Homilie von P. Johannes Paul Abrahamowicz OSB, Stift Göttweig am Karfreitag 2025
Möglicherweise fehlerhaft transkribiert von Harald R. Preyer.
„Dein Wille geschehe“, sagt Jesus, und das unter Todesangst. Aber genau durch dieses „Dein Wille geschehe!“, fasst er wieder Mut. Denn er weiß, wenn der Wille des Vaters geschieht, wird alles gut. Jesus bekommt nicht bloß emotional neuen Mut, sondern existenziell. Er erfährt jene innere Kraft, die ihm sagt, dass er weitergehen soll, und zwar über den Tod hinaus.
Dein Wille geschehe. Wo hat Jesus diese Geisteshaltung her? Ganz einfach. Er hat im Laufe seines Lebens immer wieder erfahren, dass er sich auf den Vater verlassen kann. Und wann hat er damit angefangen? Vermutlich schon als Kleinkind. Im Judentum galt nämlich damals bis heute, dass du Jude bist, wenn deine Mutter Jüdin ist. Wieso die Mutter und nicht der Vater? Wieso nicht beide? Weil die Mütter am meisten mit ihren Kleinkindern beisammen sind, ihnen von Anfang an die wichtigsten Dinge beibringen und eben auch das Beten.

Dein Wille geschehe. Hat Maria das nicht schon gebetet? Der kleine Jesus war da noch gar nicht geboren. Der könnte dieses Gebet von ihr gelernt haben. Vielleicht hat sie einmal ihrem kleinen Jeschua erzählt, was sie gesagt hat zu der Stimme, die zu ihr gesprochen hat: Dein Wille geschehe. Dann wird alles gut. Obwohl sie wusste, dass sie als einzige schwangere Frau möglicherweise gekreuzigt wird. Aber siehe – ihr Gebet wurde erfüllt. Sie wurde nicht gekreuzigt. Warum nicht? Weil Josef ihr treu geblieben ist. Und er ist ihr treu geblieben, weil auch er sich dem Willen Gottes überlassen hat.
Dreißig Jahre später sagen zwölf Jünger zu ihrem Rabbi Jesus: Meister, lehre uns beten. Und dann denkt er sich ein Gebet aus, extra für sie. Er vertraut ihnen das Gebet zum Vater an und lehrt sie zu beten, dass das Reich Gottes komme, dass Dein Wille geschehe, und dass sie um das tägliche Brot beten, um die Vergebung der Schuld und um die Erlösung vom Bösen. Vielleicht hat er damals, bei dieser Bitte Dein Wille geschehe, ganz bewusst die Erinnerung an seine Mutter in dieses Gebet einfließen lassen und so ihre großartige Offenheit für den Willen Gottes als ein Kleinod in dieses Gebet hineingelegt.
Wenn ich in einer Situation der Ungewissheit bin: Vater – Dein Wille geschehe. Und was passiert? Es bleibt die Entscheidungsnot, aber ich spüre wieder festen Halt und kann wieder mit kühlem Kopf entscheiden. Wenn ich in einer Situation der Angst bin: Vater – Dein Wille geschehe. Und das, was Angst gemacht hat, ist noch immer da – aber ich fürchte mich nicht mehr davor, sondern kann wieder frei denken und handeln. Wenn mich jemand ärgert: Vater – Dein Wille geschehe. Und er hört nicht auf, mich zu ärgern – aber er ärgert mich nicht mehr. Es ist vorbei für mich, und ich kann wieder weiterarbeiten. Dein Wille geschehe – denn was Du willst, ist sicher nur das Beste für mich.
Dieses kurze Gebet ist ein hoher Ausdruck von Gottvertrauen – wenn nicht der höchste Ausdruck von Gottvertrauen überhaupt. Daher kann man sagen: Es wirkt zu hundert Prozent. Aber nur für jene, die Gott lieben. Dein Wille geschehe – es klingt wie ein Zauberwort in meinem Herzen. Aber nur, wenn ich Gott liebe. Wie heißt das Zauberwort mit zwei T? Man muss manchmal ungezogene Kinder fragen. Dann wissen sie plötzlich die Antwort und sagen: Bitte. Wie heißt das Zauberwort mit zwei L? Sagt uns das Jesus heute? Und jetzt wissen wir alle die Antwort: Dein Wille geschehe.
Jesus sagt, dass er – in seiner Todesangst und in seiner neuen Kraft – trinkt, weil er den Vater liebt. Später, in der Ohrsache, die wir gerade gehört haben, sagt Jesus, dass er bereit ist, den Kelch zu trinken, den der Vater ihm reicht. Weil er den Vater liebt, vertraut er ihm. Ich bin bereit, den Kelch zu trinken. Ich bin bereit, diese Schande bis in den Tod zu ertragen. Nach anderen Evangelisten spricht Jesus am Kreuz Psalm 31, wo es heißt: Vater, in Deine Hände lege ich meinen Geist. Sterbend vertraut er sich liebevoll dem Vater an. Und der Vater holt seinen toten Sohn – aus lauter Liebe – aus dem Zustand des Todes heraus. Wenn es uns gelingt, in unserer Todesstunde zu sagen: Dein Wille geschehe, dann gehen wir hinüber in aller Seelenruhe.
Aber für den Fall, dass ich Angst haben werde zu sterben und dieses Abschiedsgebet nicht mehr sprechen kann, sage ich jetzt zur Mutter Jesu, dass sie in der Stunde meines Todes für mich betet. Dann wird sie bei mir stehen, wie sie auch unter dem Kreuz ihres Sohnes gestanden ist. Und sie wird sicher nichts anderes sagen als ihr altmodisches Gebet. Aber in meinem Namen. Dann werde ich geistlich schon während des Übergangs auferstehen. Ich werde geistlich auferstehen, befreit von jedem Zweifel, ob Gott mir wirklich hilft. Aber nicht nur in unserer Todesstunde ist das Zauberwort ein Segen, sondern in allen schwachen Momenten unseres Lebens dürfen und können wir Dein Wille geschehe sagen. Und Heil empfangen. Heil von jedem Zweifel an der Liebe Gottes.
Lasst uns in diesem Sinn jetzt zunächst die großen Fürbitten ehrlich sprechen und dann das Gebet der schwächsten Stunde Jesu beten – als seine stärkste Stunde. Weil er seine schwächste Stunde zur stärksten gemacht hat durch seinen Willen – am Kreuz. Als Symbol für diese schwächste und zugleich stärkste Stunde, die wir darbringen, nehmen wir sein Kreuz. Und wir bringen zugleich auch unser Kreuz dar. Alle unsere künftigen schwachen Stunden. Denn sie sind alle unsere große Chance, zum Vater zu sagen: „Dein Wille geschehe.“