Schlagwort: Trauerrede vom Verstorbenen

  • Peters Botschaft aus dem Jenseits

    Stellen Sie sich vor, dass Sie zur Bestattung eines langjährigen Freundes eingeladen sind. Er starb viel zu früh – wie geliebte Menschen immer zu früh sterben.

    Sie wissen nicht, was sie erwartet. Einige andere Freunde sind schon da.

    Man begrüßt sich leise, pietätvoll, mit diesem traurigen Blick, der eine Mischung aus „Es tut mir leid. Ich fühle mit. Ich bin da. Ich vermisse Peter auch sehr.“ signalisiert.

    Der Trauerredner begrüßt die Gäste angemessen, unaufdringlich, warmherzig.

    Dann sprichst Peter selbst.

    Sie hören ihn glasklar. Ganz so als würde er neben Ihnen sitzen. Seine Stimme klingt warm, liebevoll – sein gewohnter Erzählton unter Freunden. Es ist alles wie es immer war, wenn sie Peter getroffen haben. Es sind nur mehr Menschen da als sonst im Freundeskreis. Und es ist alles irgendwie feierlicher. Aber es ist kein Zweifel: Das ist Peter’s Stimme. Das ist keine KI, keine Computerstimme.

    Peter erzählt Episoden aus seinem Leben und es sind gute Geschichten. Auch Sie selbst kommen einmal kurz vor. Das berührt Sie – die Geschichte damals am Gardasee bei ihrer Wanderung auf den Monte Baldo als sie einander gegenseitig fotografiert haben – weit im Hintergrund das tiefe Blau des Sees.

    Und Peter sagt auch Botschaften, die nachdenklich machen. Vom Leben im Jetzt, von der Dankbarkeit, die zum Glück führt, von der Verantwortung, von einer guten Welt, von der Liebe und von seiner Hoffnung.

    Die Stimmung ist gelöst. Dankbarkeit und Hoffnung erfüllen den Raum und nehmen die Trauer an der Hand.


    Making of

    Möglich wurde diese neue Form des eigenen Nachrufs durch eine besondere Vorbereitung. Peter hat mich drei Monate vor seinem Tod angerufen und gefragt, ob wir seine Trauerrede gemeinsam vorbereiten können.

    Wir haben geplant, uns dreimal zu treffen. Beim ersten Treffen hat er mir in zwei Stunden sein Leben erzählt. Ich habe nur gut zugehört, manchmal nachgefragt, in meinen Worten gespiegelt, was er mir erzählt hat. Es waren zwei schöne Stunden auf seiner Terrasse. Nur er und ich, mein Notizblock und später auch mein Handy zum Aufnehmen seiner Erzählungen.

    Dann habe ich Peter einige Gedanken geschickt. Fragen, Bilder und Ideen, die ihn inspiriert haben, seine Erzählung weiter auszuschmücken, zu fokussieren, Schwerpunkte zu setzen, einen roten Faden zu finden, mit allen Sinnen spürbar zu machen.

    Ich habe Peter dann ein zweites Mal besucht und er hat seine eigene Trauerrede das erste Mal selbst gesprochen. Das habe ich aufgenommen – nicht in Studioqualität, sondern so wie es war. Knappe zehn Minuten – so wie meine eigenen Trauerreden. Allerdings mit leisen Hintergrundgeräuschen auf der Terrasse. Einmal hat Senta gebellt. Sogar in der Aufnahme hört man, wie sie voller Freude das Kommen der Enkel kurz gemeldet hat.

    Wir haben dann noch länger darüber gesprochen, wie es ihm jetzt geht. Die Ärzte meinen, mit viel Glück wird er den Ferienbeginn von Klara und Franz noch erleben. Die Schmerzen sind erträglich. Ich erlebe Peter reflektiert, ruhiger als bei unserem ersten Gespräch, gefasster, manchmal tief berührt und dann auch zeitweise wie bereits in einer anderen schönen Welt, träumend, sinnierend, glücklich, erlöst. Ich habe ihn noch gebeten, mir ein Bild – ein gutes Foto – von ihm zu schicken. Damit er uns von der Staffelei in der Aufbahrungshalle auch ansieht, wenn wir seine letzten Wort hören.

    Wir haben geplant, wann wir uns zum dritten Mal sehen, um die finale Version seiner eigenen Trauerrede professionell aufzunehmen… Vielleicht mit Video.

    Dazu kam es nicht mehr. Eine Woche später hat mich Barbara angerufen und schlicht gesagt: „Peter ist tot. Er ist heute Nacht einfach eingeschlafen. Wir haben noch miteinander gekuschelt wie jeden Tag und er ist nicht mehr aufgewacht.“

    Die erste Version von Peter’s selbstgesprochener Trauerrede und sein Bild auf der Staffelei haben Bekannte, Freunde und sogar Barbara vermutlich mehr berührt als es jede Erinnerung vermocht hätte.

    Was bleibt? Erinnerungen, Bilder im Kopf, viel Liebe, Freude über das Erlebte, Erzählte und die warme Vorfreude auf das Wiedersehen. Irgendwann, irgendwie und sicher anders als hier. Und Senta’s leises Bellen.


    Ein Artikel aus der ZEIT vom 23.4.2025 beschreibt authentisch und ehrlich Erfahrungen mit anderen modernen Methoden der Speicherung von Erinnerungen an Verstorbene.