Schlagwort: Alkoholiker

  • Vom Glas zur Klarheit

    Warum ich seit 2022 keinen Alkohol mehr trinke
    Eine ehrliche späte Entschuldigung an Menschen, die ich liebe
    von Harald R. Preyer – ehemaliger Alkoholiker

    1) Selbstkundgabe

    Ich kann mich nicht erinnern, seit meinem 16. Lebensjahr eine Woche ohne Alkohol gelebt zu haben. Ich habe selten selbst gedacht, dass ich betrunken bin. Die Polizei, meine Familie und wirklich gute Freunde waren anderer Meinung. Mehr als 40 Jahre habe ich meiner Familie, meinen Kollegen im eigenen Unternehmen und mir selbst eine schlechte Kopie meiner Persönlichkeit zugemutet.

    Eine Notoperation (überraschender Darmkrebs, dessen Anzeichen ich ignoriert habe) in Kiew am 8. Dezember 2019 hat noch immer nicht gereicht, endlich aufzuhören. Erst ein epileptischer Anfall im Sommer 2022 und in Folge ein einwöchiger Krankenhausaufenthalt haben mich bereit für die Botschaft gemacht, die mir gute Freunde seit Jahren gesendet haben:
    „Hör’ auf, Harald! Es ist schade um Dich!“

    Mein langjähriger Freund, der Neurologe Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek, sagte zu mir:
    „Harald! Du saufst Dir noch Dein Hirn weg!“

    Und meine geliebte Ehefrau Yuliya meinte:
    „Harald, als ich Dich da auf der Bahre der Rettung liegen gesehen habe, wurde mir klar: Ich als zierliche Frau kann Dir mit Deinen über 100 Kilo nicht mehr helfen, wenn so etwas noch einmal passiert. Ich liebe Dich – und ich bin ratlos. Bitte hilf Dir und mir!“

    Seit 17. Oktober 2022 trinke ich keinen Alkohol mehr.
    Es ist kein Kreuz, sondern Befreiung.

    Die Gesellschaft, meine Familie und vor allem Yuliya haben mir viel geschenkt – Geschenke, die ich erst seit drei Jahren wirklich als solche erkenne. Ich habe viel wieder gut zu machen.
    Heute bin ich dankbar für mein Leben, lebe bescheiden, froh, glücklich und frei von jedem Druck.

    Es ist eine weit verbreitete und falsche Behauptung, dass ein Alkoholiker immer ein Alkoholiker bleiben wird. Richtig ist aber, dass ich sofort wieder zum Alkoholiker werden würde, wenn ich ein Glas Alkohol trinken würde.

    Wenn Du diesen Weg auch gehen willst, ruf mich an.
    Ich kann Dir vielleicht helfen, endlich wirklich aufzuhören.
    Jedenfalls werde ich es versuchen – so gut ich kann.
    Nicht für Geld, sondern als Dank für das Geschenk der völligen Alkohol-Abstinenz, das ich selbst seit drei Jahren jeden Tag erlebe.


    2) Was die Forschung heute sagt

    Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat 2024 ihre Empfehlung grundlegend geändert:
    Es gibt keine risikofreie Menge Alkohol. Schon ein einziges Glas erhöht das Risiko für Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Leberschäden. Frühere Studien, die kleinen Mengen Wein oder Bier einen gesundheitlichen Nutzen zugeschrieben haben, gelten heute als wissenschaftlich widerlegt.

    Das Robert Koch-Institut (RKI) hat in einer großen Befragung gezeigt:
    Fast ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland trinkt Alkohol in gesundheitlich riskanten Mengen. Männer sind deutlich stärker betroffen als Frauen. Auffällig ist auch, dass gerade höher gebildete Menschen häufiger trinken – oft, weil Alkohol dort als Teil des „guten Lebens“ gilt.

    Die Einteilung in Stufen verdeutlicht:

    • Kein Risiko: nur Abstinenz
    • Geringes Risiko: bis 2 Standardgetränke pro Woche
    • Moderates Risiko: 3–6 Standardgetränke pro Woche
    • Hohes Risiko: mehr als 6

    Ein Standardgetränk entspricht 330 ml Bier, 125 ml Wein oder 40 ml Schnaps. Entscheidend ist: Das Risiko steigt mit jedem weiteren Drink.


    3) Kritik und Konsequenzen

    Suchtforscher warnen davor, dass die Stufen Sicherheit vortäuschen. Manche Menschen bleiben auf einer Stufe stehen und fühlen sich „im grünen Bereich“, obwohl jede Menge Alkohol Schaden anrichten kann. Darum betonen Fachleute:
    Wirklich sicher ist nur Verzicht.

    Auch politisch ist das Thema brisant. Alkohol ist in Österreich und Deutschland leicht und billig verfügbar. Ein Nachtverkaufsverbot in Baden-Württemberg führte nachweislich zu weniger Gewalttaten und Krankenhausfällen – wurde aber wieder abgeschafft. Experten fordern strengere Regeln und höhere Steuern, ähnlich wie bei Tabak.


    4) Mein Weg in die Freiheit

    Für mich war das Aufhören kein einmaliger Akt, sondern ein Prozess. Ich habe im Abstand von 12 Jahren dreimal versucht, mich vom Alkohol zu verabschieden. In den Jahren 2013 und 2021, weil ich meinen Lieben damit eine Freude machen wollte. Den Abend meines 50. Geburtstags am 3. Mai 2013 habe ich im Anton Proksch Institut im Hof mit einer Zigarette, einer heißen Schokolade aus dem Automaten und mir selbst gefeiert. Zurecht verlassen von meiner damaligen Ehefrau und bemitleidet von meinen drei Kindern. Ich habe damals bereits am ersten Wochenende noch während der Therapie wieder lächelnd ein Glas Weißwein getrunken und bin dann nüchtern wieder am Sonntag Abend im Institut erschienen. Das hat fünf Wochen ganz gut funktioniert und ich habe mir eingeredet, dass ich alles im Griff habe.

    Erst im Oktober 2022 war es dann erstmals mein eigener Wunsch wirklich mit Alkohol aufzuhören. Ich habe den Schalter im Kopf umgelegt und gebetet:

    Vater! Jetzt will und muss ich wirklich mit diesem Unsinn aufhören. Verzeih mir, dass ich meinen Körper – Deinen Tempel – so lange beleidigt habe. Bitte vergib mir und hilf mir, dass ich es auch für den Rest meines Lebens schaffe, trocken zu bleiben.

    Diese vier Schritte haben mir wirklich gut getan:

    Wahrheit zulassen. Nicht mehr beschönigen, nicht mehr verdrängen.

    Vertraute Menschen einbeziehen. Zwei, drei Freunde, die offen sagen dürfen: „Pass auf dich auf.“

    Rituale verändern. Statt den Gläsern Wein am Abend: aufgeschnittene frische Äpfel, Wasser, Tee, Spaziergang, Gebet, Liebe.

    Spiritualität stärken. Die Texte der Bibel wirklich bewusst lesen und darüber nachdenken, was sie für mich heute bedeuten.

    In den Texten des Magnificat (ein monatlich erscheinendes Stundenbuch für Laien, das ich seit 30 Jahren abonniert habe), im stillen Gebet, in der Eucharistie habe ich eine neue Nüchternheit entdeckt, die Freude schenkt.

    Die Bibel drückt es klar aus:
    „Alles ist erlaubt, aber nicht alles nützt“ (1 Kor 6,12).
    „Berauscht euch nicht mit Wein; das macht zügellos, sondern lasst euch vom Geist erfüllen“ (Eph 5,18).
    Und Jesus sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10).

    Für mich heißt das: Nüchternheit ist nicht Mangel, sondern Freiheit zur Liebe.


    5) Einladung

    Vielleicht erkennst du dich wieder in meinen Zeilen. Vielleicht spürst du, dass Alkohol dir mehr nimmt als er gibt. Wenn das so ist, dann ruf mich an. Ich urteile nicht, ich rechne nicht ab. Ich höre zu, begleite und teile, was mir selbst geholfen hat.

    Nicht als Geschäft, sondern als Dank.
    Denn seit drei Jahren darf ich jeden Tag die Erfahrung machen:
    Die Abstinenz ist kein Verlust, sondern ein Geschenk.


    6) Nachklang

    Ich hatte mir den 17. Oktober 2025 als Tag markiert, um diesen Artikel zu schreiben.

    Ein berührendes Begräbnis, das ich heute gemeinsam mit meinem Freund P. Johannes Paul Abrahamowicz, Priester und Mönch im Stift Göttweig, am Wiener Zentralfriedhof gestalten durfte, hat dazu geführt, dass ich diesen Text schon heute veröffentliche.

    P. Johannes Paul hat mir im Auto am Parkplatz vor dem Zentralfriedhof seine neueste Komposition vorgespielt. Ein Lied, das er selbst mit erkälteter Stimme gestern aufgenommen hat:

    „Ist mein Leben vorherbestimmt? “ (op. 253)

    Als ich diesen Artikel fast fertig geschrieben hatte, kam der wöchentliche Newsletter der ZEIT. Und dort habe ich einen wirklich gut recherchierte Bericht in ZEIT Online vom 30. September 2025 gefunden.

    Ich habe mit Hilfe von KI die rund 400 Kommentare der ZEIT-Leserinnen und -Leser analysiert und betroffen festgestellt:
    Je höher die Bildung, umso höher der Alkoholkonsum.
    Und: Rund ein Drittel aller Alkoholiker leugnet ihre Sucht, ein Drittel redet sie schön – und ein Drittel gibt sie zu und will aufhören, Alkohol zu trinken.

    Ich selbst habe 40 Jahre lang meine Sucht geleugnet und erst im Anton Proksch Institut in Kalksburg erkannt, wer ein Alkoholiker ist:

    „Jemand, der Alkohol wegen seiner Wirkung trinkt – und nicht, weil er gut schmeckt.“

    Heute weiß ich: Wahrheit befreit. Und Klarheit heilt. Beides ist Gnade.


    Den aktuellen Artikel in der Zeit inklusive einer einfachen Selbsteinschätzung und überzeugender Grafiken habe ich hier mit einem Geschenk-Link geteilt. Es kann sein, dass Du Dich kostenlos einmal anmelden musst, wenn Du ihn lesen willst. Der Verlag wird dann vermutlich versuchen, Dich als Abonnent zu gewinnen. Das habe ich auch bei anderen Produkten aus dem ZEIT Verlag erlebt. Es wird aber sofort respektiert, wenn Du einmal auf „Abmelden“ klickst.

    https://www.zeit.de/gesundheit/2025-09/alkoholkonsum-rechner-vergleich-gesundheitsrisiko-studie?freebie=f8523b16