich verwandeln.

    Auch die Bibel spricht in diesem Sinn:
    Der Glaube ist wie Gold, das im Feuer geprüft wird. Nicht das Feuer zerstört ihn, sondern es bringt seine Reinheit zum Vorschein.

    Ignatius – der Gottesträger

    Am heutigen Tag erinnert uns die Kirche an Ignatius von Antiochia, einen der ersten Zeugen des Glaubens. Auf seiner schweren Reise in die Gefangenschaft schrieb er Briefe voller Zuversicht. Er nannte sich selbst Theophoros, den „Gottesträger“.
    Er wusste: Gott verlässt uns nicht im Leid – er trägt uns hindurch.

    Trost, der verwandelt

    Trauer kann zu einer heiligen Katharsis werden.
    Nicht, weil der Schmerz an sich gut wäre, sondern weil er das Herz öffnet.
    Er macht uns empfänglich für das, was bleibt: Liebe, Mitgefühl, Dankbarkeit, Tiefe.

    Wenn wir den Mut haben, durch die Trauer zu gehen, anstatt sie zu umgehen, dann geschieht etwas leise Wunderbares:
    Aus Tränen wächst Frieden. Aus Verlust wächst Liebe.
    Und aus der Dunkelheit wächst neues Leben.

    Trost heißt nicht, den Schmerz zu leugnen – sondern in ihm Gott zu begegnen. Denn Gott ist Liebe. Und Liebe siegt immer.

  • Wie Liebe Trauer verwandelt

    Gedanken von Harald R. Preyer nach der Generalaudienz von Papst Leo XIV., 15. Oktober 2025

    Papst Leo XIV. hat in seiner heutigen Katechese etwas ausgesprochen, das mich tief berührt:

    Der Auferstandene ist die Quelle, die niemals versiegt.

    Er sagt nicht: Wir sollen an die Auferstehung glauben – er sagt: Sie geschieht mitten unter uns. Christus ist nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart. Er ist das lebendige Wasser, das unseren Durst stillt, wenn das Leben uns austrocknet.

    Als ich diese Worte heute Mittag im Auto hörte, musste ich an die vielen Hinterbliebenen denken, die ich in den letzten Monaten besucht habe.

    Einige von ihnen freuen sich schon jetzt auf das Wiedersehen mit ihren vorausgegangenen Familienmitgliedern – an einem Ort, den keiner kennt und den noch nie ein Mensch gesehen hat.
    In solchen Gesprächen wandelt sich Trauer oft überraschend schnell in Dankbarkeit – und manchmal sogar in leise Freude.

    Andere hingegen tun sich schwer, auf meine Frage eine tröstende Antwort zu finden: „Was glauben Sie – wo ist der liebe Verstorbene jetzt?“

    Oft höre ich dann: „Er lebt in unseren Herzen weiter.“

    Das ist ehrlich, und es ist menschlich. Aber ich denke mir oft: Das wäre mir zu wenig. Denn wenn der letzte Mensch gestorben ist, der sich erinnert – ist der Verstorbene dann wirklich für immer verschwunden? „Mausetot“, wie es der Herzogenburger Probst Petrus Stockinger heuer im Frühjahr gesagt hat.

    In meinen Trauerreden bemühe ich mich deshalb, jene Hoffnung zu vermitteln, die uns Christen der Glaube an den auferstandenen Christus schenkt. Sie verwandelt die bloße Erinnerung unserer Herzen in die Vorfreude auf das Wiedersehen. Natürlich ändert das nichts am Schmerz, den Trauernde im Moment erleben. Aber diese Hoffnung ist ein Licht am Ende des Tunnels – ein Ziel, auf das wir zugehen können.

    Denn durch Christus dürfen wir glauben: Das Leben endet nicht im Vergessen, sondern wird vollendet in der Liebe Gottes – dort, wo keine Trennung mehr ist.

    Wo Liebe spürbar wird

    Erstaunlich ist für mich immer wieder, dass gerade Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, diese Botschaft mit großem Wohlwollen annehmen.

    Vielleicht, weil sie in dieser Form schon lange nicht mehr – oder vielleicht noch nie – über die Liebe nachgedacht haben.
    Und doch ist Gott genau das: die Liebe selbst.

    Mir erzählen Menschen immer wieder, warum sie aus der Kirche ausgetreten sind und einige Gründe kann ich nachvollziehen und verstehen. Ich habe aber noch nie einen (trauernden) Menschen erlebt, der sich gegen die Liebe ausgesprochen hat.

    Viele Angehörige nehmen gerne meine Einladung zu einer kleinen Führung „Der Stephansdom – eine Liebesgeschichte“ an. Ich bin kein Domführer – ich bin Lektor, Ministrant, und vor allem ein gläubiger Mensch, der diesen Ort liebt. Ich zeige ihnen Plätze, an denen ich selbst immer wieder die Gegenwart Gottes spüre – die stille, tröstende, zärtliche und manchmal überwältigende Liebe des Auferstandenen.

    Und die Trauernden sind mir danach dankbar.
    Nicht, weil sie eine kunsthistorische Führung erlebt hätten,
    sondern weil sie – mitten in der Stille, im Gebet, in einem Lichtstrahl, in einem Augenblick des Friedens – die Nähe des lieben Verstorbenen gespürt haben.

    Nicht im Kopf, sondern im Herzen.
    Nicht in Worten, sondern in der Liebe.

    Vielleicht ist genau das Auferstehung:
    Dass wir – mitten im Leben, mitten in der Trauer – wieder lernen zu spüren, wie Liebe das Letzte ist, was bleibt.
    Und das Erste, das neu beginnt.


    Harald R. Preyer ist systemischer Coach, geistlicher Begleiter und christlicher Trauerredner in Wien.

  • ihn sehen, wie er ist

    Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es. Liebe Brüder, jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

    1 Joh 3, 1a.2

    Wir alle sind Kinder der Liebe. Und Gott ist die Liebe. Also sind wir Kinder Gottes. Es ist dabei gar nicht so wesentlich, ob wir an Gott glauben. Wir brauchen nur aus Liebe zu handeln, dann sind wir erlöste Kinder Gottes.

  • noch zwei Monate

    eine leise Annäherung zur 1. Lesung vom 21.8.2025, Lesejahr C, Ri 11, 29–39a

    Heute habe ich eine Bibelstelle gelesen, die mich zunächst sprachlos machte. Sie erzählt von Jiftach, einem Heerführer Israels. Vor der Schlacht legt er ein Gelübde ab: Wenn er den Sieg erringt, will er Gott als Opfer darbringen, was ihm als Erstes beim Heimkommen entgegenkommt.

    Er siegt – und ausgerechnet seine einzige Tochter läuft ihm entgegen, voller Freude, mit Gesang und Tanz. Ein Schicksalsschlag. Jiftach erkennt, dass sein Gelübde sich nun gegen sein eigenes Kind richtet.

    Die junge Frau hört davon und wehrt sich nicht. Sie bittet nur um eines:

    „Nur das eine soll mir gewährt werden: Lass mir noch zwei Monate Zeit, damit ich in die Berge hinabgehe und zusammen mit meinen Freundinnen meine Jungfräulichkeit beweine.“ (Ri 11,37)

    Zwei Monate. Eine kurze Schonfrist. Zeit, um Abschied zu nehmen. Zeit, um das Unausgesprochene auszusprechen. Zeit, um mit Freundinnen zu weinen – nicht allein, sondern in Gemeinschaft.

    Genau das bewegt mich: Trauer wird leichter, wenn sie geteilt wird. Wenn andere mitgehen, zuhören, mitweinen. Gemeinschaft verwandelt Schmerz nicht in Freude, aber in etwas Tieferes: in Liebe, die bleibt.

    Ich denke dabei an Birgit, eine junge Mutter von zwei Kindern. Sie war erst 38 Jahre alt, als sie die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhielt. Die Ärzte gaben ihr noch zwei Monate. Zwei Monate – das klingt unerträglich kurz. Und doch wurden diese Wochen zu einer geschenkten Zeit: Sie konnte mit ihrer Familie lachen und weinen, sprechen und schweigen, das Wichtigste weitergeben. Sie war getragen – von Liebe, von Nähe, von Gemeinschaft.

    Das ist der tröstliche Impuls dieser Bibelgeschichte: Auch im Angesicht des Todes bleibt uns Würde. Gott schenkt uns Zeit, auch wenn sie kurz ist. Zeit, die gefüllt werden darf mit Liebe.

    Und wir Christen glauben: Es bleibt nicht bei der Erinnerung. Unsere Verstorbenen sind uns vorausgegangen – hin zu Gott. Dort werden wir einander wiedersehen, in verwandelter Wirklichkeit.

    Darum dürfen wir hoffen: Die Zeit war kurz. Aber die Liebe bleibt. Amor vincit.

  • Hoffnung bleibt

    „Hoffentlich“ – ein Wort, das wir oft sagen. Vor einer Operation, vor einem Gespräch, in Zeiten der Unsicherheit.
    Manchmal mischt sich Angst hinein, manchmal die Erinnerung an Enttäuschungen.

    Und doch gibt es eine Hoffnung, die weiter trägt.
    Eine Hoffnung, die größer ist als Sorgen und stärker als der Tod.
    Sie sagt: Alles, was an Liebe, Güte und Menschlichkeit gelebt wurde, bleibt.
    Es geht nicht verloren.

    „Auferstehung“ bedeutet: Der letzte Satz unserer Geschichte heißt nicht „Ende“, sondern „Weiter“.
    Diese Hoffnung ist ein Geschenk. Sie schenkt Geborgenheit, Sinn und Perspektive – schon heute.

    Darum dürfen wir sagen:
    Unsere Verbindung bleibt.
    Die Liebe bleibt.
    Und das Wiedersehen kommt – in einer Wirklichkeit, in der wir einander wieder in die Arme schließen.


    2. Lesung am Hochfest Mariä Aufnahme in den Himmel

    Schwestern und Brüder! Christus ist von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.

    Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.

    Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören. Danach kommt das Ende, wenn er jede Macht, Gewalt und Kraft entmachtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt.

    Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod. Denn: Alles hat er seinen Füßen unterworfen.

    1 Kor 15, 20–27a